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Israelische Friedensaktivisten in Berlin

»Die Siedler von gestern sind die Minister von heute«

Feature
Israelische Friedensaktivisten in Berlin

Wie es zum politischen Aufstieg der extremen Rechte in Israel kam und was es für einen Frieden braucht – darüber diskutierten drei Israelis gemeinsam mit pro-palästinensischen Aktivisten in Berlin.

Seit mehr als elf Monaten demonstrieren die Aktivistinnen und Aktivisten von »Israelis for Peace« jeden Freitag vor dem Auswärtigen Amt in Berlin und fordern unter anderem Frieden sowie eine politische Lösung des Konflikts für Palästinenser und Israelis. Nun haben sie zu einer Podiumsdiskussion mit dem Titel »How did the extreme right take over Israel?« in den Räumlichkeiten der »Spore Initiative« eingeladen. Das Interesse war so groß, dass die Diskussion zusätzlich über einen Bildschirm für die zahlreich erschienenen Gäste im Foyer übertragen werden musste.

 

Zu Beginn der Diskussion sprachen die drei Aktivisten über verschiedene Grundpfeiler der Politik der Rechten in Israel. Der Fokus lag hier auf den Entwicklungen in den letzten 20 Jahren. Im Kontext der Zweiten Intifada (2000-2005) und dem Abzug israelischer Truppen aus dem Gazastreifen 2005 gelang es rechtsradikalen Kräften in der israelischen Gesellschaft stärker Fuß zu fassen. Dabei unterscheidet Nimrod Flaschenberg zwischen der rassistisch motivierten Ideologie der Rechten, vertreten durch Innenminister Itamar Ben Gvir, und dem religiös basierten Zionismus, der sich in den Siedlungsbauten manifestiert und vor allem durch Finanzminister Bezalel Smotrich verkörpert wird. Beide verfolgen das gemeinsame Ziel, einen unabhängigen palästinensischen Staat zu verhindern.

 

Der Abzug aus Gaza markierte einen Wendepunkt: Für die Siedler war es eine Niederlage, die sie dazu motivierte, auch auf politischer Ebene noch weiter im Sinne des Siedlungsbaus aktiv zu werden. Dies manifestierte sich in einer Institutionalisierung rechtsextremen Gedankenguts auf mehreren Ebenen: durch verstärkte Integration von Siedlern in die Armee und die Besetzung von öffentlichen Stellen mit Vertretern der politischen Rechten.

 

Zudem baute die Bewegung ihre Medienmacht aus. Heute sind mit Smotrich und Ben Gvir zwei führende Vertreter des rechtsextremen Bündnisses Teil der Regierung von Benjamin Netanyahu. Die Aktivistin Dror Sadot fasste diese Entwicklung mit den Worten zusammen: »Die Siedler von gestern sind die Minister von heute«. Als Folge dieser Entwicklung sähe man unter anderem auf Waffenstillstandsdemonstrationen Banner, die nach einem Geisel-Deal die Fortführung des Krieges fordern. Daher müssten die Massenproteste gegen Netanyahu vor dem Hintergrund betrachtet werden, dass es nicht zwangsläufig darum gehe, die Bombardierung Gazas zu beenden.

 

Der Rechtswissenschaftler Itamar Mann fokussierte sich auf die Rolle Deutschlands im Gaza-Krieg. Er kritisierte die Auslegung der deutschen Staatsräson. Die Deutschen benähmen sich wie Eltern, die ihrem Kind alles durchgehen lassen, was es anstellt. Wie auch die anderen israelischen Aktivisten forderte er ein Umdenken der Bundesregierung und einen Stopp der Waffenlieferungen. Die Aktivisten waren sich einig: Nur politischer Druck von außen auf die israelische Regierung könne den Krieg beenden und sei der einzige effektive Schritt zur dauerhaften Lösung des Gesamtkonflikts.

 

Nach den Vorträgen nutzten viele Zuhörer die Chance, ihre Fragen oder Kritik loszuwerden. Trotz emotionaler Anmerkungen wurde die Diskussion insgesamt respektvoll und auf Augenhöhe geführt. Doch es waren auch einige enttäuschte und kritische Stimmen zu hören – es fehle an einer adäquaten Einordnung und Kontextualisierung der Ereignisse. »Palästinenser werden seit über 76 Jahren systematisch diskriminiert und unterdrückt«, merkte etwa eine Zuhörerin an. Der 7. Oktober, so der Tenor, sei kein isoliertes Ereignis, sondern stehe in Kontinuität dieses Kontexts. Mehrfach diskutierten Zuhörer und Panelteilnehmer über die angemessenen Begrifflichkeiten – allen voran über die Verwendung des Begriff Genozid.

 

Im Anschluss zeigte sich Nimrod Flaschenberg mit dem Verlauf der Veranstaltung zufrieden. Dabei machte er auf eine Besonderheit aufmerksam. Als israelischer Jude habe er das Privileg, sich offen gegen den Krieg auszusprechen und auch die deutsche Haltung zu kritisieren, ohne als antisemitisch bezeichnet zu werden.

Von: 
Lara Farag und Luc Appold

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