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Kunstmarkt Dubai

Eine Million für die Liebe

Reportage
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Ace of Hearts« von Moji Ramzi, Bronze, ca. 35x35cm, 2016

Am Golf wird für Kunst aus der Region gutes Geld bezahlt. Doch Kreativfreiheit und finanzielle Anreize sind nicht die einzigen Beweggründe für iranische Künstler, in Dubai oder Doha auszustellen. Viele von ihnen sehen sich als Brückenbauer am Golf.

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Die Skulptur »Ace of Hearts« ist Teil von Moji Ramzis Serie »Blind Gambler«, die sich auf ein bekanntes persisches Kartenspiel (»Hokm – Herrschaft«) bezieht. Bei Hokm trumpft das Herz-Ass den Pik-Buben, der als Symbol des Krieges gilt Quelle: »Ace of Hearts« von Moji Ramzi, Bronze, ca. 35x35cm, 2016

In den verwinkelten, engen Gassen des Bastakiya-Viertels ist die Luft deutlich kühler als in anderen Gegenden Dubais. Die Hauswände spenden Schatten und die persischen Windtürme sorgen für ein angenehmes Klima innerhalb der Gebäude, von denen die meisten unter Denkmalschutz stehen. Al-Bastakiya ist einer der ältesten Stadtteile Dubais: Ende 

des 19. Jahrhunderts wurden die ersten Häuser von sunnitischen Muslimen aus dem Süden Irans erbaut, die aufgrund religiöser Verfolgung aus der Stadt Bastak auf die andere Seite des Persischen Golfes übersiedelten. Nicht nur um den Namen dieses Golfes entfachte seitdem ein Konflikt zwischen Iran und den VAE, die ihn gerne als »Arabischen Golf« bezeichnen. 2013 wurde auch der Stadtteil Al-Bastakiya umbenannt und heißt jetzt »Kultur und historischer Distrikt Al-Fahidi«. 

Auch heutzutage ziehen viele Iranerinnen und Iraner nach Dubai, um sich hier ein neues Leben aufzubauen. Eine von ihnen ist die 29-jährige Künstlerin Azam Sadeghi. Sie stammt aus einer anderen Ecke Irans, aus der Stadt Gorgan, nicht weit vom Kaspischen Meer. Das Bastakiya-Viertel sei »eher was für Touristen«, erklärt sie. Der Stadtteil wurde aufwendig saniert, und nun wirbt die Website visitdubai.com damit, hier »einen betörenden Einblick in die vergangenen Epochen Dubais« zu gewinnen. Das »Künstlerviertel« soll Touristen anlocken – mit Museen, Galerien und Events wie der »Sikka Art Fair«. Sadeghi selbst ist eher in Jumeirah anzutreffen oder in der Alserkal Avenue. »In den Galerien dort lerne ich eine Menge interessanter Menschen kennen.« 

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Das Bild von Azam Sadeghi (links) ist 2017 in Dubai entstanden. Inspiriert haben sie die Farben aus dem Norden Irans; Sadeghi wuchs unweit vom Kaspischen Meer auf und vermisst zwischen Dubais Wolkenkratzern Blumen, Wälder und Regen. Quelle: Ace of Hearts« von Moji Ramzi, Bronze, ca. 35x35cm, 2016

Seit dem Beginn der 2000er Jahre florieren in Dubai zahlreiche Galerien, viele wurden von Iranern gegründet. Wohlhabende Exilanten – eine andere Gruppe als die weltweit verstreute Diaspora – investierten infolge der Sanktionen und Irans schlechter wirtschaftlicher Lage lieber in Dubai und brachten so Kapital auf den dortigen – iranischen – Kunstmarkt. Dadurch kurbelten sie auch das weltweite Interesse an iranischer Kunst an. Und zogen immer mehr iranische Künstler auf die andere Seite des Golfs. 

Die finden dort ein Betätigungsfeld, das durch Offenheit und Gestaltungsspielraum besticht. »In Dubai habe ich mehr Möglichkeiten und Freiräume als in Iran«, erklärt Sadeghi. Sie beschreibt Dubai als »offenes islamisches Land«. Seit sie hier lebt, hat sich ihr Blick auf Iran positiv verändert. Da sie inzwischen etwas Abstand zu ihrem Leben in ihrer Heimat habe, erinnere sie sich weniger an die Repressionen und Schwierigkeiten im Alltag. »Zwischen den hohen Wolkenkratzern fehlen mir die Blumen, der Wald und der Regen aus dem Norden Irans. Die vielen Farben von dort inspirieren meine Arbeit.« Diese Erinnerungen an ihren Heimatort seien ihr inzwischen präsenter als die Gründe, warum sie ihn verlassen hat. Sadeghi steht am Anfang ihrer Karriere und sieht in Dubai bessere Chancen, internationale Bekanntheit zu erlangen – und ihre Werke verkaufen zu können. 

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Moji Ramzi arbeitet seit über zwei Jahrzehnten als Bildhauer und stellte unter anderem bei der »Art Dubai« aus Quelle: Ace of Hearts« von Moji Ramzi,

Die Auktionshäuser Christie’s und Sotheby’s organisierten zwischen 2006 und 2008 erstmals Auktionen, auf denen ausschließlich Werke von Künstlern aus der Region versteigert wurden und bei denen besonders iranische Künstler Aufmerksamkeit erregten. 2008 brach Farhad Moshiri als erster Künstler aus dem Nahen Osten die Marke von einer Million US-Dollar: mit »Eshgh«, einem Gemälde, auf dem mit Swarovski-Kristallen und Goldfäden das persische Wort für Liebe gestickt ist. Zu den Käufern moderner und vormoderner Kunst aus Iran gehören neben privaten Sammlern die neu erschaffenen Museen der arabischen Golfstaaten: Das »Guggenheim Abu Dhabi« kaufte für 600 Millionen US-Dollar neben Anselm Kiefer und Ai Weiwei auch Werke der iranischen Modernistin Monir Shahroudy Farmanfarmaian und der Brüder Ramin und Rokni Haerizadeh, die zusammen mit Hesam Rahmanian arbeiten. Seitdem Werke auf der Ausstellung »Unveiled: New Art from the Middle East« in London 2009 das Missfallen iranischer Regierungsvertreter erregten, leben die Künstler in Dubai – und wagen es nicht, wieder nach Iran einzureisen. Auch Katar mischt auf dem Kunstmarkt mit: Bereits 2005 eröffnete das »Museum für Islamische Kunst« in Doha – das größte Museum für islamische Kunst in einem mehrheitlich muslimischen Land. Der Großteil der Sammlung stammt – ganz nach europäischem Darstellungsvorbild – aus dem ehemaligen Persien. Egal ob es sich um Teppiche, Teeservice oder Korane handelt, präsentiert das Haus seine Exponate unterschiedslos als »islamisch«. In Katar, so ein hochrangiger Mitarbeiter der staatlichen Museumsbehörde, sei persische Kunst angesagt, nur um das Label führe man einen Eiertanz: »Das Land, dessen Name nicht genannt werden darf.« Nachdem die Weltfinanzkrise 2008 auch die Blase der »Middle Eastern Art« versenkte und die Sanktionen gegen Iran den Transfer von Kunst und Geld zwischen Iran und Dubai von 2012 an erschwert hatten, steigen die Preise für iranische Kunst nach der Lockerung der Sanktionen seit 2015 erneut an – Iran sells. Jenseits der geopolitischen Bruchlinien verbindet der Golf aber mehr, als dass er trennt. Die Arabischen Emirate haben ihren Ursprung in den Handelsbeziehungen zwischen den beiden Seiten des Persischen Golfs mit dem subsaharischen Afrika und dem indischen Subkontinent. Seit mindestens 200 Jahren ist in Dubai, Sharjah und Katar die Existenz iranischstämmiger Araber belegt, auch wenn diese – so ein britischer Historiker in Doha hinter vorgehaltener Hand – etwa in Katar bei der Vergabe staatlicher Pfründe immer noch systematisch benachteiligt würden. In Iran wird die Anzahl der »Ahwazis«, wie die arabischsprachigen sunnitischen Iraner nach der Stadt in der Provinz Khuzistan genannt werden, auf etwa eine Million geschätzt. Ihre Neuauflage findet die wechselseitige Migrationsgeschichte besonders in Dubai: Hier ist die 90.000 Personen zählende iranische Community neben dem Handelssektor besonders im Bereich Kunst und Kultur aktiv. 

Moji Ramzi arbeitet seit über zwei Jahrzehnten als Bildhauer und stellte unter anderem bei der »Art Dubai« aus, seit 2007 die wichtigste Kunstmesse der Region. In diesem Jahr wurden die Werke von 277 Künstlerinnen und Künstlern gezeigt. 94 Galerien aus 44 Ländern reisten an, viele aus Iran. Sie heißen etwa »Mohsen Gallery«, »Dastan’s Basement«, »Ab-Anbar«, »Khan« oder »O Gallery«. Ramzi, derzeit Gastkünstler in Beirut, beschreibt Dubai als Forum des kulturellen Austauschs, als kreativen Knotenpunkt und Ort der Inspiration und Vernetzung. »Künstler schätzen Dubai für die vielen Möglichkeiten, ihre Werke auszustellen und weltweite Kontakte zu knüpfen.« 

Doch der 44-jährige Künstler sieht manches auch kritisch: Er wolle sich nicht verkaufen und fremdbestimmen lassen – seine Freiheit sei ihm wichtiger, als viel Geld zu verdienen. Genau dafür aber kämen viele Menschen nach Dubai, nicht nur Künstler – die Aussicht aufs große Geld lockt viele. »Und die Emiratis haben erkannt, wie viel Potenzial im Kunstmarkt steckt.« Ramzi betont die Rolle von Kunst als wichtiges Mittel, um den Dialog auf beiden Seiten des Golfs anzuregen. »Wir Künstler müssen versuchen, den leeren Raum zwischen den Menschen zu verringern, um unsere Gemeinsamkeiten zu erkennen. Ich glaube nicht an Grenzen.«

Von: 
Eva Tepest, Julia Wiesenberger

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