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Repressionen gegen die Zivilgesellschaft in Ägypten

Ein Ding der Unmöglichkeit

Kommentar

Ägyptens Behörden haben kein Interesse an unabhängigem zivilgesellschaftlichem Engagement – und misstrauen ausländischen Einrichtungen. René Klaff, Büroleiter in Kairo, zeichnet nach, warum die Friedrich-Naumann-Stiftung das Land verlässt.

Die Pläne lagen bereits in den Schubladen. Im Sommer 2015 sollten 40 Jahre Projektarbeit der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit in Ägypten gefeiert werden. Nur in wenigen Ländern weltweit ist die Stiftung länger tätig. Grund genug für eine Festveranstaltung – um Bilanz zu ziehen, um Perspektiven für die künftige Arbeit zu diskutieren, aber auch um mit den vielen Partnern und Freunden der liberalen Sache aus vier Jahrzehnten durchaus ein wenig zu feiern.

 

Es sollte anders kommen. Am 3. Dezember 2014 ging ein Anruf aus dem ägyptischen Außenministerium in der Stiftungsvertretung im Kairoer Stadtteil Maadi ein. Dort ist nicht nur das Projektbüro für Ägypten, sondern auch seit knapp 20 Jahren das Regionalbüro der Stiftung für die Region Naher Osten und Nordafrika beherbergt. Die Nachricht: Das Statusabkommen, das die Grundlagen der bisherigen Stiftungsarbeit in Ägypten regelt, könne nicht weiter akzeptiert werden – die Friedrich-Naumann-Stiftung müsse sich neu registrieren.

 

Bis zum Abschluss dieser Neuregistrierung seien sämtliche öffentlichen Veranstaltungen und Projektaktivitäten verboten – »…um keine Probleme mit den Sicherheitsbehörden zu bekommen.« Eine klare Anweisung, die man besser befolgt. In Ägypten tätigen internationalen Einrichtungen – besonders wenn sie aus Deutschland stammen – ist der Umgang von Staatsgewalt und Justiz mit der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) ein warnendes Beispiel. Unter dem Vorwurf, gegen diverse Gesetze verstoßen zu haben, war bereits im Dezember 2011 das KAS-Büro von der Polizei gestürmt und dann geschlossen worden; und schließlich verurteilten die Gerichte den Landesbeauftragten und eine Mitarbeiterin in Abwesenheit auch noch zu Gefängnisstrafen. Den amerikanischen Kollegen vom National Democratic Institute (NDI) und vom International Republican Institute (IRI) erging es nicht besser.

 

Dem Betätigungsverbot gegen die Friedrich-Naumann-Stiftung folgte ein einjähriger Verhandlungsprozess zwischen dem deutschen Auswärtigen Amt und dem ägyptischen Außenministerium, um eine neue Statusgrundlage zu vereinbaren, ein bilaterales Abkommen, das die Rahmenbedingungen, die Inhalte und die konkrete Durchführung der Projektarbeit aller deutschen politischen Stiftungen in Ägypten festlegen sollte. Ein Durchbruch zu einer Einigung erfolgte jedoch nicht. Zu konträr sind die Positionen über Kontrollrechte und Genehmigungsvorbehalte, auf denen die Behörden in Kairo bestehen.

 

Dabei geht es nicht um selbstverständliche Informationspflichten und Transparenz gegenüber dem Gastland oder gar um Sonderrechte und Vorzugsbehandlung der Stiftungen. Vielmehr scheiterten die Verhandlungen an den Grundsatzfragen über den notwendigen Freiraum und die Selbstbestimmung der Projektarbeit. Würden die Bedingungen der Kairoer Behörden realisiert, wären die politischen Stiftungen letztlich nichts weiter als Durchführungsorganisationen der ägyptischen Regierung, und zwar in weitgehend entpolitisierten Arbeitsfeldern. In enger Zusammenarbeit mit ägyptischen Partnerinstitutionen lagen die Schwerpunkte der Stiftungsarbeit jahrzehntelang in den Bereichen Rechtsstaatlichkeit, Medienfreiheit, Entwicklung demokratischer Institutionen oder Parteienberatung.

 

Diese Arbeit wäre – wenn überhaupt – nur noch unter dem Gängelband der ägyptischen Regierung und – ein entscheidender Faktor – der Sicherheitsbehörden möglich. Ein solches Szenario aber würde nicht nur die Identität der Stiftung für die Freiheit, sondern auch die Zielsetzungen und den Begründungszusammenhang der – vom deutschen Steuerzahler finanzierten – politischen Entwicklungszusammenarbeit ad absurdum führen.

 

Nach mehr als einem Jahr ergebnisloser Verhandlungen (und ohne Aktivitäten im Lande) blieb der Friedrich-Naumann-Stiftung daher keine andere Wahl, als die Verlegung ihres Regionalbüros nach Amman zu beschließen. Ob in Kairo zumindest ein kleines Liaison-Büro beibehalten werden kann, das den Kontakt zu den liberalen Kräften im Lande aufrechterhält, bleibt abzuwarten. Die deutsch-ägyptische Verhandlungsblockade über den Status der politischen Stiftungen geht, nicht überraschend, über formaljuristische Fragen hinsichtlich Status- und Registrierungsbedingungen hinaus.

 

Der Kern des Problems ist politischer Natur; er ist begründet in einem tief sitzenden Misstrauen von Teilen des politischen Systems und seiner Eliten gegen die Kooperation ausländischer Einrichtungen wie der politischen Stiftungen mit zivilgesellschaftlichen Institutionen in Ägypten. Solche Kooperationen werden als unerwünschte Einmischung in innenpolitische Belange interpretiert – zumal wenn es um unabhängige, auf mehr Freiheitlichkeit abzielende politische Bildungs-, Beratungs- und Dialogarbeit geht.

 

Während sich im Zuge der Ereignisse des so genannten Arabischen Frühlings von 2011 die Öffnung und Transformation von Politik und Gesellschaft in Richtung Demokratie, Pluralismus und Freiheitlichkeit abzuzeichnen schien, hat die Restauration der Machtstrukturen und Herrschaftsverhältnisse diese Entwicklung längst abgewürgt. Ausdruck der gegenwärtigen Regierungspolitik des Primats von Sicherheit und Stabilität sind restriktive Gesetze zur Einhegung der Zivilgesellschaft, vielfältige Repressalien gegen Oppositionelle und die Behinderung von Meinungs- und Medienvielfalt.

 

Fazit: Angesichts des um sich greifenden Ordnungszerfalls in der Region gibt es ein dominierendes politisches Interesse an der Verhinderung von Instabilität und Chaos in Ägypten. Auch als Handelspartner und Investitionsstandort ist das Land am Nil gefragt. Zur politischen Bestandsaufnahme gehört allerdings auch die Erkenntnis, dass eine wertebasierte Kooperation mit dem Ziel einer demokratischen gesellschaftlichen Transformation gegenwärtig unmöglich ist.


Dr. René Klaff ist Regional Director Middle East and North Africa (MENA) der Friedrich-Naumann-Stiftung.

Von: 
René Klaff

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