Auch in Ägypten suchen hunderttausende syrische Flüchtlinge Zuflucht vor dem Bürgerkrieg. Dabei geraten immer mehr Frauen in einen perfiden Menschenhandel, der die Unterstützung der Revolution vorgibt und eine Verfassungslücke ausnutzt.
In Kairo fallen sie auf zwischen den 20 Millionen Einwohnern: die Bettlerinnen, die mit ihrem syrischen Pass durch die Innenstadt gehen, oder der verzweifelte Familienvater, der in der Wechselstube eine Reisetasche voller syrischer Scheine umtauschen will. Auch am oberen Ende der Gesellschaft gibt es sie. Die reiche Vorstadt »6. Oktober«, lange als Immobilienblase mit enormem Leerstand verschrien, heißt nun »syrische Stadt« oder auch »Neu-Aleppo«, nachdem eher wohlhabende Flüchtlinge dort massenhaft recht günstig Häuser erworben haben.
Doch nicht immer erfahren syrische Flüchtlinge nur arabische Gastfreundschaft. Längst sind sie zu einem Geschäftszweig geworden – mit dem zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen werden können. Die syrische Opposition braucht Geld für ihren Kampf – und nach Jahren der Heiratskrise sehnen sich viele Ägypter nach Frauen, deren Familien kein unsagbar hohes Brautgeld verlangen. Und so kursieren in einigen Moscheen und auf Facebook Werbeplakate, die dazu auffordern, eine syrische Frau zu heiraten und so die syrische Revolution zu unterstützen: man helfe den armen, geflohenen Frauen und das Brautgeld (»Mahr«) käme dann als Spende den Revolutionären zu Gute.
Ägyptens Islamisten negieren den Menschenhandel in ihrem Land
Es handelt es sich offenbar um Revolutionäre bestimmter Weltanschauung, denn diese Art von Werbung tauchte ausschließlich in salafistisch geprägten Moscheen auf und richtet sich an ganz bestimmte Männer. Geworben wird mit »ehrenhaften«, verschleierten Frauen, etwa im Niqab. Auch für Schnäppchenjäger ist etwas dabei, einige Frauen »kosten« gerade 500 ägyptische Pfund, umgerechnet etwa60 Euro. Es handelt sich hier ohne Wenn und Aber um religiös legitimierten modernen Menschenhandel, der alten, reichen Männern erlaubt, sich eine Zweit- oder Drittfrau zu kaufen, während so gleichzeitig fragwürdige salafistische Kämpfer in Syrien mit Waffen ausgerüstet werden.
Was mit den Waffen oder dem Geld aus dem Frauengeschäft geschieht, bleibt nur zu erahnen, angesichts der Tatsache, dass salafistische Gruppen in Syrien immer mehr Terroristen und »Experten« anziehen. Die Dimension dieses Frauenhandels ist im Moment schwer einzuschätzen. Das Arabische Netzwerk für Menschenrechte und der Nationale Frauenrat gehen von über 12.000 solcher Ehen allein im letzten Jahr aus. Die beiden Organisationen forderten Justizminister Mekki zum Handeln auf.
Doch noch im Dezember 2012 lehnten die Mitglieder der Verfassungsgebenden Versammlung, allen voran die Muslimbrüder und die Salafisten-Partei Al-Nour, die explizite Nennung des Verbots von Menschenhandel in der ägyptischen Verfassung ab. Das Phänomen existiere in Ägypten schlicht nicht und müsse deshalb nicht in die Verfassung aufgenommen werden. Ein Schlag ins Gesicht für alle Frauen, die jährlich für ein paar hundert Dollar aus ägyptischen Slums an reiche Saudis verkauft werden und eine traurige Aussicht für die ohnehin schwer leidenden Flüchtlinge aus Syrien.