Einig wie selten zieht Pakistans Opposition in der Provinz Belutschistan gegen Wahlsieger Sharif ins Feld. Die belutschischen Nationalisten zählen dabei auf breite Unterstützung in der Bevölkerung – und ihren zurückgekehrten Stimmführer.
Für pakistanische Verhältnisse muteten die Nachrichten über die Parlamentswahlen Mitte Mai geradezu erstaunlich erfreulich an. Nicht nur die höchste Wahlbeteiligung seit der ersten Wahl 1970 – immerhin 60 Prozent – sondern auch eine besondere Premiere für Pakistan: Zum ersten Mal wird eine zivile Regierung im Land durch die nächste abgelöst – und das auch noch friedlich. Selbst Indiens Presse wertete den Wahlausgang positiv. Mit Wahlsieger Nawaz Sharif von der Pakistan Muslim League (PML) an der Spitze gebe es gute Aussichten für eine Verbesserung der Nachbarschaftsbeziehungen.
Doch nun trübt der Nachgang der Wahlen in der Provinz Belutschistan die gute Stimmung in Islamabad. Am 26. Mai 2013 protestierten in Quetta gleich vier große Parteien vereint gegen Unregelmäßigkeiten bei der Wahl in Belutschistan: die religiös-konservative Jamiat Ulema-e-Islam und Ahl-e Sunnat Wal-Jamat, die von Wahlverlierer Imran Khan angeführte Pakistan Tehreek-e-Insaf (PTI) und die belutschisch-nationalistische Balochistan National Party (BNP). Das hat es noch nie zuvor gegeben. Belutschistan ist die flächenmäßig größte und ärmste Provinz des Landes.
Seit Jahrzehnten machen Separatisten in der westlichen Region der Zentralregierung Ärger. Auch die Taliban hatten ein leichtes Spiel, sich hier in den letzten Jahren Rückzugsräume einzurichten. In der Provinzhauptstadt Quetta haben sich diverse undurchsichtige Terrornetzwerke angesiedelt. Insgesamt ist die Sicherheitslage in der Region desaströs. Belutschische Nationalisten hatten mit Gewalt gedroht, sollte der geforderte Wahlboykott nicht eingehalten werden. Viele der rund 8 Millionen Einwohner Belutschistans stehen Islamabad ohnehin ablehnend gegenüber.
Aus diesen Gründen sind die meisten Wähler am 11. Mai zuhause geblieben. Während die zentrale Wahlkommission für Belutschistan eine Wahlbeteiligung von 50 Prozent angegeben hat, schätzen Beobachter vor Ort die Zahlen viel niedriger. Von lediglich drei Prozent spricht etwa die pakistanische Tageszeitung Daily Times.
Stimmzettel auf Müllkippen
Nach Angaben der Parteichefs sollen die Wahlergebnisse in der Wahlnacht verändert worden sein. Vernichtete Stimmzettel seien auf Müllkippen gefunden worden. Natürlich habe man sich schon auf Wahlfälschungen eingestellt. Doch diesmal sei der Weg der eigentlich legitimen Volksvertreter einfach mit den für Islamabad gefälligen Potentaten versperrt worden. Und die Wahlkommission habe es nicht gemerkt. »Wäre eine solch massive Manipulation in Karachi, Lahore, Islamabad oder Peshawar aufgetreten, wäre das ganze Land auf der Straße«, zitiert die Express Tribune die verärgerten Politiker.
Besonders die Nationalisten der BNP vermögen es, ihre Anhänger großflächig und anhaltend zu mobilisieren. Ihr Anführer Akhtar Mengal war Ende der 1990er Jahre Ministerpräsident der Provinz Belutschistan. 1998 wurde seine Regierung von niemand Geringerem als Nawaz Sharif, damals schon zum zweiten Mal Premierminister, aufgelöst. Diesen Schritt hatte Sharif, wohl um in Belutschistan auf Stimmenfang zu gehen, im Januar dieses Jahres öffentlich bereut.
Unter Pervez Musharraf, der großflächig gegen belutschische Aktivisten vorging, verbrachte Akhtar Mengal von 2006 bis 2008 fast zwei Jahre im Gefängnis. Erst im März dieses Jahres war er aus dem mehrjährigen Exil in Dubai nach Pakistan zurückgekehrt, um an den Parlamentswahlen teilzunehmen. Nun fühlen sich die Wahlkämpfer der BNP betrogen – und haben dabei viele Belutschen auf ihrer Seite: Sie halten Akhtar Mengal für ihren einzigen rechtmäßigen Repräsentanten.
Mit dieser Ausgangslage wird es Nawaz Sharif in Belutschistan nicht leicht haben, die Wogen zu glätten. Neben den zwei drängenden Themen Sicherheit und Wirtschaft werden für Pakistan die Beziehungen zu Indien und den USA eine gründliche Neuausrichtung brauchen. Für den neuen und alten Premierminister ist Belutschistan nur eine von vielen Baustellen.