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Profil: Mohammed bin Zayed

Scheich Underwood

Portrait
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Foto: Tarek Nijmeh

Ist beides: Gesicht der Macht und Tiefer Staat. Der Bruder des Präsidenten der Vereinigten Arabischen Emirate ist einer der mächtigsten Männer der Region, wie die aktuelle Golfkrise zeigt.

Das moderne Staatswesen kennt einen, der so tief und dicht damit verwoben ist, dass man vermuten muss, er sei der Staat höchstselbst. In Deutschland ist es Wolfgang Schäuble, in Schillers »Don Karlos« der Herzog von Alba, in der BBC-Serie »Sherlock« ein gewisser Mycroft. In den Vereinigten Arabischen Emiraten spielt Kronprinz Mohammed bin Zayed Al Nahyan (MbZ) diese Rolle. Damit allein lässt er es aber nicht bewenden. Er verkörpert den tiefen Staat und ist zugleich Gesicht des Herrscherhauses von Abu Dhabi. Nicht leicht, im Rampenlicht zu stehen und dabei zugleich im Hintergrund die Strippen zu ziehen.
Der 56-jährige Bruder des Staatspräsidenten gilt als eigentlicher Herrscher. 

Spätestens seit der Immobilienkrise, in der das glitzernde Dubai bei Abu Dhabi um Bürgschaft betteln musste, herrscht das Haus Nahyan unangefochten über die Föderation. Deren Leumund rührt nun nicht mehr nur vom freien Handel her, den sie ohne Ansicht der Gesinnung mit buchstäblich jedem trieb. Die Emirate gelten heute auch als martialisch. Und MbZ als Architekt der »proaktiven Sicherheitspolitik«. 

US-Verteidigungsminister James Mattis nannte sie »kleines Sparta«, wobei er sicher auf das Militärische anspielte und nicht etwa auf dorische Knabenliebe. Die Emirate rüsten auf und kämpfen – unterstützt von eingekauften Legionären – unter anderem im Jemen. Trotz volatiler Erlöse aus dem öl-Geschäftgaben sie 2016 – laut Stockholmer Institut für Friedensforschung SIPRI – rund 22,8 Milliarden Dollar für Verteidigung aus: 5,7 Prozent des BIP. 

Entsprechend herzlich wurde MbZ bei Donald Trumps Antrittsbesuch in den Golfstaaten angefasst – und später selbst im Weißen Haus empfangen. MbZ vertritt mal Präsident Khalifa, der als gesundheitlich angeschlagen und weniger energisch gilt, mal seinen jüngeren Bruder Abdullah, offiziell VAE-Außenminister. Er wirkt als nationaler Sicherheitsberater, agiert beizeiten als Geheimdienstchef (offiziell der Job seines Sohnes Khalid). Man vergisst beinahe, dass der Verteidigungsminister Mohammed bin Raschid Al Maktum heißt und Emir von Dubai ist. 

Wo MbS draufsteht, ist MbZ drin: Der Emirati hat Einfluss auf seinen saudischen Kollegen

MbZ verkörpert die nicht immer taktvoll ausgefüllte Führungsrolle Abu Dhabis in der Föderation. Gefahren droht für ihn allerdings nicht durch den immer wieder mal aufflammenden Zwist der sieben, seit 1971 vereinten Beduinenfürstentümer, sondern von den Muslimbrüdern, die in ärmeren Emiraten wie Sharjah Zulauf fanden – und in MbZ ihren fürchterlichsten Gegner. Dieser Konflikt schlug sich in den nervösen Nachbarschaftsbeziehungen nieder. Schon 2004, so ist in den US-Drahtberichten auf Wikileaks zu lesen, verlangte MbZ härteste Bandagen gegen die Brüder – und gegen ihre regionalen Fürsprecher, das Emirat Katar und dessen Auslandssender Al-Jazeera. Man befinde sich in einem »Kulturkrieg«, konstatierte MbZ.

Seine Haltung heute, nach der Erfahrung des Arabischen Frühlings und der Zuspitzung des Konfliktes zwischen Iran und Saudi-Arabien: Stabilität ist alles. Und Demokratie nichts für Araber.

In Sachen Muslimbrüder macht MbZ aus seinem Herzen keine Mördergrube, was ihn zum Verbündeten des saudischen Königshauses werden ließ. Oder umgekehrt? Saudi-Arabien zog gegenüber den Islamisten und ihrem regionalen Fürsprecher Katar die Daumenschrauben an, das gipfelte in einem Embargo und militärischen Drohgebärden. Dabei entstand zuweilen der Eindruck, die VAE hätten den Saudis sekundiert. Manches aber spricht dafür, dass der Impuls nicht vom heißspornigen saudischen Prinzen Mohammed bin Salman (MbS) kam, sondern von dessen Freund und Mentor in den Emiraten. Auch in dem Palastcoup, bei dem MbS sich selbst zum Thronfolger machte, war wohl eine Hand aus Abu Dhabi mit im Spiel. Abu Dhabi ging energisch vor: Haftandrohungen für jeden, der für Katar Verständnis äußert.

Aus dessen Isolation zieht Abu Dhabi womöglich sogar Nutzen: Beide konkurrieren als Handelszentren, Drehkreuze von Langstreckenfliegern und Sportveranstalter. MbZ und Katars Emir Tamim Al Thani besuchten die britische Militärakademie Sandhurst – Kameraden wurden sie nicht. MbZ orchestrierte angeblich Medienkampagnen, um die Beziehungen Katars zu Terrorgruppen aufzudecken.

Die Kataris wiederum sind überzeugt, dass MbZ sie von Hackern habe attackieren lassen, und halten ihm, der auf die zwielichtigen Freunde Katars schimpfte, seine feinen Freunde vor: Ramzan Kadyrow, Tschetschenen-Präsident und Teilzeit-Mafioso, Tony Blair, dessen Consulting-Firma angeblich Millionen von MbZ für Politikberatung in Drittländern kassiert; Mohammed Dahlan, palästinensischer Ex-Geheimdienstchef und Verbindungsmann zum libyschen Militärmachthaber Khalifa Haftar, oder Ahmad Jerba und dessen von MbZ finanzierten Stammesmilizen in Syrien. Abu Dhabis Elite-Streitkräfte und die Prätorianergarde von MbZ betreut Erik Prince, Gründer des privaten Söldnerdienstes Blackwater und Bruder von Trumps Bildungsministerin Betsy DeVos. Um alles kann sich MbZ ja nicht selbst kümmern. Dennoch fragt sich: Wann schläft der Mann eigentlich?

Von: 
Daniel Gerlach
Fotografien von: 
Tarek Nijmeh

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