TV-Journalist Yair Lapid steigt in die Politik ein – und folgt damit nicht nur seinem Vater, sondern einer Reihe Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens. Die Reaktionen in Israel sind durchaus geteilt – besonders bei Lapids Medienkollegen.
Lange hat es gedauert, nun ist es publik: Yair Lapid wird Politiker. Der in Israel bekannte und beliebte TV-Journalist gab dies am vergangenen Sonntag bekannt und beendete damit alle Spekulationen, die es um ihn und seine Ambitionen seit Monaten gegeben hatte. Mit diesem Schritt ist er einem Gesetz zuvorgekommen, dass am Mittwoch verabschiedet werden soll und einen fließenden Übergang von Journalisten in die Politik verböte. Ersten Umfragen zufolge würde eine von Lapid geführte Partei derzeit 20 Knessetmandate gewinnen können. Im Gespräch mit zenithonline attestiert Mosche Zuckermann von der Universität Tel Aviv dem 48-Jährigen »aussichtsreiche Chancen auf eine Polit-Karriere«.
Yair Lapid konnte mit seiner Nachrichtensendung am Freitag im zweiten israelischen Fernsehen, seiner Talkshow á la Kerner sowie in seiner beliebten Kolumne in der israelischen Tageszeitung Jediot Ahronot, über Jahre hinweg eine große Unterstützergemeinde sammeln. Die will er nun mobilisieren – und auf den Spuren seines nicht minder berühmten Vaters wandeln, dem inzwischen verstorbenen Josef »Tomy« Lapid; jahrzehntelang war dieser Chefredakteur beim Traditionsblatt Maariv gewesen, später Parteivorsitzender der säkularen Schinui-Partei sowie Justizminister und stellvertretender Ministerpräsident des Landes.
Yair Lapid hat im Laufe der Jahre eine erstaunliche Fähigkeit entwickelt, vermeintlich dominierenden Meinungen unter den Israelis zu widersprechen und dabei trotzdem extrem konsensfähig zu bleiben. Wenn den Bewohnern Tel Avivs vorgeworfen wird, sie würden in einer Blase leben und von dem Nahostkonflikt nichts mitbekommen, dann verteidigt Lapid seine Heimatstadt mit der Aufzählung von Selbstmordattentaten, die in Tel Aviv stattfanden oder der Geschichte, wie eine Scud-Rakete Saddam Husseins direkt neben seinem Haus landete.
Den Israelis, die sich angesichts der Lage nach Neuseeland wünschen, legte er einst nahe, doch ehrlich zu sich zu sein, und sich einzugestehen, dass das Leben dort in Wahrheit viel gefährlicher sei, die Gefahr für einen Israeli dort vor Langeweile zu sterben sei immens hoch. Er hat sich, so Yossi Verter von der Tageszeitung Haaretz, besonders in den letzten Monaten mit fachkundigen Beratern umgeben und sich zum »ultimativen Israeli stilisiert. Derjenige, der uns versteht – die vernünftige Mehrheit, die in der Armee dient und Steuern zahlt.«
»Lapids Ankündigung hat das Feuer, das seit einiger Zeit loderte, nun entbrannt«
Und genau diese Mehrheit könnte Lapid in die Knesset bringen, meint Mosche Zuckermann, was eine Umverteilung der Wählerstimmen im Zentrum der israelischen Politlandschaft bedeuten würde. Sein Erfolg würde dann »vermutlich auf Kosten der Wählerbestände von Kadima, Azmaut und der Arbeitspartei zustande kommen – das ist seine Zielgruppe«, sagt Zuckermann.
Wie die Tageszeitung Maariv berichtet, kursieren bereits Namen potentieller Weggefährten des Star-Journalisten und dessen noch zu gründender Partei: Schlomo Yanai, der aus dem Amt scheidende CEO des globalen Pharmagiganten TEVA, und Karnit Goldwasser, die Witwe des von der schiitischen Hizbullah-Miliz ermordeten israelischen Soldaten Ehud Goldwasser, werden ebenso genannt, wie die Bürgermeisterin von Herzliya, Yael German, und Uri Shani, einstmals Bürochef Ariel Scharons, Moshe Kaplinsky, hoch dekorierter Ex-General, und Rabbiner Shai Piron, der zum moderaten Flügel des national-religiösen Lagers zählt.
Bei vielen Religiösen stoßen die Pläne Lapids indes auf Ablehnung; schließlich hatte der Journalist die jüngsten Ausschreitungen und Meinungsverschiedenheiten zwischen Säkularen und Orthodoxen in Beit Schemesch und andernorts mit einer einseitigen Berichterstattung bedacht.
Nach Angaben des Massenblattes Israel Hajom erklärte Nissim Zeev: »Lapid wird neue Probleme produzieren, er wird die Kluft und den Hass zwischen Religiösen und Säkularen vertiefen. Was sein Vater tat, wird im Vergleich zu ihm nichtig sein«, sagte der Schas-Abgeordnete; Tomy Lapid war für seine brillanten Polemiken gegen Fromme bekannt.
Auch Anhänger von Ariyeh Deri – dem einst schillernden Superstar der Schas-Partei, der ebenso vor wenigen Wochen endgültig bekannt gegeben hatte, bei den kommenden Wahlen antreten zu wollen – meldeten sich zu Wort. »Es war klar, dass Lapid diese Entscheidung treffen würde«, wird eine nicht weiter genannte Quelle von Israel Hajom zitiert. »Die Frage lautete lediglich, ob er mit oder gegen Deri antritt. Lapids Ankündigung hat das Feuer, das seit einiger Zeit loderte, nun entbrannt.«
Auch Gilad Schalits Vater zieht es in die Politik
Angesichts dieser Reaktionen gab Dan Margalit, Chefredakteur von Israel Hajom, seinem ehemaligen Kollegen deshalb den Tipp mit auf den Weg: »Jeder Mann hat das Recht, sich selbst zum König zu krönen. Wenn es das ist, was er will, dann wird Mr. Nice Guy von nun den Tough Guy geben müssen. Dass ist Politik.«
Und die spielt dieser Tage verrückt in Israel. Einen Tag nach der Causa Lapid und wenige Wochen nach Ariyeh Deri ging eine weitere prominente Figur vor die Presse: Noam Schalit, der Vater von Gilad Schalit. Jenem Soldaten, der fünf Jahre im Gaza-Streifen in Geiselhaft saß. Wie die Tageszeitung Haaretz am späten Montagnachmittag bekanntgab, traf Schalit die Parteivorsitzende der Arbeiterpartei, Shelly Yachimovitch, und unterrichtete diese von seinem Vorhaben.
Die reagierte prompt und dankbar – schließlich hatte die Causa Lapid gedroht, den neuerlichen Aufschwung zunichte zu machen. »Der Kampf von Noam Schalit und seiner Familie begann als privater Kampf, wurde aber dann zu einem Kampf, der alle Grundwerte der israelischen Gesellschaft beinhaltet: Solidarität, gegenseitige Unterstützung und Zionismus.« Fast wirkt es, als habe Yair Lapid diesen Satz selbst geschrieben.