Khaled al-Sabawi will Palästinas Unabhängigkeit forcieren. Für derart hohe Ambitionen muss man die Urkräfte der Natur zur Hilfe nehmen: Erdwärme, zum Beispiel.
Khaled al-Sabawi, 29, Gründer von MENA Geothermal Energy, ist nicht der einzige Palästinenser, der sich über seine Stromrechnung ärgert. Denn von allen Bewohnern der Nahost-Region zahlen seine Landsleute die höchsten Energiepreise. Sabawi geht aktiv dagegen vor – und will im gleichen Atemzug noch den Kohlenstoffdioxidausstoß in seiner Heimat reduzieren und sein Land ein Stück weit unabhängiger von Israel machen: Palästinas Energieversorgung hängt zu 97 Prozent an fossilen Rohstoffen, die aus Israel importiert werden.
»Wir haben gar keine Wahl, als uns nach alternativen Formen der Energiegewinnung umzusehen«, sagt Sabawi. Seine Firma MENA Geothermal Energy – 2007 gegründet – ist auf die Installierung von Heiz -und Kühlungsanlagen in Wohnräumen, Büros und größeren Gebäudekomplexen spezialisiert. Das Prinzip der Geothermie: Bei der oberflächennahen geothermischen Energiegewinnung zirkuliert Wasser oder ein anderer Wärmetauscher in einem geschlossenen Rohrsystem, das einen bis zwei Meter unter der Erdoberfläche verlegt ist.
Durch Thermostate kann die Temperatur reguliert werden. Da das Erdreich im Winter wärmer und im Sommer kühler ist als die Außenluft, kann eine optimale Nutzbarkeit erreicht werden. »In Ramallah liegt die Bodentemperatur konstant bei 17 Grad Celsius während des gesamten Jahres«, sagt Sabawi. Weltweit nutzen mehr als 72 Länder geothermische Energiegewinnung. Aber die Installation solcher Anlagen ist kostspielig.
Sabawi hat einen Weg gefunden, die Effizienz der Anlagen zu steigern: Kalksteinpulver – ein Abfallprodukt der örtlichen Bauindustrie in Palästina – wird zu besonders feinem Mörtel verarbeitet, der die Bohrlöcher der Anlagen abdichtet. Dies, so Sabawi, senke die Kosten um rund 15 Prozent. Das Unternehmen hat sich das Verfahren inzwischen patentieren lassen.
Madaba könnte den Elektrizitätsverbrauch für Heizung und Klimatisierung um rund 200.000 Kilowattstunden jährlich verringern
In einer Krisenregion mit einfachen Mitteln eine nachhaltige Energiegewinnung aufzubauen – dafür erntet er inzwischen auch internationale Anerkennung. Die US-Online-Zeitung Global Post nennt Sabawi einen der innovativsten Energieunternehmer weltweit. Für die Installationen am Sitz der Union Construction and Investment (UCI) in Ramallah und an der Amerikanischen Universität in Madaba (AUM) in Jordanien wurde MENA Geothermal Energy bereits zweimal mit dem Energy Globe Award für Nachhaltigkeit ausgezeichnet.
Nach Sabawis Angaben kann Madaba damit den Elektrizitätsverbrauch für Heizung und Klimatisierung um rund 200.000 Kilowattstunden jährlich verringern. Offenbar steht dahinter also nicht nur ein lobenswertes Ansinnen, sondern auch ein Business Case: »Arabia 500+Turkey«, ein Forum, das die 500 am schnellsten wachsenden Unternehmen der Nahost-Region prämiert, hat MENA Geothermal Energy auf seine Shortlist genommen.
Sabawi behindern vor allem zwei Faktoren: palästinensische Bürokratie und israelische Besatzung. »Nicht nur beim Import und Export von Waren, sondern auch bei meinen Reisen muss ich immer wieder bangen«, sagt Sabawi, dem schon dreimal die Einreise ins Westjordanland verweigert wurde.
Sabawi behindern vor allem zwei Faktoren: palästinensische Bürokratie und israelische Besatzung
Als Sabawi 2011 auf der »TEDx Ramallah«, einer Konferenz, die seit 1984 unter dem Motto »Ideas worth spreading« eine bunte Mischung aus jeweils 18-minütigen Beiträgen zu Technik, Wissenschaft und Kunst anbietet, eingeladen wurde, erläuterte er die Vorteile der geothermischen Energiegewinnung für seine Heimat. Aber nicht nur mit seiner Idee sondern auch durch sein Charisma beeindruckte der palästinensisch- kanadische Ingenieur seine Zuhörer.
In einer humorvollen Rede mokierte er sich über die israelischen Sicherheitsbeamten und über die arabische Bürokratie, die ihm das Leben schwer machen und seine Arbeit behindern. Es scheint, als habe Israel, das seinerseits ja weltweit für Technologie und Innovation steht, aber großes Interesse an der Erfindung: »Wir können wohl noch vieles von Ihnen lernen«, heißt es in der E-Mail eines israelischen Beamten des Ministeriums für Infrastruktur, die Sabawi vorzeigt.
In Europa haben manche Energie-Investoren in den vergangenen Monaten ihr »Waterloo« erlebt – der studierte Informatiker Sabawi aber verbindet mit diesem Begriff sehr positive Erinnerungen: Die Universität Waterloo im kanadischen Staat Ontario ist seine Alma Mater.
Als Sohn palästinensischer Flüchtlinge wurde er 1983 in Kuwait geboren und kam mit drei Jahren nach Kanada. Ein Hindernis für Startup-Unternehmer sieht Sabawi in dem, was er »die goldenen Handschellen der Entwicklungshilfe« nennt. »Durch die hohen Summen ausländischer Gelder, die in die palästinensische Wirtschaft gepumpt werden, können NGOs überhöhte Gehälter zahlen.«
Als kleines Unternehmen sei es schwer, da mitzuhalten, sagt Sabawi. Dennoch frei von Opferrhetorik wolle er vor allem eines: Optimist bleiben. »Wir brauchen keine Einstaaten- oder Zweistaaten-, sondern eine Grünstaatenlösung! Wenn wir Israelis und Palästinenser uns da zusammentun, und den Konflikt überwinden würden, können wir es wirklich zu etwas bringen.«