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Ruhani, Trump und die die animalische Rhetorik des Konflikts

Unter Wilden

Kommentar
Kolumne Daniel Gerlach

Wusste Ruhani denn nicht, dass Trump nervös auf Schwanz-Metaphern reagiert? Der Nahe Osten ist ein Bestiarium geworden, die internationale Politik ein Affenhaus.

Vor einigen Tagen warnte Irans Präsident Hassan Ruhani die USA und ihre Verbündeten im Nahen Osten, sie sollten nicht mit dem Schwanz des Löwen spielen. Frieden mit Iran sei die Mutter allen Friedens, Krieg die Mutter allen Krieges. Darauf fletschte in Washington ein Primat die Zähne und verging sich hernach an seiner Twitter-Tastatur.

 

Die Sache erinnert mich an einen Wortwechsel, den ich vor einigen Monaten als Gast einer Konferenz mit iranischen Diplomaten und Politik-Experten führte. Ich erlaubte mir dabei einige Anleihen in der Tierwelt, um Irans Verhalten im Nahen Osten zu beschreiben. So harmlos fing die Sache an.

 

Die Iraner können nichts gegen animalische Metaphern auszusetzen haben; sie sorgen, wie der jüngste Fall zeigt, damit selbst manchmal für Irritationen. Davon abgesehen habe ich eine Schwäche für Tiernamen im Persischen. Genauer gesagt sind sie das einzige, was ich mir immer merken kann. Manche gleichen den arabischen, andere sind besonders bildlich einprägsam.

 

Bei der Konferenz lobte ich also zunächst die Geschmeidigkeit und Eleganz der »Panther«, der iranischen Fußballnationalmannschaft, und beteuerte, dass viele Europäer diese Begeisterung teilen. Was ihre Politik im Nahen Osten anbelangt, so erinnere mich die Islamische Republik derzeit aber eher an einen Elefanten: Ein berechenbares Tier, das langfristig plant und ein noch längeres Gedächtnis habe. (Bis dahin folgten die Gesprächspartner mit zustimmendem Lächeln).

 

Wenn man dem Elefanten einmal vor dem jüngsten Gericht die guten und bösen Taten vorhält, wird er sich keiner Schuld bewusst sein. Ein vegetarischer Dickhäuter, der nur dann ungemütlich wird, wenn man ihn reizt, und ansonsten mit sich selbst beschäftigt ist.

 

Was der Elefant dabei aber nicht beachtet hat (Hier legten sich nun die ersten Stirnpartien in Falten), sind die vielen kleinen Wesen und Pflanzen, die er auf seinen Märschen durch den Busch zertrampelt. Aus Perspektive mancher Mittiere trägt er deshalb die Verantwortung für nichts weniger als ein ökologisches Desaster.

 

Es regte sich nun Widerspruch unter den iranischen Teilnehmern und ein Teheraner Politik-Professor griff die Sache auf: Iran sei keineswegs ein Elefant, sondern ein Tiger. Und der Westen wolle diesem edlen Tier die Krallen stutzen und ihn in einen Käfig sperren. Ich erwiderte, dass diese Gegenrede nicht sehr vertrauensbildend sei, schon gar nicht für Irans Nachbarn im Nahen Osten. Denn während ein Elefant nur zuschlägt, wenn man sich ihm in den Weg stellt, reiße der Tiger hauptberuflich Beute – und greife dabei auch noch von hinten an.

 

Wer hätte gedacht, dass die Sache ein solches Nachspiel haben würde und der »Schwanz des Löwen« nun solche Wellen schlägt. Aber wer oder was spielt laut Ruhani eigentlich damit?

 

Dem wurde stattgegeben. Ein ehemaliger Botschafter Irans in einer großen, aufstrebenden Macht ergriff jetzt das Wort, der, wie meiner Vermutung nach viele der anwesenden Iraner, dem Realolager angehörte, also eher hinter Präsident Ruhani und seiner pragmatischen Politik stand. Der Diplomat erklärte nun, der Löwe sei wohl die geeignete Metapher: Er töte nur zum Eigenbedarf, nämlich wenn er Hunger habe. Worauf ich nicht umhinkonnte zu erwidern, dass bei den Löwen nur die Frauen jagten, während der Mann faul im Schatten eines Affenbrotbraums liegt.

 

Nun setzte Gelächter ein und einer der beiden Vorsitzenden rief uns zur Ordnung und ließ das Wort »Tyrannosaurus Rex« fallen, wobei ich mich nicht mehr genau an den Kontext erinnern kann.

 

Wer hätte gedacht, dass die Sache ein solches Nachspiel haben würde und der »Schwanz des Löwen« nun solche Wellen schlägt. Aber wer oder was spielt laut Ruhani eigentlich damit?

 

In der Savanne sind das meist großkotzige Paviane, die ihrer Herde imponieren wollen. Sie wissen aber auch gut, dass ein Löwe es sich dreimal überlegt, bevor er ihnen in der sengenden Hitze hinterherjagt. Seine Ressourcen sind erschöpflich – ebenso wie die militärischen Mittel Irans in einem Krieg, den niemand braucht und hoffentlich auch niemand will.

 

Man muss immerhin anerkennen, dass die Milizen, die Iran in Syrien und anderen Teilen des Nahen Ostens unterstützt, mit Ruhanis Metapher vom Schwanz des Löwen recht gut erfasst sind. Man wirft den Iranern ja vor, die Milizen seien ein Teil von ihnen. Wie ein Schwanz hängen sie dran, entwickeln aber durchaus ein Eigenleben. Und wenn man drauftritt, tut es dem Löwen weh. Man kann schon onthologisch diskutieren: Ist der Schwanz der Löwe selbst oder nur seine Emanation?

 

An Assads Seite kämpfen viele Möchtegerngroßkatzen.

 

Für den iranischen Löwen ist es Zeit, seine Kräfte zu schonen und einen geordneten Rückzug anzutreten. Aus einer Gegend, wo die Natur zwar weitgehend zerstört ist, aber Getier im Überfluss sein Wesen treibt. Dort herrscht ein Mann mit Namen Assad (=Löwe) aus der Stammesföderation der Kalbiyin (vielleicht von arabisch »Kalb«=Hund), und von Teilen seines Volkes als Zirafah (=Giraffe) verspottet wird.

 

An Assads Seite kämpfen viele Möchtegerngroßkatzen: die paramilitärischen »Quwat al-Nimr – Tiger-Brigaden« nach dem Spitznamen ihre Anführers Suhail »der Tiger« Hassan. Oder die Miliz der Fuhud (=Leoparden) aus der Provinz Homs. Und dann gibt es noch jede Menge Greife: die ebenfalls regimetreuen »Falken der Wüste« oder die Kämpfer der faschistisch angehauchten Nationalsyrischen Partei (SSNP), die sich »Adler des Wirbelsturms – Nusur al-Zawba’« nennen.

 

Wir wollen keinem Geschöpf Gottes zu nahe treten, aber festhalten, dass sich unter diesen Verbänden auch viele Aasgeier befinden. Und von den »grauen« Syrern, die noch in Syrien leben, die sich nicht zwischen bewaffneter Opposition und dem Regime entscheiden wollten, hört man, dass sie sich nun wie Esel fühlen. Ausgebeutet und geprügelt.

 

Der große russische Bär versucht den Eindruck zu erwecken, als hätte er alles im Griff. Aber auch er kann nicht leugnen, dass er sich zwischenzeitlich eher wie die gesengte Sau benommen hat. Und an Syriens Nordgrenze heulen die grauen Wölfe. Das Menschliche hat hier gerade nicht Priorität.

 

Überall brüllt, kreischt, stinkt und zetert es stattdessen. Der Nahe Osten ist ein Bestiarium, die internationale Politik ein Affenhaus.

 

Was das für den iranischen Löwen heißt? Er verdient, dass man ihn in Ruhe lässt. Er wird aber auch nicht umhin kommen, seinen Schwanz dafür wieder etwas näher an den Leib zu nehmen. Dann soll er sich auch weiter wie ein König fühlen.

Von: 
Daniel Gerlach

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