Weil die Einnahmen aus Passagegebühren am Suezkanal schrumpfen, wirken sich die Huthi-Angriffe im Roten Meer unmittelbar auf Ägyptens Wirtschaft aus. Warum Kairo sich den westlichen Marinemissionen dennoch nicht anschließen will – und stattdessen auf Tuchfühlung mit Teheran geht.
Einen Monat, nachdem die Vereinigten Staaten in Reaktion auf die Angriffe der Huthis auf Handelsschiffe im Roten Meer die Operation »Prosperity Guardian« ins Leben gerufen haben, hat die westliche Koalition noch keinen einzigen Staat der Region mit an Bord. Ziel der Marinemission ist es, die Freiheit der Schifffahrt durch das Bab al-Mandab zu gewährleisten, nachdem große Reedereien wie MSC, Maersk und Hapag-Lloyd ihre Schiffe aufgrund höherer Versicherungskosten um das Kap der Guten Hoffnung herum umgeleitet haben.
Die Huthis begannen die Angriffe auf Handelsschiffe mit der Begründung, es handele sich um israelische Boote beziehungsweise Schiffe mit Verbindungen zu Israel, etwa über israelische Reeder oder auch Anlaufziele in israelischen Häfen. Aufsehen erregte besonders war die Entführung des japanischen Fahrzeugtransporters »Galaxy Leader«, dessen Miteigentümer der israelische Geschäftsmann Rami Ungar ist. Viele andere Schiffe, die ins Visier genommen wurden, haben jedoch keinerlei Verbindungen zu Israel. Trotz der Garantien für eine sichere Durchfahrt für russische und chinesische Schiffe, haben auch nicht-westliche Reedereien ihre Schiffe aus dem Roten Meer umgeleitet.
Unter den Rotmeer-Anrainern trifft vor allem Ägypten die ständige Unterbrechung eine der wichtigsten outen des Welthandels. Während der ersten zehn Tage des neuen Jahres verzeichnete der Suezkanal 30 Prozent weniger Aktivität im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Prognostizierte Einnahmeverluste von 40 Prozent treffen Ägypten zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt und folgen einer Reihe externer Schocks. Nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine im Jahr 2022 geriet das Land in eine Devisenkrise. Der Konflikt verunsicherte Investoren, die Auswirkungen auf den weltgrößten Weizenimporteur befürchteten, und führte dazu, dass ägyptische Anleihen im Wert von 20 Milliarden US-Dollar abgestoßen wurden.
Die ägyptische Marine ist modern, gut ausgerüstet mit Schiffen aus westlichen Werften
Angesichts des Devisenschwunds läge es sowohl im wirtschaftlichen als auch im sicherheitspolitischen Interesse Ägyptens, die Huthi-Aktionen im Roten Meer zu unterbinden. Die ägyptische Marine ist modern, gut ausgerüstet mit Schiffen aus westlichen Werften. Sie könnte der westlichen Koalition die dringend benötigte Legitimität für die Marinemission im Roten Meer geben. Und dennoch hält sich Kairo merklich zurück.
Diese Entscheidung ist Ergebnis der zahlreichen Zwänge, denen Ägypten derzeit ausgesetzt ist. Viele externe Ereignisse liegen außerhalb von Kairos Einflussbereichs, verschärfen jedoch die anhaltende Wirtschaftskrise des Landes. Mehrere Luftangriffe britischer und US-amerikanischer Kampfflieger im Rahmen der separaten Operation »Poseidon Archer« haben militärische Einrichtungen im Jemen ins Visier genommen. Doch bislang hat sich die Sicherheitslage nicht signifikant verbessert. Die Huthis feuern weiterhin Raketen und andere Geschosse auf Schiffe im Roten Meer ab.
Angesichts des Gaza-Krieges, der die Spannungen im Nahen Osten auf den höchsten Stand seit Jahrzehnten gehoben hat, und umgeben von aktiven Konfliktzonen entlang aller wichtigen Grenzen, ist Kairo um Deeskalation bemüht. Im Jemen hat sich Ägypten schon einmal die Finger verbrannt. Unter Gamal Abd Al-Nasser intervenierte Ägypten auf Seite der Arabischen Republik Jemen während des Bürgerkriegs in den 1960er-Jahren. Die Intervention damals zeitigte nicht den erhofften Erfolg und wurde in der Folge als einer der Gründe für das schlechte Abschneiden der ägyptischen Armee im Sechs-Tage-Krieg 1967 angeführt.
Jede Anstrengung, die Angriffe der Huthis einzuhegen, wird auf ägyptische und saudische Unterstützung angewiesen sein
Die Huthis haben aus der Empörung über Israels Kampagne gegen die Hamas im Gazastreifen Kapital geschlagen. Aus der Sicht vieler Menschen in der Region sind die Huthis der einzige politische Akteur in der Region, der seiner rhetorischen Unterstützung konkrete Taten folgen lässt. Die palästinensische Frage bleibt ein Thema, das in den Gesellschaften der arabischen Welt auf große Resonanz stößt, während das Engagement der politischen Eliten in dieser Sache als Lippenbekenntnis wahrgenommen wird.
Die Unterstützung für eine islamistische Gruppe, über deren Ursprünge oder brutale Taktiken selbst viele Menschen in der arabischen Welt kaum etwas wissen, ist einerseits Ausdruck des politischen Vakuums und setzt andererseits Staaten wie Ägypten unter Druck. Obwohl das Sisi-Regime seit zehn Jahren mit harter Hand im Innern regiert, fürchtet es doch um Ansehen im eigenen Land und in der Region, sollte man sich öffentlich gegen die Huthis positionieren. Tatsächlich haben sich mit Ausnahme Bahrains keine anderen arabischen Staaten der Koalition angeschlossen. Die Beteiligung des Golfstaates ist wohl nicht mehr als eine symbolische Geste, schließlich liegt die Fünfte Flotte der US Navy hier vor Anker.
Jede Anstrengung, die Angriffe der Huthis einzuhegen, wird auf ägyptische und saudische Unterstützung angewiesen sein. Kairos Verbündeter am Golf, von dem das Land in hohem Maße wirtschaftlich abhängig ist, zögert in der Rotmeer-Frage ebenso, sich gegen die Huthis zu Positionieren. Riad steht kurz vor der Unterzeichnung eines Waffenstillstandsabkommens mit der von Iran unterstützten Miliz, die dem Königreich eine Ausstiegsperspektive nach neun Jahren Krieg an seiner Südflanke bietet. Ein Ziel, das an Dynamik gewonnen hat, seit Saudi-Arabien im Rahmen der von China geleiteten Gespräche bereit erklärt hat, wieder diplomatische Beziehungen zu Iran aufzunehmen.
Der Gaza-Konflikt hat auch Ägypten und Iran in Kontakt wieder einander angenähert. Obwohl die beiden Länder auf informeller Ebene Kontakte aufrechterhalten, waren die Beziehungen in den vergangenen Jahren unterkühlt. Das iranische Staatsfernsehen berichtete im Dezember, Ebrahim Raisi habe seinen ägyptischen Amtskollegen Abdel-Fattah Al-Sisi angerufen. Die beiden Präsidenten hatten sich bereits im November am Rande des gemeinsamen arabisch-islamischen Sondergipfels in Riad zum ersten Mal getroffen. Obwohl eine vollständige Annäherung eher unwahrscheinlich ist, könnte der Wunsch Ägyptens, die Spannungen in seiner Nachbarschaft abzubauen, den Draht nach Teheran zumindest kurzfristig stärken.