Aufgrund immer häufigerer Zwischenfälle an der syrisch-israelischen Grenze werden in Jerusalem unterschiedliche Szenarien für die Post-Assad-Ära durchgespielt. Eines davon: Eine Pufferzone auf den Golanhöhen nach südlibanesischem Vorbild.
Über Jahre war die syrisch-israelische Grenze ein ruhiger Ort. Beide Seiten hatten kein Interesse an einem Waffengang. Deshalb leisteten israelische Reservisten auf den Golanhöhen ihren Dienst ab. Das ist nun vorbei. Seit kurzem sind an der Grenze Berufssoldaten stationiert. In Israel bereitet man sich auf die Post-Assad-Ära vor. Es bestand nie ein Interesse an der sich abzeichnenden Despotendämmerung in Damaskus.
Die Assad-Clique, die sich mit Blick auf die – im Vergleich – völlig veraltete Armee ihrer Unterlegenheit bewusst war und ist, hielt den Ball flach und sicherte das verbliebene Gebiet auf den Golanhöhen vor Störfeuern ab. Die Regierung in Jerusalem machte sich in den vergangenen Jahren deshalb keine ernsthaften Sorgen, dass Syrien den Versuch unternehmen würde, das völkerrechtlich illegal annektierte Gebiet zurückzuerobern. Doch die Zeiten haben sich geändert. Seit einigen Monaten kommt es an der syrisch-israelischen Grenze nun immer häufiger zu Zwischenfällen. Die syrische Armee und Rebellengruppen bekämpfen sich, vereinzelte Gruppen die für gewöhnlich dem radikal-islamischen Spektrum zugeordnet werden, greifen gezielt israelisches Territorium an.
»Wir sind die Nächsten auf ihrer Liste«
Dass dürfte künftig die Regel werden – durch den Zusammenbruch der Zentralmacht ist nach Ansicht israelischer Sicherheits- und Syrien-Experten nicht mehr sporadisch, sondern dauerhaft mit Angriffen zu rechnen. Eyal Zisser vom »Mosche Dajan-Zentrum für Nahost- und Afrikanische Studien« sagte der Zeitung The National: »Nun haben wir das Problem, wie wir mit kleinen und Kleinstgruppen umgehen, die uns angreifen. Israel muss seine Überwachung intensivieren und die Soldaten besser darauf vorbereiten.«
Auch der israelische Generalstabschef Benny Gantz erklärte jüngst auf der Sicherheitskonferenz Herzlija: »Die Terrororganisationen kämpfen jetzt gegen Assad und wir sind dann die Nächsten auf ihrer Liste.« Und Schmuel Bar vom »Interdisciplinary Centre« in Herzlija konstatierte: »Der Bürgerkrieg im Libanon wird uns im Vergleich dazu als Picknick vorkommen.« Die Befürchtung vor einem Übergreifen des Konflikts ist in Israel demnach groß. Monatelang schwieg man eisern zu dem Bürgerkrieg in Syrien und versuchte, sich nicht in die Kampfhandlungen hineinziehen zu lassen – bis auf eine Ausnahme.
Eine Pufferzone als reale Option
Erstmals aktiv wurde Israel Ende Januar, als man die Luftwaffe angreifen ließ – auf ein ominöses Ziel. Auf was oder wen, das ist bislang nicht klar. Mal hieß es, der Angriff habe dem Transport von Kampfgas gegolten, mal handelte es sich um Boden-Luft-Raketen – und amerikanische Regierungsquellen erklärten, der Luftschlag habe auf die Lieferung russischer SA-17-Luftabwehrraketen an die Hizbullah gezielt. Jair Golan, Befehlshaber des Nordkommandos, hat sich nun im Massenblatt Israel Hajom zu den nächsten Schritten geäußert, falls Syriens Präsident fallen sollte.
Assad habe »den Rubikon noch nicht überschritten«, aber seiner Kenntnis nach bereits chemische Waffen im Kampf gegen die Rebellen eingesetzt. Für ihn sei es allerdings auch nur eine Frage der Zeit, bis Überfallkommandos auf dem Golanhöhen aufkreuzen, da sich das Regime nicht mehr lange halten könne. Deshalb kommt er zu dem Schluss, dass »eine Defensivmaßnahme, die wir natürlich nicht ausschließen können, die Errichtung einer Pufferzone auf der anderen Seite der Grenze ist.« Diese müsste mit »Gesprächspartnern, die ein Interesse an einer Kooperation mit uns haben gegen andere Elemente, die sie ebenfalls bedrohen«, errichtet werden, so Golan weiter.
Ein neuer High-Tech-Grenzzaun nimmt bereits Konturen an
Dieses Szenario erinnert exakt an die Sicherheitszone, die Israel mit der Südlibanesischen Armee (SLA) von 1985 bis ins Jahr 2000 aufrecht erhielt und die Golan als »eine der wirksamsten Sicherheitsmaßnahmen, die Israel jemals getätigt hat«, bezeichnet. Auch Aluf Benn, Chefredakteur der Tageszeitung Haaretz bezeichnete die Zusammenarbeit Israels mit lokalen Kräften auf der syrischen Seite als »zentralen Gegenstand der gegenwärtigen Diskussionen des Dreicks Israel-USA-Jordanien.«
Bis es soweit ist, bereitet sich Israel alleine vor – und hat mit den Bauarbeiten für einen neuen High-Tech-Grenzzaun bereits begonnen. Nach derzeitigem Stand sollen bis August 60 Kilometer des Grenzverlaufs mit dem sieben Meter hohem Stahl- und Stacheldrahtzaun gesichert sein. Das letzte Teilstück, das von Hamat Gader bis zum Hermonberg reichen wird, soll im Herbst fertiggestellt werden. Die neue Sicherheitszone nimmt offenbar Konturen an.