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Libanesischer Regisseur Ziad Doueiri

»Ein Tarantino-Film über den Nahen Osten wäre verrückt – und umwerfend komisch«

Interview

Sein Film »Das Attentat« wurde in 22 arabischen Staaten verboten, trotzdem gibt er nicht auf: Der libanesische Regisseur Ziad Doueiri verteidigt seine künstlerische Zusammenarbeit mit Israel – und lässt das auch die Hizbullah wissen.

zenith: Das »Dubai International Film Festival« (DIFF) wird im Dezember 2014 Ihren Film »Das Attentat« zeigen, der im Mai 2013 von 22 Mitgliedsstaaten der Arabischen Liga verboten wurde. Wie haben Sie das geschafft?

Ziad Doueiri: Der Veranstalter des Filmfestivals ist ein Risiko eingegangen. Er rief mich in Paris an und sagte mir, dass er meinen Film zeigen wolle. Allerdings wird er nicht im Hauptwettbewerb laufen. Der Grund dafür ist, dass ich für den Film mit israelischen Juden zusammengearbeitet habe. Die Araber sind noch nicht bereit, das zu akzeptieren. Dass der Film dafür angegriffen wurde, war eine große Enttäuschung für mich. Wenn sie den Film wegen seiner Qualität angegriffen hätten, würde ich das akzeptieren. Ich habe einen guten Film gemacht, der weltweit gezeigt wurde und den auch das arabische Publikum sehen sollte. Außerdem will man seine Filme immer in der eigenen Heimat zeigen.

 

Sie wurden 1998 durch Ihren Film »West Beirut«, der den Beginn des libanesischen Bürgerkriegs 1975 thematisiert, bekannt. Verletzt Sie das Verbot von »Das Attentat« in Ihrer libanesischen Heimat deswegen besonders?

Es hat mir das Herz gebrochen. Viele Leute warten darauf, meinen Film zu sehen. Wir wollten ihn für die Oscar-Verleihung einreichen, doch dazu muss das Herkunftsland des Regisseurs den Film vorlegen. Ich habe ein paar Leute im libanesischen Staatskomitee für Kultur nach den Gründen für das Verbot gefragt. Sie sagten, ich hätte einen Vertrag gebrochen. Da kein anderer libanesischer Regisseur einen Film in diesem Jahr gedreht hatte, wurde letztendlich kein libanesischer Beitrag für den Oskar eingereicht.

 

Sie sind der erste libanesische Regisseur, der mit israelischen Schauspielern zusammengearbeitet und auf israelischem Boden gedreht hat. Sind Sie stolz darauf?

Total. Es war ein großartiges Team. Spitzenfachmänner, die sich völlig auf den Film eingelassen haben. Ich hatte kein Problem, mit dem sogenannten Feind zusammenzuarbeiten. In der Kunst gibt es keine Feinde. Beim Film verwendet man viel Zeit für die Planung, das Schreiben und die Finanzierung. Das ist ein Kampf für sich, da braucht man nicht auch noch die Politik. Die Leute, die zehn Dollar für die Eintrittskarte zahlen, haben das Recht, auf den Film zu spucken. Aber ich sollte nicht dafür bewertet werden, wie ich den Film gemacht habe, wer ihn finanziert hat und welche Schauspieler darin auftreten.

 


Ziad Doueiri

wurde 1963 im Libanon geboren und ging für sein Film- und Fernsehstudium nach Los Angeles. Bekannt wurde er für seinen preisgekrönten Film »West Beirut« (1998). Sein Film »Das Attentat« (2012) wurde von den 22 Mitgliedsstaaten der Arabischen Liga verboten. Zurzeit lebt er in Paris und war für eine Filmvorführung im Juni 2014 im Kino Arsenal in Berlin zu Gast.


 

Sie haben sich auch deswegen mit dem Vorsitzenden der schiitisch-libanesischen Partei Hizbullah getroffen. Wie lief das ab?

Die Hizbullah kontrolliert alles im Libanon. Deswegen wollte ich wissen, wie sie auf den Film reagiert. Das Treffen war geheim und inoffiziell – aus Angst, ich sei ein Spion. Wir hatten eine ziemlich lange Unterhaltung. Ich fragte nach ihrer Position gegenüber dem Film, den ich mit ihrem Erzfeind gedreht hatte. Hizbullah ließ mich indirekt wissen, dass sie mich nicht unterstützen, aber auch nicht attackieren würde. Danach wurde ich allerdings von Leuten angegriffen, die der Hizbullah nahestehen. Ich kann nicht beweisen, dass die Hizbullah an dem Verbot des Films beteiligt war. Aber ihre Zeitung und Internetseite berichteten sehr negativ über meine Arbeit mit israelischen Juden.

 

In Israel hingegen wurde der Film gezeigt...

Wenn ich einen anti-israelischen Film gemacht hätte, hätte die arabische Welt das wahrscheinlich akzeptiert. Die Tatsache, dass ich im Film eine israelische Perspektive zeige, ist für sie inakzeptabel.

 

Wenn Sie vorher gewusst hätten, dass »Das Attentat« verboten würde...

Ich wusste es. Ich habe es gewissermaßen vorhergesehen, dass er verboten werden würde.

 

...und haben trotzdem nichts am Drehbuch geändert?

Nein, ganz und gar nicht. Wie hätte ich es ändern können? Man muss zu seiner Geschichte stehen. Am Ende des Tages bewertet das Publikum die Qualität des Films und nicht die politischen Interessen dahinter. Ich wusste, dass es ein Problem werden würde, in Israel zu drehen. Ich sprach alles mit meiner Mutter ab, die Anwältin ist. Sie meinte, ich würde das Gesetz von 1955 brechen, welches Libanesen den Kontakt mit Israelis verbietet. Was hätte ich tun können? Ägyptische Schauspieler engagieren, um israelische Juden zu spielen? Das macht keinen Sinn. Also ging ich nach Israel und drehte. Es war ein Kampf, den zu verlieren ich vorher abwog.

 

Würden Sie es wieder tun?

Sofort.

 

Der Film wurde auch beim »Marrakesh International Film Festival« gezeigt. Warum gerade in Marokko?

Die Kontroverse um den Film begann erst später, aufgrund eines Interviews mit einer der größten arabischen Tageszeitungen, der saudischen Al-Hayat. Im Interview hätte ich einfach nicht darüber sprechen sollen, dass ich in Israel gedreht habe. Aber ich hätte nicht gedacht, dass ich es verheimlichen müsste und rechtfertigte es sogar. Das sahen manche Leute als pure Provokation. Hätte ich das Interview nicht gegeben, wäre der Film vielleicht nie verboten worden. Außerdem ist Marokko zwar ein arabisches Land, die Veranstalter des Filmfestivals sind jedoch Franzosen und die Jury international besetzt. Es verwundert also nicht, dass wir dort den Großen Preis gewonnen haben. Das Filmfestival in Dubai hingegen ist wirklich arabisch.

 

2013 haben Sie mit dem Film »Das Attentat«, der auf dem Roman »Die Attentäterin« (2005) von Mohammed Moulessehoul – alias Yasmina Khadra – basiert, den Preis der Frankfurter Buchmesse für die beste internationale Literaturverfilmung erhalten. Hat Sie die Ehrung aus Deutschland überrascht?

Ich weiß es nicht. Als ich den Anruf erhielt, war ich jedenfalls sehr geschmeichelt, da es ein eher literarisch ausgerichteter Preis ist.

 

Ist Yasmina Khadra als algerischer Schriftsteller nicht zu weit vom Nahostkonflikt entfernt?

Er diente als hoher Offizier in der algerischen Armee und arbeitete mit dem Geheimdienst. Er weiß, was er tut. Obwohl er nie in Israel oder Palästina gelebt hat, wunderten sich einige Israelis und Palästinenser, wie viel er über Israel und den Konflikt weiß. Er muss alle Straßennamen genau recherchiert und eine unglaubliche Vorstellungskraft haben. Das sieht man auch an zwei seiner anderen Bücher, »Die Schwalben von Kabul« (2002) und »Die Sirenen von Bagdad« (2006), die er schrieb, ohne je in Kabul oder Bagdad gewesen zu sein.

 

Sie waren lange Zeit Kameraassistent von Quentin Tarantino.

1991 bis 1998, am Ende meiner Zeit als Kameraassistent, habe ich mit Quentin zusammengearbeitet. Davor war ich Beleuchter, Kameraführer, habe Musikvideos gedreht, an einem Film von Roger Corman und Dokumentarfilmen in Hollywood mitgearbeitet. Dann wurde ich für einen Film engagiert, von dem keiner wusste, was es wird. Das war »Reservoir Dogs«.

 

Wenn Sie einen Film mit Quentin Tarantino über den Nahen Osten machen könnten, wie sähe der aus?

Das wäre sehr interessant! Die Leute im Nahen Osten sind sowieso schon verrückt. Wenn man da noch Quentin hinzufügt, wäre das verrückt und gleichzeitig eine sehr interessante Sache. Ich schwöre, wenn Quentin etwas über den Nahen Osten machen würde, wäre das umwerfend komisch. Das ist eine fantastische Idee, im Moment hab ich aber leider wenig Kontakt zu ihm.

 

Verfolgen Sie denn die US-amerikanische Serie »Homeland«, die ebenfalls zu großen Teilen im Nahen Osten spielt?

Mir wurde angeboten daran mitzuarbeiten. Ich lehnte allerdings ab, da ich mit anderen Projekten beschäftigt war. Ich habe ein paar Folgen gesehen. Es war interessant, aber das ist es auch schon. »Twin Peaks«, die Fernsehserie, die David Lynch und Mark Frost 1990 produziert haben, war die einzige, die ich angesehen habe. Seither habe ich kein Fernsehen mehr gesehen.

 

In Interviews sprechen Sie von Ihrer Mutter als eine linksgerichtete, radikal-fanatische Frau, die für die Gleichstellung von Mann und Frau kämpft. Ist sie eine Inspiration für Ihre Arbeit?

Die Beziehung zwischen mir und meiner Mutter war in meiner Pubertät sehr konfliktreich. Wir sind beide sehr radikal und extrem. Meine Mutter ist eine Kämpferin. Sie war tatsächlich 1958 in einer Widerstands-Miliz. Heute setzt sie sich mit ihren 76 Jahren immer noch für Frauenrechte, zivile Ehe und das Verbot der Beschneidung von Frauen ein. Sie ist eine tolle Frau und eine sehr solide Person in meinem Leben. Meinen nächsten Film, den ich Anfang nächsten Jahres drehen werde, habe ich mit ihrer Hilfe geschrieben. Es wird ein Gerichtsfilm.

 

Diesmal ohne Nahostbezug?

Doch, aber in einer abgeschwächten Form. Ich hatte eigentlich gerade eine Pause vom Nahostkonflikt einlegen wollen, als eine libanesische Produktionsfirma bei mir anfragte, das Drehbuch für diesen Film zu verwirklichen. Das war im Mai und ist das erste Mal, dass eine libanesische Produktionsfirma einen kompletten Film finanzieren will! Daran sieht man, dass das Verbot von »Das Attentat« rein politisch motiviert ist.

 

Könnten Sie sich vorstellen, einen Film über den Bürgerkrieg in Syrien zu drehen?

Nein. Auch wenn ich sehr davon betroffen bin. Ich brauche eigentlich immer noch eine kleine Pause vom Nahen Osten. Ich hab andere Geschichten zu erzählen. Ich möchte nichts über Syrien machen. Es ist zu nah und schmerzt zu sehr. Auch wenn es viele nicht glauben, auch ich habe eine sehr schwache Seite.

Von: 
Interview: Laura Pannasch

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