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Pressefreiheit und Medien in Ägypten

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Bildunterschrift: Der Besuch in Berlin bot einen Einblick in unterschiedliche Modelle von Medienbesitz und -management – und den unterschiedlichen Stand der Pressefreiheit in Deutschland und Ägypten.
Bildunterschrift: Der Besuch in Berlin bot einen Einblick in unterschiedliche Modelle von Medienbesitz und -management – und den unterschiedlichen Stand der Pressefreiheit in Deutschland und Ägypten. Foto: Goethe-Institut / Bernhard Ludewig

Freie Medien haben es schwer in Ägypten. Die »ONA Academy« stellt sich gegen den Trend und bietet Medienkurse für alle Interessierten. Den besten Absolventinnen und Absolventen winkt eine Reise nach Berlin.

Infolge der Ereignisse der Revolution in Ägypten 2011 haben viele Ägypterinnen und Ägypter neue Wege gesucht, um sich auszudrücken: sei es im Fernsehen, in Zeitungen oder den sozialen Medien. Um diesem wachsenden Interesse gerecht zu werden, bietet die Medienakademie »ONA Academy« seit 2013 Kurse für bestimmte Medien an: von Fernsehregie über Kochshow-Moderation bis hin zu Videoschnitt und Tonmischung. In den vergangenen vier Jahren hat sie über 1.200 Absolventen hervorgebracht.

 

»Zu uns kommen Anwältinnen und Anwälte, Hausfrauen und Hausmänner, Medienstudierende«, sagt Reem Maged, früher eine bekannte Talkshowmoderatorin und heute Direktorin und Dozentin an der »ONA Academy«. »Wir glauben, dass jeder ein Recht auf Zugang zu Medien und Meinungsäußerung hat. Aber die Menschen müssen lernen, wie sie dieses Recht nutzen können.« Eines der bekanntesten Programme der Akademie ist »The Road to Germany«, ein Dokumentarfilmwettbewerb für Absolventinnen und Absolventen in Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut in Ägypten. Die Teams nehmen an einer Schulung teil und haben im Anschluss zehn Tage lang Zeit, um einen kurzen Dokumentar lm zu einem ausgewählten Thema zu drehen. Das Siegerteam darf sich auf eine zehntägige Studienreise nach Berlin freuen, auf der die Gewinner mehrere Medienunternehmen besuchen, darunter etwa die Fernsehsender ARD, ZDF, RTL2 sowie die Redaktion von ZEIT Online.

 

Die 26-jährige Sara Howaidy hat seit Beginn des Programms an allen Auflagen von »The Road to Germany« teilgenommen und konnte schließlich 2016 mit dem Siegerteam nach Berlin reisen. Allein durch die Teilnahme hat sie wichtige Impulse für den Dreh von Dokumentarfilmen gewonnen. Howaidy sagt, sie habe in den Kursen an der »ONA Academy« Fähigkeiten erworben, die für ihre tägliche Arbeit als Fernsehreporterin für die bekannte Talkshow »Kol Youm« (zu Deutsch: »Jeden Tag«) unabdingbar seien. Die Sendung wird vom erfahrenen TV-Moderator Amr Adeeb moderiert. In Berlin hat sich Howaidy mit neuen Technologien auseinandergesetzt, sich mit Redakteurinnen und Redakteuren und hochrangigen Persönlichkeiten aus der Medienlandschaft ausgetauscht und die Möglichkeit gehabt, zu sehen, welche Spielräume die Presse in Deutschland im Vergleich zur Presse in Ägypten hat.


Kaum Raum für freie Medien

 

Trotz des wachsenden Interesses an Medienberufen hat die Pressefreiheit in Ägypten in den letzten Jahren Rückschläge erfahren. Laut einer Studie des New Yorker »Committee to Protect Journalists« (CPJ) aus dem Jahr 2016 steht Ägypten weltweit in Bezug auf Verletzung von Medien- rechten auf Platz drei (hinter China und der Türkei). 25 Journalistinnen und Journalisten saßen zum Zeitpunkt des Berichts im Gefängnis.

 

Schwindende Räume für freie Meinungsäußerung, so Reem Maged, könne teilweise durch die Besitzmodelle der TV-Kanäle erklärt werden. Die meisten Sender gehören entweder der Regierung oder werden von ihr finanziert – oder von Privatunternehmern, meistens Industriemagnaten. Es sind Modelle, die »von Geld oder politischer Macht abhängig sind«, sagt Maged, und sie »sind komplett gegen freie Meinungsäußerung und die Unabhängigkeit der Medien«.

 

Auf der Reise machen die Studierenden Bekanntschaft mit unterschiedlichen Modellen von Medienbesitz und -management, mit privaten wie öffentlich-rechtlichen Medien sowie mit der Boulevardpresse. »Ich sehe, dass dieser Austausch nicht nur Auswirkungen auf unsere Studierenden hat, sondern auch auf die Medienleute in Deutschland. Ich glaube, sie erwarten nicht, dass junge Journalistinnen und Journalisten aus einem Land wie Ägypten so viel Bewusstsein und Fähigkeiten mitbringen«, sagt Maged.


Für Nachwuchstalente wie Howaidy geht diese Erkenntnis über technische Fähigkeiten hinaus und wird zu einem Bewusstsein über die unsichtbaren, politisch auferlegten roten Linien – und wie man mit diesen umgeht, um sich frei äußern zu können. »In Ägypten können wir sagen, was wir wollen, aber wir müssen die sensiblen Themen aus einer anderen Richtung angehen oder die Fragen etwas abschwächen«, sagt sie. »Aber letztendlich geht es darum, den eigenen Standpunkt zu vermitteln.«

 

Dieser Beitrag wurde unter redaktioneller Aufsicht des Magazins zenith für das Goethe-Institut betreut. Die Projekte des Goethe-Instituts im Rahmen der Transformationspartnerschaft werden durch das Auswärtige Amt gefördert.

Von: 
zenith-Redaktion

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