Ankara setzt erkennbar auf langfristige strategische Partnerschaften, nicht auf kurzfristige Geschäfte. Derweil vertiefen derweil Indien und Griechenland ihre Beziehungen – und nun kommt auch Zypern ins Spiel.
Eine alte Regel der internationalen Politik lautet: Der Feind meines Feindes ist mein Freund. Nach dieser Maxime entstehen derzeit im östlichen Mittelmeer und in Südasien neue Allianzen. Es sind Mosaiksteine einer sich herausbildenden geostrategischen Ordnung, die die brüchigen Strukturen der alten ersetzt.
Was das östliche Mittelmeer und Südasien eint, sind tief verwurzelte bilaterale Rivalitäten, die seit Jahrzehnten den regionalen Frieden gefährden – im Mittelmeerraum der griechisch-türkische Konflikt, in Südasien der Antagonismus zwischen Indien und Pakistan. Blutige Kriege und Pogrome, historische Traumata, Grenzstreitigkeiten, gegenseitige Feindbilder und ein Klima des Misstrauens blockieren den Weg zu Stabilität und den gemeinsamen Blick nach vorne – am Rande Südosteuropas ebenso wie auf dem südasiatischen Subkontinent.
Auf der Suche nach strategischen Partnern blicken die politischen Akteure beider Regionen zunehmend über ihre geografischen Grenzen hinaus: Während Ankara seine Beziehungen zur Islamischen Republik Pakistan systematisch ausbaut, intensivieren Griechenland – und neuerdings auch Zypern – ihre sicherheitspolitische Zusammenarbeit mit Indien, dem Gegenspieler Pakistans.
Auch Bangladesch, Indiens östlicher Nachbar, rückt ins Blickfeld der türkischen Großraumstrategie
In der neuen Weltordnung gewinnen militärische Aspekte an Bedeutung – auch im Verhältnis Ankara–Islamabad und Athen–Neu-Delhi. Als der türkische Außenminister Hakan Fidan Anfang Juli gemeinsam mit Verteidigungsminister Yaşar Güler Pakistan besuchte, standen Rüstungsprojekte im Zentrum. Laut Reuters betonte Güler die Bedeutung gemeinsamer Initiativen im Verteidigungsbereich, insbesondere in der Luftfahrt und Drohnentechnologie. Bereits im Februar hatten beide Seiten vereinbart, ihre »strategische Partnerschaft zu vertiefen, zu diversifizieren und zu institutionalisieren«. Die Türkei ist mittlerweile nach China der zweitgrößte Waffenlieferant Pakistans; etwa zehn Prozent der in Anatolien produzierten Rüstungsgüter gehen laut Medienberichten nach Pakistan.
Der Fokus auf Pakistan kann als eine Besonderheit der türkischen Außenpolitik bezeichnet werden und liegt keinesfalls im Trend: »Während sich zentrale Akteure in der islamischen Welt in ihrer Südasienpolitik zunehmend auf Indien ausrichten, baut die Türkei ihre strategischen Beziehungen zu Pakistan weiter aus«, beobachtet Harsh Pant von der indischen Denkfabrik Observer Research Foundation (ORF).
Ankaras Ambitionen beschränken sich nicht auf Pakistan. Auch Bangladesch, Indiens östlicher Nachbar, rückt ins Blickfeld der türkischen Großraumstrategie. Jüngst reiste Haluk Görgün, Präsident des staatlichen türkischen Verteidigungskonzerns SSB, nach Dhaka, wo ihm höchste politische und militärische Kreise einen aufsehenerregenden Empfang bereiteten. Thema war auch hier: Waffenkooperation – einschließlich des Aufbaus lokaler Produktionskapazitäten. Ankara setzt erkennbar auf langfristige strategische Partnerschaften, nicht auf kurzfristige Geschäfte. Indische Medien warnen bereits vor einem strategischen Dreieck Türkei–Pakistan–Bangladesch. Zusätzlich schürt der Vorwurf, Ankara und Islamabad würden über islamische Organisationen wie Moscheeverbände auch in Nepal Einfluss nehmen, anti-türkische Ressentiments.
Anlässlich eines Besuchs in der Türkei dankte der pakistanische Ministerpräsident Erdoğan für dessen »unerschütterliche Unterstützung in der Kaschmir-Frage«
In einer bemerkenswerten Parallelität der Ereignisse, man könnte fast von einer Synchronisierung sprechen, vertiefen derweil Indien und Griechenland ihre Beziehungen. Im Februar 2024 vereinbarten der indische Ministerpräsident Narendra Modi und sein griechischer Amtskollege Kyriakos Mitsotakis eine strategische Partnerschaft, wobei in der gemeinsamen Erklärung die militärische Komponente einen wichtigen Stellenwert einnimmt. Und auch Inder und Griechen belassen es nicht bei flüchtigen Geschäften, sondern bekräftigen »ihr gemeinsames Ziel, die Verteidigungszusammenarbeit auszubauen, einschließlich industrieller Kooperation und technologischer Innovation im Rüstungsbereich.« Dass es nicht bei Absichtserklärungen geblieben ist, zeigen die gemeinsamen Manöver der griechischen und indischen Marinen und höchstrangige Besuche der Streitkräfte.
In diesen Kontext fällt auch Modis Besuch in Zypern im Juni – der erste eines indischen Regierungschefs seit 20 Jahren. Entsprechend wurde der Besuch in den Medien als »historisch« gewertet. Auch hier nahm das Thema Verteidigung breiten Raum ein.
Wenn Staatsgäste aus dem Ausland zu Besuch in der Republik Zypern sind, erwarten die Gastgeber politische Unterstützung für die eigenen Positionen in der Zypern-Diplomatie. Diese Erwartungen hat Narendra Modi, im Namen der bevölkerungsreichsten Nation der Welt, in Nikosia vollumfänglich erfüllt: »Indien bekräftigt seine unerschütterliche und konsequente Unterstützung für die Unabhängigkeit, Souveränität, territoriale Integrität und Einheit der Republik Zypern«, so die Formulierung in der gemeinsamen Erklärung.
In Pakistan bewertet man die zypriotischen Entwicklungen derweil ganz anders. Für einiges Aufsehen sorgte in diesem Frühjahr die Äußerung des pakistanischen Regierungschefs Shehbaz Sharif, der in Ankara auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Präsident Recep Tayyip Erdoğan zu Protokoll gab, dass sein Land das »Volk der Türkischen Republik Nordzypern unterstützt«. Eine förmliche Anerkennung der allein von Ankara anerkannten Teilrepublik – die Griechen sprechen abfällig von »Pseudostaat« – im Norden der seit 1974 geteilten Insel ist das zwar (noch) nicht. Gleichwohl zählt Pakistan zu den engsten politischen Verbündeten der Türkei. Dass Ankara im Gegenzug die Positionen Pakistans unterstützt in Fragen, die für Islamabad essentiell sind, liegt in der Natur dieser in hohem Maße transaktionellen Beziehung. Anlässlich eines Besuchs in der Türkei dankte der pakistanische Ministerpräsident Erdoğan für dessen »unerschütterliche Unterstützung in der Kaschmir-Frage«.
Dr. Ronald Meinardus ist Senior Research Fellow bei der Hellenischen Stiftung für Europäische und Auswärtige Politik (ELIAMEP) in Athen.