Einst gastierten Monarchen, Dichter und andere Prominente im »Palmyra«. Warum das altehrwürdige Hotel im libanesischen Baalbek zum ersten Mal seit 150 Jahren nun schließen musste, erzählt Betreiberin Rima Al-Husseini im Interview.
zenith: Frau Husseini, Ihr Hotel ist unter anderem dafür bekannt, dass Kaiser Wilhelm II. hier 1898 auf seiner Orientreise Station machte. Welche anderen berühmten Gäste stiegen im Laufe der letzten über hundert Jahre noch ab?
Rima Al-Husseini: In unserem Gästebuch, das unsere Besucher bis 1889 dokumentiert, sind so viele Namen eingetragen – da ist eine Auswahl fast unmöglich. Und den ersten Band konnte ich noch nicht mal auffinden. Herausstechen tun aber der irische Schriftsteller George Bernard Shaw (1856-1950) oder auch der französische Lyriker Jean Cocteau (1889-1963), der in Baalbek sogar zwei Mal Halt machte.
Warum Cocteau?
Er hat sich in seinem Zimmer an der Wand verewigt, unsere Besucher fragen immer wieder nach der Zeichnung. Seinem Aufenthalt gedenkt eine Ausstellung in unserem Haus, die 35 Kunstwerke umfasst. Auch das Zimmer von Charles de Gaulle erfreut sich großer Beliebtheit. Auf diese Weise versuchen wir, die Geschichte des Hotels anschaulich aufzubereiten. Selbst die Elektrik und die Sanitäranlagen sind ein Spiegel der alten Zeiten: Aufgrund der Situation im Libanon kamen wir bis heute nicht dazu, sie zu renovieren.
Wer hat das Hotel Palmyra gegründet?
Die Geschichte des Hotels begann mit Perikili Mimikakis, einem Griechen aus Istanbul. Als er Zeuge wurde, wie die royalen Karawanen auf ihrer Pilgerreise nach Jerusalem Halt in Baalbek machten, kam ihm die brillante Idee, ein Hotel zu bauen. Es gehört zu den ältesten im ganzen Nahen Osten. In diesem Jahr feiern wir unser 150-jähriges Bestehen. Und zum ersten Mal bin ich gezwungen, zu schließen.
Wie akut ist Ihr Hotel durch die Angriffe der israelischen Armee bedroht?
Anfang November traf ein direkter Einschlag ein altes Gebäude, das zurzeit Künstler beherbergt – 15 Meter von uns entfernt. Die angrenzenden Bombardements waren so heftig, dass das Hotel auch in Mitleidenschaft gezogen wurde und wie viele Schäden zu verzeichnen hatten. Seit Tagen versuchen wir, das Dach zu reparieren, bevor der Regen einsetzt.
Denken Sie, bald wieder öffnen zu können?
Deprimieren Sie mich nicht. Es ist verrückt und entsetzlich. Ich bin Dozentin für Menschenrechte und Konfliktlösung. Aber was soll ich den Leuten sagen? Wir alle sind zum Ziel geworden. Wo soll das enden?
Haben Sie überlegt, Menschen im Hotel Zuflucht zu gewähren?
Seit der letzten Explosion nebenan sind Türen und Fenster zerstört – in diesem Zustand können Menschen hier keinen Schutz finden.
Berichten zufolge haben einige Menschen bereits Unterschlupf in den angrenzenden Tempeln von Jupiter und Bacchus in den Ruinen neben dem »Palmyra« gesucht.
Für kurze Zeit, ja. Seit einigen Wochen sind Nächte aufgrund des Klimas hier in der hochgelegenen Bekaa-Ebene aber eiskalt. Seit Beginn der israelischen Invasion ist Baalbek zu einer Geisterstadt geworden. Nirgends ist man noch sicher – auch nicht in der Tempelanlage.
»Niemand weiß, welchen Schaden die darunterliegenden Steine nehmen, wenn der Boden erschüttert wird«
Wie schätzen Sie den bisherigen Schaden für das Weltkulturerbe Baalbek ein?
Niemand weiß, welchen Schaden die darunterliegenden Steine nehmen, wenn der Boden erschüttert wird. In Baalbek liegt so viel unter der Erde, dass man nie sicher sein kann, was noch verborgen ist. Bei einer Explosion werden die Steine einfach in alle Richtungen geschleudert. Das ist die Folge solcher Bombardements, wie wir sie derzeit erleben.
Ihr Hotel liegt – wie die Tempelanlage selbst – im Stadtzentrum.
Unser Hotel Palmyra ist ein Teil von Baalbek und seinen Tempeln. Die Römer und Griechen haben Baalbek nicht zufällig ausgewählt – das habe ich selbst gespürt, als ich zum ersten Mal hier war. Wenn Menschen über Baalbek sprechen, bezeichnen sie es oft als eine Festung, und viele sehen die Stadt als Bollwerk der Hizbullah. Doch in Wahrheit war es nie eine Festung, sondern eine weltoffene Stadt. Das Hotel ist ein Teil dieser Geschichte, ein kultureller Knotenpunkt.
Wie manifestiert sich das konkret?
Im Jahr 2021 starteten wir etwa das Projekt »Cuadernos de Baalbek«: Im Zentrum stehen ins Spanische übertragene arabische Gedichte. Wir organisierten Lesungen in Baalbek, auf denen jeweils die arabische und die spanische Version der Gedichte vorgetragen wurden. Immer wieder fragen mich Menschen: »Warum ein Cervantes in Baalbek?« Und ich entgegne dann: »Warum nicht?« Genau hier wird so etwas mehr gebraucht als an vielen anderen Orten.
»Wir erkannten den Charme des Hotels und entschlossen uns, das Geschäft zu übernehmen – und das mitten im Bürgerkrieg«
Was hat Sie eigentlich zum Hotel Palmyra geführt?
Das Hotel wechselte im Lauf seiner Geschichte nur zweimal den Besitzer: Zum ersten Mal von Mimikakis zu Michel Alouf, einem Schriftsteller, der 1905 ein Standardwerk zur Stadtgeschichte von Baalbek veröffentlichte, und dann zu mir und meinem Mann, Ali Al-Husseini, den ich während meines Studiums kennenlernte. Ali stammt aus einer Politiker-Familie: Sein Vater Hussein Al-Husseini, wurde bereits mit 23 Jahren ins libanesische Parlament gewählt und gehörte 1974 neben Imam Musa Al-Sadr zu den Mitbegründern der Amal-Bewegung.
Und wie landete das Hotel Palmyra in Ihrem Besitz?
Als Ali mitbekam, dass der Besitzer vorhatte, das Hotel zu verkaufen, war er entsetzt. Für die Familie Alouf waren zwar die goldenen Zeiten vorbei, aber wir erkannten den Charme des Hotels und entschlossen uns, das Geschäft zu übernehmen – und das mitten im Bürgerkrieg, im Jahr 1985. Wir haben uns entschieden, diese Tradition weiterzuführen. Seither haben stets versucht, das Hotel nicht schließen zu müssen - bis wir vor wenigen Wochen dazu gezwungen wurden. Inzwischen aber kann man bei uns wieder ein- und auskehren.
Die Stadt und die antiken Anlagen von Palmyra liegen mitten in der syrischen Wüste. Warum ist das Hotel eigentlich danach benannt?
Als der IS einnahmen und verwüstete, riefen mich ständig Leute an und fragten, wie es mir geht. Aber die Überlieferung für den heutigen Namen des Hotels lautet so: Offenbar brachte einst ein Gast die Büste von Zenobia mit, der Königin von Palmyra, die im 3. Jahrhundert den Römern die Stirn bot. Seither steht sie auf dem Kaminsims und ist Namensgeber für unser Haus.
Rima Al-Husseini