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Israels Ex-Präsident Mosche Katzav

Häftling 1418989 ist ein Sieg für die Demokratie

Kommentar

Israels Ex-Präsident Mosche Katzav hat eine 7-jährige Gefängnisstrafe wegen Vergewaltigung angetreten. Seine letzten Worte in Freiheit waren verstörend, für lange Zeit die letzten – und das ist gut so, meint Dominik Peters.

Seine letzten Worte in Freiheit waren ein dramatischer Appell: »Eines Tages werdet ihr verstehen, dass ihr einen lebendigen Mann begraben habt«, sagte Mosche Katzav am vergangenen Mittwoch, bevor sich der 66-Jährige in Tränen aufgelöst von seinen Angehörigen verabschiedete. Dann trat er in einem schwarzen Anzug und weißem Hemd seine siebjährige Haftstrafe an.

 

Israels ehemaliger Präsident ist nun ein rechtskräftig verurteilter Vergewaltiger und sitzt in einer Zelle im ersten Block des achten Traktes des Maasijahu-Gefängnis in Ramle. Dieser ist für strenggläubige Juden vorbehalten, Zeitungen und Fernsehen sind verboten. Für die nächsten 2.553 Tage und Nächte wird er die Häftlingsnummer 1418989 tragen – und mittels einer Kamera überwacht werden, um einen möglichen Freitod Katzavs gegebenenfalls aufhalten zu können.

 

Ausgerechnet er, der für viele mitzrachische Israelis zum Vorbild wurde. 1945 im iranischen Yazd, 250 Kilometer von Isfahan, geboren, erst in Teheran und ab 1951 in einem Auffanglager nahe Tel Aviv aufgewachsen, schaffte Katzav es als erster der oftmals sozial benachteiligten orientalischen Juden aus dem Übergangslager, das heute eine Stadt ist und Kirjat Malakhi heißt, an der Hebräischen Universität Volkswirtschaftslehre und Geschichte zu studieren.

 

Tiefer Fall des Vorzeige-Mitzrachi

 

Daneben arbeitete er im Lokalressort der Tageszeitung Jedioth Ahronoth – und wurde mit nur 24 Jahren Bürgermeister von Kirjat Malakhi sowie später Parteigänger des konservativen Likud-Blocks. Am Sechstage-Krieg hatte er nebenbei ebenso teilgenommen wie auch am Jom-Kippur-Krieg, währenddessen er zu den Soldaten um Ariel Scharon gehört hatte, die als erste den Suez-Kanal überquert und damit dem Krieg die entscheidende Wendung gegeben hatten.

 

Der fünffache Familienvater, der fließend Farsi spricht, war der Vorzeige-Mitzrachi, Gegner der aschkenasischen Eliten aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, die er nach seiner Verurteilung als »Ganovenbande« bezeichnete, die sein »Blut vergossen« habe und ihn »zur Hinrichtung führen« wolle.

 

Angesichts der schwerwiegenden Beweise irritierten Katzavs Wutausbrüche jedoch alle Israelis in den vergangenen Jahren, egal ob Aschkenasim oder Mitzrachim. Mit aller Macht versuchte er sich gegen das Urteil zu stemmen, die Haftstrafe herauszuzögern. Die Unterstützergruppe wurde indes immer geringer, nachdem sich auch die »Schas«-Partei, mit deren Hilfe er einst Präsident geworden war, von ihm distanziert hatte. Einzig im Ausland fand er wortgewaltige Unterstützung – von Wladimir Putin.

 

Der bezeichnete ihn im Gespräch mit Ex-Ministerpräsident Ehud Olmert nach Bekanntwerden der Anschuldigungen im Jahr 2006 als »einen starken Kerl, der uns alle überrascht hat. Wir beneiden ihn alle.« Diese Aussage wurde vom Kreml später dementiert und als Übersetzungsfehler des Dolmetschers verkauft.

 

Dass Mosche Katzav nach dem Ende seiner Haft nochmals Gelegenheit haben wird, auf dem internationalen Parkett als Vertreter seines Landes aufzutreten, ist ausgeschlossen. Der Oberste Gerichtshof in Israel hat ein richtiges und wichtiges Urteil gesprochen. Und Katzav weggesperrt. Aber ganz alleine ist er auch nicht. Er teilt sich seine Zelle, in der er in den nächsten sieben Jahren viel Zeit haben wird, darüber nachzudenken, wie er sein Lebenswerk und die Zukunft seiner traumatisierten Opfer zerstört hat. Sein Zellennachbar ist ein alter Bekannter: Schlomo Benisri, einst Minister für Gesundheit und Soziales. Er ist wegen Bestechlichkeit zu vier Jahren Gefängnis verurteilt worden.

Von: 
Dominik Peters

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