Lesezeit: 7 Minuten
Profil: Asma Jahangir

Eine wie Jinnah

Nachruf
von Leo Wigger
Eine wie Jinnah
Asma Jahangir gründete die erste von Frauen geführte Kanzlei in Pakistan, organisierte unentwegt Protestmärsche, kommentierte das politische und soziale Geschehen und nahm immer wieder Mandate scheinbar aussichtloser Fälle an. Ghulam Nabi Kazi/Flickr

Im Februar starb Asma Jahangir nach schwerer Krankheit. Die Juristin war die mutige Stimme eines liberalen Pakistans – ganz im Sinne des Staatsgründers.

Sie hätte ihre Lebensaufgabe darin finden können, mit Akribie ausschweifende Hochzeitsfeiern zu organisieren oder ihren Mann auf Poloturniere zu begleiten, bei denen die Gespräche gern um den mangelnden Arbeitseifer von Hausangestellten kreisenoder um die Vorzüge gewisser englischer Internate. Das wirklich außergewöhnliche an Asma Jahangir war, dass sie sich nicht für den vorgezeichneten Weg entschied.

 

1952 in eine wohlhabende und politisch einflussreiche Familie geboren, verschrieb sich die Juristin dem Kampf für die Trennung von Staat und Religion, für Demokratie und Rechtstaatlichkeit. Sie gründete die erste von Frauen geführte Kanzlei in Pakistan, organisierte unentwegt Protestmärsche, kommentierte das politische und soziale Geschehen und nahm immer wieder Mandate scheinbar aussichtloser Fälle an.

 

All jene, die ihre Grundrechte in Pakistan bedroht sahen, fanden in ihr über Jahrzehnte eine leidenschaftliche Verbündete, die nicht davor zurückschreckte, sich mit den Mächtigsten des Landes anzulegen. Ihr Einsatz für das Ende der Militärdiktatur brachte sie 1983 hinter Gittern. 2007 stellte sie General Pervez Musharraf kurzzeitig unter Hausarrest.

 

Die Motive für ihre Politisierung sind hoch persönlich und zugleich eng verbunden mit der Abspaltung von Ost-Pakistan, dem heutigen Bangladesch. Jahangirs Vater, der Parlamentarier Malik Ghulam Jilani, hatte Verständnis für das Aufbegehren gezeigt und landete daraufhin im Gefängnis – seine Tochter Asma trieb die Festnahme zum ersten Mal auf die Straße.

 

Der Verlust des Ostens 1971 stürzte Pakistan in eine Identitätskrise. Denn die Gründung des Landes ging auf das intellektuelle Konstrukt einiger liberaler muslimischer Vordenker wie den wortstarken Rechtsanwalt und Staatsgründer Muhammad Ali Jinnah zurück. Jinnah schwebte ein säkulares Land vor, das den Muslimen Britisch-Indiens eine sichere Heimat geben, aber auch Minderheiten offenstehen sollte. Doch Jinnah verstarb kurz nach der Unabhängigkeit 1947 und die tiefen Unterschiede zwischen den Landesteilen und die Dominanz landbesitzender Eliten im Panjab stellten Pakistan immer wieder vor die Zerreißprobe.

 

Unter der brutalen Diktatur von General Zia-ul-Haq traf eine staatlich verordnete Islamisierung gesellschaftliche Randgruppen besonders hart. Umso energischer vertrat Jahangir Christen und Angehörige von Minderheiten, die zunehmend gesellschaftlich isoliert wurden. Sie verteidigte mit ihrer Kanzlei auch immer wieder Frauen, die nach einer Vergewaltigung des Ehebruchs beschuldigt wurden.

 

Jahangir organisierte 1983 mit dem von ihr mitgegründeten, »Forum für Frauenrechte« eine der ersten Demonstrationen gegen die Vermischung von Recht und Religion. Sie spielte eine wichtige Rolle bei einer Entscheidung des Obersten Gerichtshofs, dass muslimische Frauen auch ohne Einverständnis eines männlichen Vormunds heiraten dürfen. 1995 erreichte sie erstmals den Freispruch des 14-jährigen Christen Salamat Masih, der wegen Blasphemie vor Gericht gestanden hatte und in erster Instanz zum Tode verurteilt worden war. Ihre Stimme wird Pakistan fehlen.

Von: 
Leo Wigger

Banner ausblenden

Die neue zenith 02/2022 ist da: Reise zum Mittelpunkt der Erde

Reise zum Mittelpunkt der Erde

Die neue zenith ist da: mit einem großen Dossier zur Region Persischer Golf und überraschenden Entdeckungen. Von Archäologe über Weltpolitik und Wattenmeer zu E-Sports und großem Kino.

Banner ausblenden

Newsletter 2

Der heiße Draht

Frische Analysen, neue Podcast-Folgen, exklusive Einladungen zu Hintergrundgesprächen und Werkstattberichte: Jeden Donnerstag erhalten tausende Abonnenten den zenith-Newsletter. Sie  wollen auch auf dem Laufenden bleiben? Dann melden Sie sich hier kostenlos an.

Banner ausblenden

WM Katar

So eine WM gab es noch nie

Auf 152 Seiten knöpfen sich Robert Chatterjee und Leo Wigger alle wichtigen Fragen rund um die erste Fußball-WM in einem arabischen Land vor.