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Österreich auf dem Golan

Operation »Schleichts Euch!«

Analyse

Tschüss, Baba und Servus: Österreich zieht seine Truppen nach jahrzehntelanger Präsenz von den Golanhöhen ab. Angesichts der Kämpfe in der entmilitarisierten Zone ist das konsequent – auch wenn damit das UNDOF-Mandat nun vor dem Aus steht.

Langeweile und Heimweh waren über Jahrzehnte der größte Gegner der österreichischen Soldaten auf den Golanhöhen, die dort im Rahmen der UNDOF-Mission seit 39 Jahren stationiert sind. Die 40-Stunden-Woche wurde unter allen Umständen eingehalten und Österreich hatte internationalen rasch den Ruf weg, seine Panzergrenadiere nur im Frieden aufmarschieren zu lassen. Nun holt Österreich seine 380 Soldaten binnen der nächsten zwei bis vier Wochen heim. Damit geht eine historische Mission zu Ende. Der Grund für das »Kommando retour«: Am Donnerstag kam es erstmals direkt am Grenzkontrollposten »Bravo-Gate« bei der Stadt Quneitra an der Waffenstillstandslinie zu heftigen Gefechten zwischen syrischen Rebellen und Regierungstruppen.

 

Der Posten wurde zunächst von den Aufständischen eingenommen und einige Stunden später wieder von der syrischen Armee erobert. Die österreichischen Soldaten mussten in Bunker flüchten. Im Zuge der Kampfhandlungen waren auch auf israelisch kontrollierter Seite einige Granaten eingeschlagen, darunter beim Logistikbataillon der UN-Truppen im unmittelbar an der Waffenstillstandslinie gelegenen Camp Ziouani; dort sind indische Blauhelme stationiert. Israel sperrte daraufhin die Landstraße 98 zwischen den Siedlungen Alonei ha-Baschan und Ein Zivan, die unmittelbare Grenzregion ist nun militärisches Sperrgebiet. Jerusalem beschwerte sich zudem offiziell bei der UN-Truppe über das Eindringen syrischer Panzer in die Sicherheitszone und versorgte gleichsam einige verwundete Aufständische in einem Feldlazarett, das seit wenigen Wochen auf den Golanhöhen eingerichtet worden war.

 

UNDOF-Mission wird zum Himmelfahrtskommando

 

»Die Entwicklung der Morgenstunden hat gezeigt, dass ein weiteres Zuwarten nicht mehr vertretbar ist«, stellten daraufhin Bundeskanzler Werner Faymann und Vizekanzler Michael Spindelegger in einer Erklärung am gestrigen Donnerstag fest. Damit gibt die Regierung zum einen dem Druck der Bevölkerung nach, die seit Wochen über den Zustand auf dem Golan in den Wirtsstuben zwischen Wien und Graz gemurrt hatte. Zum anderen kommt man dem Drängen der Oppositionsparteien FPÖ, Grüne, BZÖ und Team Stronach nach, die die Stationierung österreichischer UNDOF-Soldaten an der prekären Grenze bereits zu einem Wahlkampfthema gemacht hatten. Angesichts der wiederholten Kampfhandlungen in der entmilitarisierten Zone und des innenpolitischen Drucks ist das nur konsequent.

 

Einzig: Nun steht das UNDOF-Mandat, dem auch – heute kaum mehr vorstellbar – Iran von 1975 bis 1979 angehört hatte, endgültig vor dem Aus. Österreich stellte nicht nur in numerischer Hinsicht das Rückgrat des Einsatzes dar, sondern auch, weil man im Winter Patrouillen auf Skifahren konnte. Nur Indien und die Philippinen sind noch auf dem strategisch bedeutsamen Hochplateau mit Truppen präsent; Kanada, Japan und Kroatien haben ihre Soldaten bereits abgezogen. Bei den Vereinten Nationen wird nun mit Nachdruck ein Nachfolger für die österreichischen Soldaten gesucht, um die verbleibende Rumpftruppe zu unterstützen.

 

Doch große Aussicht auf Erfolg dürfte dieses Unterfangen nicht haben. Kein Land wird seine Soldaten freiwillig auf die Golanhöhen schicken, wo sich der innersyrische Konflikt immer mehr zuspitzt und die gegnerischen Seiten mit allen Waffen, die ihnen zur Verfügung stehen, aufeinander schießen. Denn die UNDOF-Mission hat kein robustes Mandat – ergo: Die Soldaten sind nur leicht bewaffnet und dürfen die Waffen nur im absoluten Notfall, zur Selbstverteidigung nutzen. Angesichts der gegenwärtigen Umstände hat die Mission Harakiri-Charakter.

Von: 
Dominik Peters

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