Syed Asim Munir hat das wohl wichtigste Amt in Pakistan übernommen. Nun steht der Vorzeigemilitär vor einer folgenschweren Entscheidung.
Zeit zum Einarbeiten bleibt dem neuen Armeechef Syed Asim Munir nicht – er muss liefern. Denn Pakistan ist im Krisenmodus. Die Wirtschaft schwächelt und die Schäden der Rekordflut vom Sommer 2022 sind noch lange nicht beseitigt. Munir sieht sich derweil mit immer mehr Terroranschlägen konfrontiert, seitdem die Taliban im benachbarten Afghanistan an die Macht gekommen sind. Hinzu kommt der lähmende Dauerkonflikt zwischen Oppositionsführer Imran Khan und der Regierung von Shehbaz Sharif, die im Herbst bei den Wahlen gegeneinander antreten werden.
Kurzum: Die südasiatische Atommacht taumelt mal wieder dem Abgrund entgegen. Kann der neue Armeechef den Trend stoppen?
Munir gilt als Mustermilitär. Ausgebildet an der Akademie in Kakul und am Offizierskolleg in Mangla, verdiente er seine Sporen im Feld vor allem im Norden Pakistans. Munir diente außerdem als Verbindungsoffizier in Saudi-Arabien und leitete später den einflussreichen Geheimdienst ISI.
Als Armeechef ist er so mächtig wie niemand sonst im Staatsapparat, politische Grundsatzentscheidung lassen sich ohne Einwilligung der Streitkräfte quasi nicht treffen. Dank zahlreicher Beteiligungen an Unternehmen gilt das Militär außerdem als einer der wichtigsten Wirtschaftsfaktoren.
Politisch wird Munir dem Lager seines Vorgängers Qamar Javed Bajwa zugerechnet, der wiederum gilt als vehementer Gegner von Imran Khan. Munir selbst werden Differenzen mit dem Ex-Regierungschef nachgesagt, seitdem die Cricket-Legende ihn 2019 nach nur wenigen Monaten als Geheimdienstchef abgesägt hatte.
Außenpolitisch dürfte Munir versuchen, die Abhängigkeit von China zu verringern und stattdessen die Beziehungen zu den USA auszubauen. Washington aber hat das Vertrauen in den einstigen Verbündeten nach dem NATO-Desaster in Afghanistan erst einmal verloren. Aus Sicht der Biden-Regierung hat die pakistanische Armee ein doppeltes Spiel gespielt und trotz der militärischen Kooperation mit den USA weiter enge Bande zu den Taliban gesucht.
Washington hat das Vertrauen in den einstigen Verbündeten erst einmal verloren
Auch andere Verbündete wie die Vereinigten Arabischen Emirate und Saudi-Arabien haben sich zuletzt von Pakistan distanziert. Trotz bester persönlicher Kontakte zu Munir sind die Golfstaaten bislang nicht gewillt, Pakistan mit gewohnt günstigen Krediten vor dem drohenden Staatsbankrott zu retten.
Sicherheitspolitisch droht gleich an zwei Fronten Ungemach. Zum einen steht Pakistan vor den Scherben seiner Afghanistan-Politik. So überzieht der pakistanische Zweig der Taliban (TTP) das Land mit Anschlägen, seitdem die Islamisten die Macht in Kabul übernommen haben. Im Fadenkreuz: die pakistanischen Sicherheitskräfte. So starben etwa bei einem Anschlag auf eine Moschee innerhalb einer Polizeizentrale in Peschawar im Februar über 100 Menschen.
Daneben hat der Dauerkonflikt mit Separatisten in der rohstoffreichen und geostrategisch wichtigen Provinz Belutschistan zuletzt an Brisanz gewonnen, seitdem China hier ein ambitioniertes Hafenprojekt in Gwadar vorantreibt. Der Führungsanspruch der belutschischen Stammesführer wird zunehmend von einer neuen Generation von Guerillas aus der Mittelschicht herausgefordert. Bislang hat das Militär unter Syed Asim Munir noch kein Konzept gefunden, um der dezentralen Organisationsstruktur der Separatisten zu begegnen.
Die drängendste Herausforderung für den neuen Armeechef aber ist der Konflikt mit dem nach wie vor populären Oppositionsführer Imran Khan. Munir steckt in einer Zwickmühle: Gelingt Khan gegen den Willen Munirs eine Rückkehr an die Macht, dann würde das dem Ende des pakistanischen Militärs als innerer Ordnungsmacht gleichkommen. Doch die amtierende Regierung Sharif ist äußerst unbeliebt. Der Bruder des Premiers, der langjährige Regierungschef Nawaz Sharif, hätte als Kandidat zwar weitaus mehr Zugkraft, ist aber für die Armeeführung ein rotes Tuch.
Alternative Kandidaten wie Außenminister Bilawal Bhutto oder Elitenliebling und Ex-Premier Shahid Khaqan Abbasi können außerhalb ihrer jeweiligen Kernwählerschaft kaum punkten. Derweil muss Munir sich im eigenen Sicherheitsapparat durchsetzen und die Reihen geschlossen halten. Denn Volkstribun Imran Khan kann auch im Militär noch immer auf viele Sympathisanten zählen.
»Munir hat keine Alternative«, fasst die Militärexpertin Ayesha Siddiqa die Lage im Gespräch mit zenith zusammen: »Er muss Imran Khan politisch ausschalten.« Und so läuft in Pakistan alles auf einen Showdown zwischen Khan und dem Armeechef heraus. Ein falscher Schritt könnte eine politische Kernschmelze auslösen. Konkret heißt das: Die Vorherrschaft des Militärs steht auf dem Spiel.