Mit der Tötung von Ahmed al-Jabari provoziert Israels Regierung aus wahltaktischen Gründen einen Krieg. Denn belässt es die Hamas nicht bei zeitlich begrenzten Vergeltungsaktionen, verfehlt die Militärkampagne ihr Ziel.
»Winning hearts and minds«, war die offizielle Doktrin des US-Militärs während des Irak-Kriegs – mit dem eigenen Agieren das Vertrauen der irakischen Bevölkerung gewinnen. Die israelische Regierung verfolgt in der aktuellen Eskalation mit der palästinensischen Hamas die gleiche Strategie. Nur versucht sie die eigene Bevölkerung hinter sich zu versammeln. Im Land herrscht Wahlkampf.
In Echtzeit twittern und posten Medienoffiziere der Streitkräfte auf diversen Kanälen ihre Botschaften und versuchen Medien wie Bürger über das Geschehen zu unterrichten – so weit es dem Ziel der Militärkampagne dienlich ist. Auch Medien bieten diesen Service an, doch ist im Falle der renommierten Tageszeitung Haaretz der Live-Feed hinter einer Paywall versteckt. Nur registrierte Leser haben darauf Zugriff.
Das Militär hingegen bindet seine Twitter-Follower aktiv in die Berichterstattung ein, fordert sie auf, Nachrichten zu teilen und stellt »Faktensammlungen« für Diskussionen mit Kriegsgegnern zusammen. Dieser mediale Rundumschlag ist erfolgreich, professionell und hervorragend organisiert. Vor allem zeigt er, dass sich die israelische Regierung auf die Tötung von Hamas-Militärchef Ahmed al-Jabari exzellent vorbereitet hat.
Die seit Beginn der Operation »Säule der Verteidigung«, deren hebräische Originalbezeichnung »Rauchsäule« sich wie viele israelische Militärkampagnen an einem biblischen Thema orientiert, eingeschlagenen 200 Raketen der Hamas kamen nicht überraschend. Die Eskalation war bewusst gewählt und rein politisch motiviert.
Israel tötet seine Kontaktperson bei Hamas
Über die vergangenen Monate herrschte zwischen Israel und der Hamas ein gespannter, aber anhaltender Frieden. Vereinzelte Angriffe militanter Palästinenser auf den Süden Israels gingen von Splittergruppen aus, die sich der Kontrolle der Regierungspartei Hamas zu entziehen versuchen – die wiederum zurückhaltend auf israelische Vergeltungsaktionen reagierte.
An dieser besonnenen Politik, die auch in der Freilassung Gilad Schalits vor einem Jahr mündete, war al-Jabari prominent beteiligt. Haaretz berichtete darüber hinaus von einem Friedensabkommen, an dem Jabari aktuell mit israelischen Aktivisten gearbeitet haben soll. Dass die israelische Führung nun eine ihrer Kontaktpersonen eliminiert, verwundert – zeigt aber lediglich, dass Israel seine knallhart kalkulierende Sicherheitspolitik eisern durchzieht: Die Lebensversicherung für den Milizchef war bislang, dass ihn Israel benötigte, um in Gaza für Ruhe zu sorgen.
Daran ist er aus Sicht der israelischen Regierung gescheitert – und hatte zudem wohl ausreichend Leichen im Keller, um aus ihrer Perspektive eine gezielte Tötung zu rechtfertigen. Zwar verfügt Regierungschef Benjamin Netanjahu auch durch sein jüngst geschlossenes Wahlbündnis mit der säkular-nationalistischen Israel Beitenu über eine breite Mehrheit in der Bevölkerung und muss sich um den Wahlsieg kaum Sorgen machen. Lediglich die wirtschaftlich unterentwickelten Städte der Negev-Wüste, die auch die Hauptlast jeder militärischen Konfrontation mit dem Gaza-Streifen erdulden müssen, bereiten den Parteistrategen Kopfzerbrechen.
So möchte die aktuelle Kampagne den Bewohnern Sderots und Aschkelons verdeutlichen, dass die Regierung sie nicht vergessen habe. Diese Strategie ist ein Spiel mit dem Feuer: Angesichts ausbleibender Fortschritte im Friedensprozess, dem diplomatischen Scheitern der Palästinensischen Autonomiebehörde vor der UN und dem anhaltendem Siedlungsbau im Westjordanland steigt unter vielen Palästinensern die Frustration und damit die Bereitschaft, eine weitere Eskalation mitztragen. Die würde den Drehbüchern der israelischen Armee jedoch zuwider laufen – in einem langen, dreckigen Krieg könnte Netanjahu zum Verlierer werden.