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Interview mit libyschem Milizenführer Salah Badi

»Ich bin wie George Washington«

Interview
Interview mit libyschem Milizenführer Salah Badi
»Ich traue der UN nicht», sagt Milizenführer Salah Badi im Interview. Foto: Francesca Mannocchi

Salah Badi steht auf der UN-Sanktionsliste und lehnt Verhandlungen mit der Regierung Sarraj ab. Im Interview verteidigt er die militärische Eskalation, die Tripolis im Herbst erschütterte und will nicht als gewöhnlicher Milizenführer gesehen werden.

Seit November 2018 steht Salah Badi, der Kommandeur der Al-Sumood-Brigade, auf der Sanktionsliste des UN-Sicherheitsrats. Denn Badi war einer der Hauptprotagonisten der Kämpfe in Tripolis, bei denen im September mindestens 120 Menschen ihr Leben verloren. Im Sommer 2018 kehrte der Milizenführer aus der Türkei nach Libyen zurück, um die Offensive in der libyschen Hauptstadt zu koordinieren.

 

Salah Badi gehört zu den Schlüsselfiguren der Umbruchszeit in Libyen. Der frühere Luftwaffenpilot war einst ein treuer Gaddafi-Anhänger, fiel aber später in Ungnade. 2007 wurde er der »Verschwörung« gegen den selbst ernannten »Bruder-Führer« bezichtigt und mit einem Ausreiseverbot belegt.

 

Nach dem Sturz des Regimes 2011 hatte er zunächst eine politische Karriere eingeschlagen und einen Sitz im neu gewählten Parlament inne. Doch drei Jahre später legte er sein Mandat nieder und gehörte zu den Rädelsführern der Revolte des islamistischen Bündnisses »Fajr – Morgenröte«. Dessen Konfrontation mit den Armeeeinheiten des Generals Khalifa Haftar warf Libyen wieder zurück in den Bürgerkrieg und war maßgeblich für die Ausbreitung des Milizenwesens in dem nordafrikanischen Land verantwortlich.

 

Für zenith traf Reporterin Francesca Mannocchi Salah Badi in seinem Hauptquartier in seiner Heimatstadt Misrata.

 

zenith: Im November 2018 hat der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen Sie auf die Sanktionsliste gesetzt.

Salah Badi: Natürlich versucht die UN, die Fakten und Zahlen zu verzerren. Ghassan Salamé sagt, dass 120 Zivilisten während der Schlacht gestorben seien. Ich sage, dass Ghassan Salamé lügt. Bevor ich ihm glaube, will ich die Sterbeurkunden sehen. Die 7. Tarhouna-Brigade hat den Krieg im September begonnen, weil die Menschen schon vorher auf den Straßen gegen die Regierung demonstriert hatten. Das libysche Volk hat uns unterstützt.

 

Der UN-Sondergesandte Ghassan Salamé arbeitet an einer diplomatischen Lösung für den Konflikt in Libyen.

Ich lehne jegliche Konzessionen an und jede Einmischung aus dem Ausland ab. Ich bin nicht per se gegen Zusammenarbeit, aber es geht mir darum, dass Libyens Souveränität gewahrt bleibt. Ich bin ein Patriot, der ein neues Land und die staatlichen Institutionen frei von Korruption aufbauen will. So wie bei der Gründung von »Fajr Libya« im Jahr 2014. Damals war ich Mitglied des Nationalkongresses und legte mein Mandat nieder. Ich spürte, dass Kriminelle die Ideale der Revolution bedrohten, also entschied ich mich für die militärische Option, um etwas zu verändern. Ich glaube an den Erfolg des militärischen Weges.

 

Sie sagen, dass Sie nicht an Verhandlungen glauben. Wie sieht Ihr Plan für Libyen dann aus?

Nach dem September-Krieg war ich der Einzige, der das Waffenstillstandsabkommen von Zawiya nicht unterzeichnete. Ich traue der UN nicht. Die Lage in Libyen verschlechtert sich von Tag zu Tag. General Haftar kontrolliert den Osten des Landes und die UN den Westen, weil sie hinter der Regierung in Tripolis steht. Und diese Regierung stützt sich auf Milizen, die die Regierungsinstitutionen übernommen haben. Weder die UN noch der libysche Ministerpräsident Fayez Sarraj schaffen es, diese Gruppen entmachten – als Option bleibt also nur Krieg. Wir gaben der Regierung Zeit, Milizen wie die »Spezielle Abschreckungseinheit« (RADA) oder die »Revolutionären Garden Tripolis« (TRB) zu zerschlagen, aber die UN hat ihren Job nicht gemacht. Darum denke ich, dass der bewaffnete Kampf eine Möglichkeit ist, Druck auszuüben. Kurz nach dem Krieg im September bewegte sich ja etwas und wir konnten einige der staatlichen Institutionen befreien.

 

»So schlimm war es nicht mal unter Gaddafi.«

 

Wie stehen Sie zur Regierung unter Ministerpräsident Sarraj?

Sarraj ist nur der Bürgermeister von Tripolis, sein Wort ist außerhalb der Hauptstadt nichts wert. Er verkündet lediglich Entscheidungen, die aus dem Ausland diktiert werden. Als die Regierung an die Macht kam, wurde ihr von TRB-Chef Haytham Tajouri und RADA-Chef Abdul Raouf Kara eine »grüne Zone« angeboten. Die Regierung Sarraj legitimiert und finanziert diese Gruppen. Dieser Umgang mit den Milizen verschlechtert die Lage in Libyen noch weiter – so schlimm war es nicht mal unter Gaddafi. Sarraj ließ sie gewähren, sie sicherten die Hauptstadt für ihn und begannen folglich, staatliche Institutionen zu infiltrieren. Die Regierung ist nur eine Marionette.

 

Sie sagen, Sie wollen dem Machtmissbrauch der Milizen in der Hauptstadt ein Ende setzen. Aber sie sind doch selbst ein Milizenführer.

Ich bin ein Patriot. George Washington war ein Milizenführer und regierte nach dem Bürgerkrieg die Vereinigten Staaten. Die USA, die nun die freie Welt anführen, wurden von einem Milizenführer gegründet. Ich bin wie er. Ich bin nur ein Mann, der im richtigen Moment eingreift, um diejenigen zu bekämpfen, die mein Volk bedrohen. Mir steht keine riesige Armee zur Verfügung und ich bekomme keine Unterstützung aus dem Ausland. Im September habe ich in Tripolis 25 Lastwagen und etwa 150-200 Personen eingesetzt. Es ist eine kleine Kampftruppe, aber die Menschen stehen hinter mir.

 

»In Libyen gibt es keine Armee.«

 

Wie viele Unterstützer haben Sie?

Ich war sechs Monate lang im Ausland. Viele Leute unterschiedlicher Couleur nahmen Kontakt zu mir auf: Politiker, Rebellen und einfache Bürger waren besorgt, dass sich die Lage so verschlechtert, dass Libyen bald dem Jemen gleichen würde. Und sie hatten keinen Anführer. Zur gleichen Zeit plante die 7. Brigade eine Offensive auf die Hauptstadt. Also betrat ich die Bühne und nutzte die Gelegenheit. Ich begann, Kräfte in den Vororten aufzustellen und rief die Zivilbevölkerung auf, auf die Straße zu gehen. Ich ließ aber nicht sofort angreifen, sondern wollte, dass die Menschen zuerst demonstrieren. Denn sie unterstützen mich.

 

Sie gelten als Verbündeter der Muslimbruderschaft.

Unsere Revolution hat immer ganz verschiedene Gruppen angezogen. Die Muslimbruderschaft und die »Libysche Islamische Kampfgruppe« mag ich am wenigsten – ich lehne jeden ab, der vorgibt, im Namen des Islam zu kämpfen. Ich wusste ja, wie die ticken und welches Kalkül sie verfolgen, wenn sie sich uns anschließen wollen.

 

Was entgegnen Sie denjenigen, die sagen, dass eine einheitliche Armee die einzige Lösung ist, um gegen bewaffnete Milizen in Libyen vorzugehen?

In Libyen gibt es keine Armee. Zumindest keine Armee, die die Hauptstadt, die Regierungsinstitutionen oder die Zivilbevölkerung schützen könnte. Die Polizei und die Armee wurden von Gaddafi eingesetzt, um ihn vor der Revolution zu schützen und uns zu bekämpfen. Die einzige Lösung sind Freiheitskämpfer, so wie ich.

Von: 
Francesca Mannocchi

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