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China im Nahostkonflikt

China profitiert vom Nahostkonflikt

Kommentar
Chinesische und palästinensische Flagge wehen am Flughafen Bejings.
Foto: Wikimedia Commons

China hat den Nahen Osten als strategische Prioritätsregion identifiziert. Allzu hohe Erwartungen an Beijing bei der Lösung der gegenwärtigen Krise sind aber unangebracht: Weder hat die Führung unter Xi Jinping den politischen Willen noch die Fähigkeiten, im Nahostkonflikt eine deeskalierende Rolle einzunehmen. Trotzdem gelingt es seiner Regierung, aus dem neuen Krieg Kapital zu schlagen

Am 30. November präsentierte China einen 5-Punkte Plan zur Lösung des Konfliktes zwischen Palästina und Israel im UN-Sicherheitsrat. Außenminister Wang Yi saß der Sitzung vor und zeichnete die Grundrisse der chinesischen Friedensstrategie, anschließend veröffentlichte seine Regierung das Positionspapier. Entsprechend dem 5-Punkte Plan fordert Beijing einen unmittelbaren Waffenstillstand auf Grundlage der UNSR Resolution 2712, die Gewährleistung von humanitärer Hilfe und eine politische Lösung zur Beilegung des Nahostkonflikts. Des Weiteren verweist die Stellungnahme auf die Zwei-Staatenlösung, die Grenzen von 1967 und Ost-Jerusalem als Hauptstadt eines souveränen palästinensischen Staates und fordert eine internationale Friedenskonferenz unter UN-Führung ein.

 

Das Dokument spiegelt Chinas Position wider, wie sie seit Jahren besteht. Wie andere asiatische Staaten (etwa Lao, Vietnam, Indien oder die Mongolei) hatte die VR China zunächst diplomatische Beziehungen zu Palästina aufgenommen und erst später (1992), auch zu Israel diplomatische Kontakte hergestellt. Im starken Kontrast zum ehemaligen chinesischen Staats- und Parteichef Mao Zedong, der Israel als Außenposten des Imperialismus in Asien bezeichnete, hat Beijing in den letzten 30 Jahren gute politische Beziehungen zu beiden Seiten aufgebaut. Seit 1989 hat die chinesische Führung zahlreiche Empfehlungen zur Lösung des Nahostkonfliktes vorgelegt – erstmals während des Besuchs des ehemaligen chinesischen Außenministers Qian Qichen in Ägypten. Schon damals in Form eines 5-Punkte Plans, der vor allem auf Dialog, Koexistenz und eine politische Lösung setzte. Weitere Vorschläge präsentierte Beijing im Mai 2003, Mai 2013, August 2014 (5-Punktevorschlag für einen Waffenstillstand in Gaza), August 2017 und Mai 2021. Zuletzt brachte sich die chinesische Führung im Juni 2023 ein: Bei dem letzten Staatsbesuch von Mahmoud Abbas in Beijing lag der Fokus erneut auf der Zwei-Staatenlösung, humanitärer Hilfe und dem Ruf nach einer internationalen Konferenz.

 

 

Geändert hat sich dabei weniger die chinesische Position, als vielmehr das Interesse der arabischen Staaten, China als Verhandlungspartner stärker einzubringen. Schließlich hat Beijing ausgeprägte Wirtschaftsinteressen in der Region. Chinas Engagement orientiert sich an der »1+2+3 Formel«. Demnach gibt es einen Fokus (Energiekooperation), zwei Prioritätsbereiche (Infrastrukturausbau und Förderung der Handels- und Investitionsbeziehungen) und drei angestrebte Durchbrüche im Hochtechnologiebereich (Kooperation in den Bereichen Atomenergie, Satelliten und erneuerbare Energien). In vielen Staaten der Region (etwa die Vereinigte Arabischen Emirate, Katar oder Saudi-Arabien) hat China die Vereinigten Staaten als wichtigsten Wirtschaftspartner verdrängt.

 
Doch obwohl China einen Beitrag bei der Wiederherstellung der Beziehungen zwischen dem Iran und Saudi-Arabien leistete: Sicherheitspolitische Aspekte spielen im chinesischen Engagement in der Region eine untergeordnete Rolle. Die militärische Dominanz in der Region überlässt China gerne den USA. Beijing kritisiert die US-Nahostpolitik, will aber gleichzeitig verhindern, in den Konflikt hineingesogen zu werden.

 

Beijings Engagement seit dem 7. Oktober ist dementsprechend überschaubar. Über Austauschformate und Staatsbesuche geht das chinesische Engagement kaum hinaus: So hat zwar der chinesische Nahost-Sondergesandte, der erfahrene Diplomat und Arabist Zhai Jun, Jordanien, Ägypten, Saudi-Arabien, Katar und die VAE besucht. Der Austausch mit Israel aber fand lediglich auf Botschafterebene in der chinesischen Hauptstadt statt. Und auch der Besuch einer Delegation von arabischen und muslimischen Außenministern nach Beijing, Anfang November, führte zu keinen konkreten Ergebnissen. China leistete keinen nachweislichen Beitrag zur Öffnung des humanitären Korridors, des zeitweiligen Waffenstillstands oder des Austauschs von Geiseln.

 

Davon ungeachtet fordert China lautstark eine Verbesserung der humanitären Lage im Gaza-Streifen ein. Der konkrete chinesische Beitrag dazu ist aber sehr gering und umfasst umgerechnet weniger als 4 Mio. EUR (humanitäre Softhilfe in Höhe von 2 Mio. USD und Hilfslieferungen im Wert von 15 Mio. RMB). Das ist selbst im ostasiatischen Vergleich gering: So kündigte beispielsweise Japan am 3. November an, humanitäre Hilfe um 65 Mio. USD aufzustocken. Vergleicht man die 4 Mio. EUR für Gaza mit den Milliardenbeträgen, die Beijing im Rahmen der Seidenstraßeninitiative bereitstellt, ist es unpassend, humanitäre Hilfe für Gaza als Kernanliegen der chinesischen Führung zu betrachten.

 

Beijing beschränkt das eigene Engagement vor allem auf UN-Mechanismen und nutzt den Krieg, um das Verhalten der USA zu kritisieren. Dabei hebt Beijing vor allem die Rolle des UN-Sicherheitsrats zur Lösung des Nahostkonflikt hervor. Unter chinesischem Vorsitz verabschiedete dieser am 15. November die Resolution 2712, die Israel und Hamas zur Feuerpause aufruft und sich für humanitäre Korridore sowie den Schutz der Zivilbevölkerung stark macht. China bewirbt diese Resolution nun als Grundlage zu Lösung des Konflikts und verweist auf den eigenen Beitrag. Auf den »Tag danach« geht die Resolution nicht ein.

 

Außenpolitisch möchte China als verantwortungsvolle internationale Großmacht wahrgenommen werden – als außenpolitischer Gegenentwurf zu den USA. Dies wird mit Blick auf den Nahostkonflikt besonders deutlich. So verweist Beijing auf Doppelstandards der USA und von Europa, etwa mit Blick auf die Bedeutung von UN-Mechanismen und die Anwendung des humanitären Völkerrechts. Die Kosten der abstrakten Forderungen im Rahmen der UN sind gering, doch die Kritik an USA und Europa findet ein breites globales Echo. Wenn sie auch nicht den israelisch-palästinensischen Konflikt beendet, so bietet sie doch ein Narrativ, auf dem China seine Beziehungen zum »globalen Süden«.  auf- und ausbauen kann. Der Adressat des chinesischen 5-Punkte-Plans ist somit nicht nur die arabische Welt, sondern alle Staaten, auf die China zählt, um globale Zukunftsstandards zu setzen.

Von: 
Moritz Rudolf

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