Lesezeit: 5 Minuten
Bildung und Religion in Afghanistan

Mullahs für Bildung

Feature

Wer auch immer in Kabul an die Macht kommt, in den Moscheen haben weiter Mullahs das Sagen. Warum das keine schlechte Nachricht sein muss, zeigt ein Projekt einer deutschen Hilfsorganisation. Teil 4 des Wahltagebuchs von Martin Gerner.

Mit den Mullahs, den »Maulawis« und den Imamen in Afghanistan ist schlecht Kirschen essen, so eine verbreitete Meinung. Man braucht nicht an den Hindukusch zu schauen, um diesem Stereotyp beizuwohnen. Der Iran hält dafür ebenso her wie Afghanistan, wenn nicht noch mehr. In Afghanistan werden die Vorbeter in Stadt und Land in vielen unserer Medien konsequent in die Rolle Ewig-Gestriger, revanchelustiger, gar Terror-Sympathisanten gerückt.

 

Dabei weiß, wer öfters den Freitagsgebeten in Kabul beigewohnt hat, dass mehr als einer der Geistlichen immer wieder mäßigend einwirkt auf die Massen, wenn der Volkszorn überzukochen droht – wegen bekannt gewordener Haftbedingungen in Guantanamo, realer und kolportierter Koranverbrennungen, unschuldiger ziviler Opfer aufgrund immer wiederholter Luftangriffe der ISAF-Schutztruppen. Die Liste ließe sich fortsetzen. Dass Mullahs auch sperrig bis fundamentalistisch sein können, lehrt die jüngere Geschichte. Vor allem wird ihr Stand mit Bildungsfeindlichkeit assoziiert. Eines der deutschen Hilfsprojekte in Afghanistan macht seit Jahren aber auch andere Erfahrungen.

 

Gute Erfahrungen mit den Moschee-Vorstehern

 

So praktiziert die deutsche Hilfsorganisation Ofarin ein Modell von Unterricht in afghanischen Moscheen, mit Schülern überwiegend im Grundschulalter. Zum einen, weil die afghanischen Grundschulen selbst nicht unbedingt einen Vorsprung durch (Schul)-Zeit vermitteln.

 

Zum Anderen, weil Vertrauen schafft, was in traditionellem Rahmen angesiedelt ist. Und nicht zuletzt, weil der Durst nach Wissen überall unverändert enorm ist. Die Erfahrungen in dem genannten Projekt sind, so ist zu hören, überwiegend gut. Sogar deutsches staatliches Geld in sehr bescheidenem Ausmaß fließt jetzt für das Vorhaben. Schwer tut sich die Politik allerdings, diese Ausnahme von der Regel an die große Glocke zu hängen. Mullahs, die deutsche Gelder verwerten, zumal im Umgang mit Mädchen? Passt das in unsere Vorstellung?

 

Ein ganzes Bild über Afghanistan und den Islam, letztlich auch über uns selber, stünde dabei womöglich zur Diskussion. Entwicklungszusammenarbeit mit Moschee-Vorstehern wird deshalb vermutlich nicht Schule machen. Aber es gibt sie.

Von: 
Martin Gerner

Banner ausblenden

Die neue zenith 02/2022 ist da: Reise zum Mittelpunkt der Erde

Reise zum Mittelpunkt der Erde

Die neue zenith ist da: mit einem großen Dossier zur Region Persischer Golf und überraschenden Entdeckungen. Von Archäologe über Weltpolitik und Wattenmeer zu E-Sports und großem Kino.

Banner ausblenden

Newsletter 2

Der heiße Draht

Frische Analysen, neue Podcast-Folgen, exklusive Einladungen zu Hintergrundgesprächen und Werkstattberichte: Jeden Donnerstag erhalten tausende Abonnenten den zenith-Newsletter. Sie  wollen auch auf dem Laufenden bleiben? Dann melden Sie sich hier kostenlos an.

Banner ausblenden

WM Katar

So eine WM gab es noch nie

Auf 152 Seiten knöpfen sich Robert Chatterjee und Leo Wigger alle wichtigen Fragen rund um die erste Fußball-WM in einem arabischen Land vor.