Sie sprachen von Revolution, als noch keiner davon sprach, waren Triebkraft und Speerspitze der Proteste: die jungen Aktivisten der Bewegung »6. April«. Anderthalb Jahre nach der Revolution kämpft die Bewegung mit sich selbst.
Gegründet als Facebook-Gruppe zur Unterstützung eines Arbeiterstreiks am 6. April 2008 in der Industriestadt Mahalla al-Kubra nördlich von Kairo, wurde »6. April« schnell zu einer der erfolgreichsten und breitesten Bewegungen gegen das autoritäre Regime Mubaraks. 2011 spielten sie eine wichtige Rolle bei der Mobilisierung der Proteste, die dann zum Umsturz Mubaraks führten.
Auch danach engagierte sich die Bewegung junger, meist gut ausgebildeter Leute gegen die Herrschaft des Militärrats. Doch Mubarak ist nun Geschichte, der neu gewählte Präsident Muhammed Mursi hat geschickt angefangen, den Militärrat zu entmachten. Schon wenige Monate nach der Revolution im Februar 2011 führten zudem eine Reihe interner Probleme zum Bruch innerhalb der Bewegung.
Viele Aktivisten der Basis kritisierten die intransparente Entscheidungsfindung der Führung, sie wollten mehr Beteiligung der Basis und interne Wahlen. Doch der Gründer der Bewegung Ahmed Maher wies diese Forderungen zurück. »Interne Wahlen klingt super, aber ich kann nur davor warnen«, so ein Aktivist der Bewegung.
»Der Geheimdienst hat sehr viele seiner Leute in die Bewegung eingeschleust, und wir wissen nicht, wer diese Leute sind. Bei Wahlen würden sie sicher gewinnen und so die ganze Bewegung ad absurdum führen.« Fortan gab es »6. April« gleich zweimal: »6. April – Demokratische Front« und »6. April – Ahmed Maher«.
»Die Bewegung muss ihre Positionen erweitern und Grundsätze völlig überarbeiten«
Doch nicht nur organisatorische, auch politische Fragen werden zum Streitthema. Zunächst einmal war da die große Frage, ob man den neu gewählten Präsidenten, den Muslimbruder Mursi, unterstützt. Sicherlich war dieser nicht der Wunschkandidat der meisten Aktivisten der Bewegung, die wenigsten von ihnen gehören dem islamistischen Lager an.
Als Präsident Mursi sich noch die Macht mit dem Militärrat teilte, fiel die Entscheidung für die Unterstützung Mursis im Kampf für das Ende der Militärherrschaft leicht. Besonders Ahmed Maher machte sich für Mursi stark, was ihm ein Angebot für einen Posten als Berater des Präsidenten einbrachte, welches er ablehnte. Doch nun hat Mursi die Entmachtung des Militärs eingeleitet und kontrolliert seit dem Exekutive und Legislative.
Die Frage, ob man nun in die Opposition gehen sollte oder nicht, sorgt erneut für Zerwürfnisse innerhalb der Jugendbewegung. In der vergangenen Woche versuchte einer der Sprecher von »6. April – Demokratische Front«, die Bewegung in eine Partei umzuwandeln. Doch kurz vorher wurde die Pressekonferenz abgesagt, da besagter Sprecher von der Bewegung ausgeschlossen sei.
Eine Oppositionspartei der Opposition wegen wolle man nicht gründen, man wolle lieber als Bewegung Druck auf die Politik ausüben, hieß es aus Kreisen der Bewegung. Ahmed Maher reagierte empört über den Versuch, den Namen »6. April« für eine Partei zu missbrauchen. Sollte »6. April« eine Partei werden, die die Jugend der Revolution vertritt?
»Nein, ›6. April‹ ist eine Bewegung ohne einheitliche Ideologie, es finden sich Linke, Liberale und auch Konservative unter ihnen, das kann man nicht in eine Partei zwängen. Die Aktivisten sollten sich lieber in den anderen Parteien engagieren«, meint ein Aktivist.
Und ein anderer ergänzt kritischer: »Die Bewegung wurde mit dem Ziel begründet, die Diktatur Mubaraks zu beenden. Das Ziel ist erfüllt. Aus meiner Sicht hat ›6. April‹ keine Funktion mehr. Sie muss ihre Rolle ganz neu bestimmen. Natürlich kann sie weiterhin so etwas sein wie eine außerparlamentarische Opposition, aber dazu muss sie ihre Positionen erweitern und Grundsätze völlig überarbeiten.«