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Young entrepreneurs

»Gebt den Ägyptern Marmelade!«

Feature

»Young entrepreneurs get hands on« – Unter diesem Titel diskutierten arabische Unternehmer, ein EU-Spitzendiplomat und eine deutsche Industrie-Legende über die Wirtschaft in Nordafrika. Mit einer Zauberformel für den Schluss.

In Krisenzeiten wird zuerst beim Personal gespart. Das musste auch die ägyptische Unternehmerin Riham Adel feststellen. Ihre Recruitment-Agentur »jobnile«, die sie bereits 1999 in Alexandria gründete und deren Management nur aus Frauen besteht, entließ niemanden. Inzwischen zieht die Nachfrage wieder etwas an: Vor allem in die Golfstaaten vermittelt Adel Fachkräfte – auch für den europäischen Arbeitsmarkt möchte sie nun rekrutieren: »Menschen sind unsere Ressource. Ich exportiere sie«, sagte Adel bei einer Veranstaltung in der Berliner Bertelsmann-Repräsentanz am 27. Mai 2013.

 

Adel nimmt an dem Mentoring-Programm »Class of 2013« des »Owners Forum« teil: Der Club, der weltweit führende Familienunternehmen vernetzt und sich dabei bislang eher um die Sorgen der Superreichen kümmerte, hat ein Projekt ins Leben gerufen: Junge Gründer aus Nordafrika finden Mentoren unter deutschen Unternehmer-Schwergewichten. Das Auswärtige Amt unterstützt das Projekt im Rahmen der »Transformationspartnerschaften« mit den Staaten des Arabischen Frühlings.

 

Unternehmen wie Riham Adels »jobnile« sollen so helfen, ihre von den politischen Umbrüchen gebeutelten Volkswirtschaften wettbewerbsfähiger zu machen: Sie sollen Arbeitsplätze schaffen und langfristig sozial-verantwortliches Führungspersonal befördern. »Wir glauben daran, dass Familienunternehmen oft nachhaltiger wirtschaften, weil bei ihnen Risiko und Gewinn auf derselben Seite liegen«, erklärte Paul Dietze, einer der beiden Gründer des »Owners Forum«, die Philosophie.

 

»Sie sollen uns nur machen lassen!«

 

Ein erster Blick auf die bisherigen Erfolge der Fellows der »Class of 2013« bringt die Frage auf: Brauchen solche Gründer überhaupt noch Hilfe? Die Jungunternehmer aus unterschiedlichsten Branchen sind in ihren Heimatländern bereits erfolgreich: Etwa die ägyptische Bäckereikette »Delicious Bakery« – sie verkauft frische Pâtisserie, beliefert zahlreiche Hotels und Restaurants mit ihren Waren und will jetzt auch das niedrigpreisige Segment angehen: Brot ist schließlich Ägyptens Grundnahrungsmittel. Wenn es nicht bezahlbar ist, haben Brotkrisen schon Massenunruhen ausgelöst.

 

Auch der Tunesier Ramzi el-Fekih war mit seiner innovativen Idee erfolgreich. Sein tunesisches Mobilfunkunternehmen »viamobile« bietet Bezahlverfahren per Handy an und machte im Jahr 2012 immerhin einen Jahresumsatz von einer Million Euro. Die Auswahl der Fellows zeigt: Hier geht es nicht um die Geste, sondern um die Wirkung für die Wirtschaft in Ägypten und Tunesien. Und in ihrem Alltag als Unternehmer stellen sich ihnen zahlreiche Herausforderungen – zum einen landesspezifische aber auch grundsätzliche Probleme.

 

Riham Adel und Ramzi el-Fekih kritisieren einen Mangel an wirtschaftspolitischen Entscheidungen in ihren Heimatländern. »Wenn sie uns einfach nur arbeiten ließen, würden wir es schaffen«, sagt el-Fekih: »Wir wollen vom Staat ja gar keine Hilfe.« BDI-Vizepräsident Arend Oetker, der unter anderem die Schwartauer Werke zum Weltmarktführer der Konfitüren-Kocher machte, nimmt als Mentor für zwei junge Unternehmer aus Nordafrika an der »Class of 2013« teil. Er ist seit mehr als einem Jahrzehnt mit dem Unternehmen »Hero« am Nil tätig und beschäftigt mehr als 1.000 Ägypter.

 

Mittlerweile ist Oetker auch der größte Marmeladenhersteller Afrikas und lobte bei der Diskussion am vergangenen Montag die Qualität der ägyptischen Erdbeere. Allerdings sei es eine Illusion zu glauben, Ägyptens Wirtschaft könne mit eigenen Mitteln auf die Füße kommen: »Sie brauchen nicht nur die Hilfe Europas, sondern auch die der Amerikaner und der Golfstaaten«, mahnte Oetker. Auch die Chinesen sollten sich da nicht aus der Verantwortung stehlen.

 

Dr. Oetker glaubt an die Ägypter

 

Wie die Fellows stammen auch die Mentoren aus verschiedensten Branchen und führen etablierte Unternehmen, unter ihnen etwa auch Phillipa Pauen, die Gründerin der Kinderspielzeugfirma »Wummelkiste«. Auf Seiten der Fellows ist die »New Economy« ebenso vertreten wie etwa der Neu-Erfinder eines kostengünstigen Baustoffs, der schon im Alten Orient Hochkulturen zur Geburt verhalf: ungebrannte Lehmziegel versus Stahl und Beton.

 

Der politische Spitzengast des Abends, der spanische EU-Diplomat und Sondergesandte für das südliche Mittelmeer Bernardino León, erinnerte daran, dass man auf Ägyptens berühmte Wasserwege, den Nil und den Suez-Kanal, nach wie vor zählen könne: Die ägyptische Agrarwirtschaft laufe ihrem Potenzial hinterher. »In römischer Zeit war Ägypten so reich, dass Senatoren dort ein Reiseverbot hatten, da man befürchten musste, dass sie sich die Provinz unter den Nagel reißen würden«, sagte Leon.

 

Moderator und Gastgeber Christian-Peter Hanelt, Nahost-Experte der Bertelsmann-Stiftung und Autor eines aktuellen Spotlights zur Mittelmeerpolitik, äußerte sich skeptisch, was einen europäischen »Marshall-Plan« für Nordafrika betrifft. Die Anspielung auf die deutsche Nachkriegszeit und das Wirtschaftswunder griff »Dr. Oetker« auf und empfahl eine eigene Rezeptur: »Gebt den Ägyptern Marmelade. Das ist ein Volksnahrungsmittel!«

Von: 
Mai-Britt Wulf

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