Victoria Tiemeier
Während die Ultras kurz vor dem Revolutionsjubiläum öffentliche Ausrufezeichen setzen, bleibt Ägyptens Jugend in der neuen politischen Ordnung meist außen vor. Doch das bietet auch Raum – etwa für die Neuerfindung des Privatlebens.
Ägypten fällt nicht ziellos ins Chaos. Doch die jüngste Gewalt entblößt die Mobilisierungsstrategie der Muslimbrüder. Kritik an Präsident Mursi regt sich jedoch auch in den eigenen Reihen – die Quittung dafür droht bereits Anfang 2013.
Rechte ja – aber nur soweit es die Scharia zulässt. Die Stellung der Frau in der Gesellschaft wird im neuen Verfassungsentwurf an familiäre Pflichten gebunden. Andere Artikel sind so vage, dass sie Grund zum Misstrauen bieten.
Muhammad Mursi sorgt mit seinem Regierungsdekret für einen Paukenschlag und stößt auf Empörung. Für Ägyptens Präsidenten eine Abwägung, denn mindestens genauso groß war in den letzten Wochen der Druck, endlich ein Zeichen zu setzen.
Ägyptens Salafisten fordern ihre Vorstellung von öffentlicher Ordnung ein. Ihr Zorn richtet sich gegen unverschleierte Frauen und die Bauwerke der Pharaonen. Einige schrecken vor Gewalt nicht zurück – und auch Frauen gehören zu den Tätern.
Den Protest gegen den Anti-Islam-Film nutzten viele Demonstranten, um Stärke zu zeigen oder offene Rechnungen zu begleichen. Eine besonders unrühmliche Rolle spielten die ägyptischen Medien.
In Benghazi und Kairo entlädt sich ungezügelter Volkszorn. Doch warum echauffieren sich Muslime so sehr über 13 langweilige, schlecht inszenierte Minuten – und warum müssen deswegen Menschen sterben?
Sie sprachen von Revolution, als noch keiner davon sprach, waren Triebkraft und Speerspitze der Proteste: die jungen Aktivisten der Bewegung »6. April«. Anderthalb Jahre nach der Revolution kämpft die Bewegung mit sich selbst.