Juristin Anna Massoglia über Donald Trumps Reise Nahostreise, die Grenzen von Wirtschaftsförderung und Selbstbereicherung – und was sich die Golfstaaten von Investitionen und Geschäften in den USA erhoffen.
zenith: Im Vergleich zu seiner ersten Amtsperiode scheint Donald Trump noch mehr Geschäftsambitionen zu hegen, gerade in der Golfregion.
Anna Massoglia: Absolut. Wir beobachten eine deutlich stärker geschäftsfokussierte Agenda, die viel offener zur Schau getragen wird als zuvor. Die prominente Rolle seiner Wirtschaftsdelegation und sein Auftritt beim Investitionsforum in der vergangenen Woche waren ein deutlicher Ausdruck dieses Bestrebens. Damit wählt er eine Strategie, von der er und seine Verbündeten ganz persönlich, aber möglicherweise auch die USA profitieren könnten.
Motivieren Trump in erster Linie die eigenen Geschäftsinteressen in der Region? Oder ging es ihm auf seiner Reise an den Golf auch darum, die der von ihm selbst herbeigeführten Handelskrise durch die Zollpolitik zu begegnen?
Die Folgen der Zollpolitik haben ihn unter großen Handlungsdruck gesetzt. Mithilfe dieser Geschäfte versucht er die amerikanische Wirtschaft zu entlasten und damit ein innenpolitisches Signal der Stärke zu senden. Doch Trump profitiert auch selbst – ebenso wie Mitglieder seiner Familie, da er die Leitung seiner Firmen offiziell in deren Kontrolle übergeben hat. Aber er öffnet eben potenziell neue Profitmöglichkeiten für seine Unternehmen, die seiner Familienmitglieder oder die anderer Amtsträger, indem er die Grenzen verwischt, wann er in der Funktion des Amtsträgers auftritt und wann in der des privaten Geschäftsmannes. Ähnlich verhält es sich mit Steve Witkoff, dem US-Gesandten für den Nahen Osten und engen Partner des Präsidenten. Auch er hat die Verwaltung seiner Firmeninteressen – zum Teil in der Golfregion – auf seinen Sohn Zach Witkoff übertragen.
Nutzt Trump systematisch Grauzonen, um private Geschäftsinteressen zu verschleiern?
Definitiv. Die Marke Trump dient in einigen Kontexten als strategisches Kapital für seine Rolle als Verhandlungsführer im Nahen Osten und darüber hinaus. Dass er diesen Status auch für seine Privatgeschäfte nutzt, scheint für einen großen Teil seiner Partner und Unterstützer keinen Widerspruch darzustellen. Besonders die Demokraten in den USA mahnen, dass er es mit der Vermischung privater und öffentlicher Interessen zu weit treibt. Gerade auf die potenzielle Schenkung eines milliardenteuren Boeing-Jets durch die katarische Regierung fokussiert sich die Kritik. Die Brisanz dieses Skandals hat allerdings auch dazu geführt, dass anderen dort verhandelten Deals und Versuchen der Einflussnahme weit weniger Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Man sollte also nicht außer Acht lassen, dass die Flugzeugschenkung die Einflussnahme ausländischer Kräfte auf Trump und die USA eher versinnbildlicht. Andere strategische Investitionen und Verbindungen sind nicht minder wichtig, aber eben nicht derart öffentlichkeitswirksam.
In zahlreichen Fällen wird versucht, sich persönlich zu bereichern, indem auf politisches Insiderwissen zurückgegriffen wird«
Zeigt diese Form der Einflussnahme Wirkung? Lässt sich ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen ausländischen Investitionen oder Businessdeals seitens der Golfstaaten und US-Politik identifizieren?
In zahlreichen Fällen wird versucht, sich persönlich zu bereichern, indem auf politisches Insiderwissen zurückgegriffen wird – so im Fall der Trump-Familie oder eben auch im Kontext der Immobiliendeals der Witkoff Group in Katar und Saudi-Arabien. Wie erfolgreich das langfristig sein wird, ist noch schwer zu sagen. Es ist nicht leicht zu beurteilen, ob und inwiefern persönliche Geschäftsinteressen die Effektivität der Politikgestaltung in Amerika einschränken.
Wo liegen die rechtlichen Grenzen des Machbaren, an die Trump mit seiner Vermischung von Business und Amt stoßen könnte?
In Bezug auf seine Aktivitäten im Nahen Osten, aber auch die Einflussnahme der Golfstaaten in den USA könnte die sogenannte Vergütungsklausel (Emoluments Clause) greifen, die ausländische Schenkungen strikt verbietet. Allerdings fanden sich bereits in Trumps erster Amtszeit immer wieder Möglichkeiten, entsprechende rechtliche Vorgaben zu umschiffen.
In seiner ersten Amtszeit stritt Trump Vorwürfe eines Interessenkonfliktes vehement ab. Mittlerweile scheint er nicht mehr allzu darum bemüht, irgendetwas zu verschleiern.
Er hält sich nach wie vor an einige Regeln, etwa in Bezug darauf, dass er seine Firmen auf seine Söhne übertragen hat und sie nicht unmittelbar selbst verwaltet. Kaum einen Hehl macht er hingegen daraus, dass seine Auslandsreisen sich sehr gut mit seinen eigenen Geschäftsinteressen in der Region vereinbaren lassen. Der Unterschied zu seiner ersten Amtszeit: Damals war Trump neu im Amt und musste sich erst einmal durch die verschiedenen Interessen und Lager in den politischen Kreisen Washingtons navigieren. Mittlerweile hat er eine feste und loyale Anhängerschaft mobilisiert – und dessen ist er sich bewusst. Insgesamt hat er die Grenzen der Vermischung von öffentlichem und privatem Interesse weiter verschoben, nicht nur für sich, sondern auch für andere Amtsträger.
»Kryptogeschäfte öffnen vollkommen neue Schlupflöcher«
Diese Selbstbereicherung lässt sich also nicht nur auf Trump reduzieren?
Man könnte sagen, Trump war der erste, der die Grenzen in diesem Sinne verschoben hat. Er hat eine neue Kultur der Amtsausübung etabliert, in der man sich für persönliche Bereicherung im Grunde nicht schämen muss. Als Präsident setzt er den Maßstab für einen allgemein akzeptierten Umgang mit politischer Verantwortung. Indem er sein Amt nutzt, um eigene Profite zu erwirtschaften, ermutigt er andere Funktionsträger, es ihm gleich zu tun. Dadurch haben sich weitere Möglichkeiten ergeben, wie Grenzen mehr und mehr verschoben werden. Sei es in Bezug auf Geschäfte, die nicht unmittelbar auf den Amtsträger zurückgeführt werden können, oder eben ganz allgemein den öffentlichen Umgang damit.
Können die Golfstaaten mit ihren Investitionen und Deals tatsächlich effektiv Einfluss auf die US-Politik nehmen? Lassen sich aus bisherigen Deals bestimmte kooperationsbedingte Privilegien für diese Länder ableiten?
Die Schwierigkeit ergibt sich daraus, dass die Beeinflussung sehr nuanciert stattfindet. Es handelt sich dabei nicht um einen klassischen Fall von Quid pro Quo, in dem man eindeutig sagen kann, welcher Deal exakt auf welche Form der Einflussnahme zurückzuführen ist. Es geht mehr um den allgemeinen Zugang, um die Beziehungen, die aus bestimmten Geschäften heraus entstehen und indirekt wirken. Die Golfstaaten investieren beispielsweise viel in US-Unternehmen im KI-Bereich wie etwa Nvidia. Auf diese Weise bringen sie sich in Entscheidungsprozesse ein, daraus entsteht ein Instrument zur Einflussnahme. Und langfristig ergibt sich daraus eine bessere Verhandlungspositionen für die Golfstaaten, wenn sie etwa einen Partner in bestimmten Fragen benötigen oder um bestimmte Gefallen bitten.
Spielen politische Motive, wie eine verbesserte Verhandlungsposition, eine große Rolle oder geht es bei der Einflussnahme doch eher primär um wirtschaftliche Interessen?
Ein Stück weit gehen beide Hand in Hand. Sowohl die investierenden Firmen im Golf, als auch amerikanische Unternehmen, die diese Investitionen erhalten, versprechen sich einen wirtschaftlichen Nutzen. Aber es ergibt sich eben ein politischer Einfluss, der mit diesen Investitionsflüssen einhergeht. Partner im Nahen Osten werden indirekt Teil US-amerikanischer Infrastruktur, weil sich US-Unternehmen in ihren Finanzierungsstrategien zunehmend auf deren Investitionen verlassen. Daraus wiederum ergibt sich Verhandlungsmasse für die Golfstaaten.
Die emiratische Investmentfirma MGX hat angekündigt, über ein Kryptowährungsunternehmen unter der Kontrolle der Trump-Familie in Binance zu investieren. Droht dank intransparenter Kryptogeschäfte die Entstehung einer neuen Form schwarzer Kassen?
Eigentlich wollte die Politik unter der Biden-Regierung regulativ stärker im Bereich Kryptowährungen durchgreifen. Da die Trump-Familie selbst von einer weniger regulierten Branche profitiert, geht der Trend nun in die andere Richtung. Ihre Geschäfte öffnen also Türen für weitere undurchsichtige Geldflüsse. Ganz grundsätzlich lässt sich sagen: Es gab schon immer Formen, teils finanzieller, Einflussnahme auf das politische Geschehen. Aber ob Lobbyismus oder Fundraising – all diese Geschäfte ließen sich über offizielle Aufzeichnungen nachverfolgen. Nun aber kann über Investitionen in Geschäfte, die inoffiziell in den Händen der Trump-Familie liegen, Einfluss genommen und Beziehungen aufgebaut werden. Speziell Kryptogeschäfte öffnen vollkommen neue Schlupflöcher und schaffen damit Wege der Einflussnahme, deren Ausmaß noch gar nicht einzuschätzen ist.
Anna Massoglia