Seit August ist Brita Wagener Deutschlands Botschafterin im Irak. Mit zenith sprach sie über Vorurteile und Vorteile, deutsche Investitionsskepsis und den Kampf gegen die Bürokratie.
zenith: Über das vergangene Jahr hat der Irak eine sehr positive Entwicklung der Wirtschaftslage zu verzeichnen. Verknüpfen Sie das hauptsächlich mit der verbesserten Sicherheitslage?
Brita Wagener: Verglichen mit früheren Jahren hat sich die Sicherheitslage in der Tat verbessert. Dies hat einen wichtigen Teil zur wirtschaftlichen Entwicklung beigetragen, aber auch der Fortschritt bei den ökonomischen und politischen Rahmenbedingungen. Allerdings kommt es immer noch zu schweren Anschlagsserien wie zuletzt am 28. Oktober.
Weite Teile des Iraks sind heute sicher. Dennoch trauen sich nur wenige Betriebe außerhalb Kurdistans zu investieren. Sind Problemfelder, die deutsche Unternehmer heute beklagen, vor allem psychologischer Natur?
Wie gesagt – die Lage hat sich verbessert im Vergleich zu früheren Jahren, ist aber nach wie vor problematisch. Unsere Reisewarnung hat nach wie vor Bestand. Unter bestimmten Voraussetzungen sind geschäftliche Reisen in Teile des Iraks dennoch vertretbar. Auch dabei sollten jedoch die bestehenden Sicherheitsrisiken berücksichtigt werden.
Aus der deutschen Wirtschaft wird regelmäßig Kritik an der irakischen Regierung laut. Die Firmen hätten mit mangelnder Rechtssicherheit und Behördenwillkür zu kämpfen.
Bei dem Bemühen, Unternehmern Geschäftsmöglichkeiten aufzuzeigen, darf man keine falschen Vorstellungen wecken. Es gibt immer wieder Probleme, insbesondere sobald man mit Behörden zu tun hat: Manche Abläufe sind nicht klar. Zuständigkeiten nicht formuliert, Verfahren nicht einheitlich. Das wirkt sich natürlich auf die Stimmung unter den Unternehmern aus. Gleichzeitig gibt es deutsche Firmen, die – mit Unterbrechungen – seit Jahrzehnten vor Ort tätig sind.
Ist der aktuelle Aufschwung vor allem durch den irakischen Mittelstand angetrieben, oder noch immer durch die staatliche, zentral gelenkte Wirtschaft?
Der Irak ist noch immer stark durch seine Staatswirtschaft geprägt, von dem ein Großteil der für deutsche Unternehmer interessanten Projekte angeschoben werden. Den Mittelstand gibt es zwar, er ist aber noch nicht in dem Maße ausgeprägt. Das Land befindet sich gerade in einer Übergangsphase hin zu einer privat finanzierten Wirtschaft.
In welchen Branchen und im welchem Umfang können deutsche Unternehmen bei den aktuellen Privatisierungsbestrebungen der Regierung aktiv werden?
Da gibt es keine Einschränkungen. Die Chancen finden sich im gesamten wirtschaftlichen Spektrum. Besonders im Fokus steht gerade der Wiederaufbau der landesweiten Infrastruktur, wovon der Industriesektor, die Energiewirtschaft, Wohnungsbau und Landwirtschaft genauso betroffen sind wie das Gesundheits- und Bildungssystem. Auf allen Gebieten besteht im Irak ein großer Nachholbedarf.
Politische Konflikte zwischen einzelnen Landesteilen, insbesondere mit dem autonomen Nordirak, haben in den vergangenen Monaten Zweifel daran aufkommen lassen, dass diese Vernetzung aller Provinzen möglich ist.
Interne Auseinandersetzungen, wie zum Beispiel zwischen der Zentralregierung und einzelnen Provinzen, tragen immer wieder dazu bei, dass Entscheidungen nur langsam fallen. Das macht die Arbeit im Irak nicht gerade einfach. Das wissen auch viele Verantwortliche im Irak. Es ist begrüßenswert, dass es mehr und mehr Bestrebungen gibt, auch die Provinzen zu Wort kommen zu lassen, föderale Strukturen einzurichten und die rechtliche Grundlage für eine zweite Kammer – vergleichbar mit unserem Bundesrat – zu schaffen.
Seit Anfang August 2012 haben Sie Ihre Botschafterposition im Irak angetreten. Wo sehen Sie für die kommenden Jahre Ihren Handlungsschwerpunkt?
Primäres Ziel der irakischen Regierung ist, die politische Stabilität und die wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Rahmenbedingungen des Landes zu verbessern. Darin unterstützen wir sie. Das kommt am Ende deutschen Unternehmen genauso wie der Zivilbevölkerung zugute. Das Potenzial des Landes muss einfach genutzt werden.
Kann man mit gutem Gewissen einerseits Geschäfte im Irak fördern, gleichzeitig aber saubere Geschäftspraktiken einfordern? Geht das in einem Land wie dem Irak, wo ohne Korruption kaum ein Geschäft zustande kommt?
Das ist etwas, dass wir immer wieder gegenüber den irakischen Behörden deutlich machen müssen. Wenn wir unsere Werte und Vorstellungen nachdrücklich formulieren und sie gradlinig verfolgen, dann sind Geschäfte auch im Irak möglich.
Brita Wagener, 58, ist seit den 1980er Jahren im diplomatischen Dienst tätig. Nach Stationen u.a. in Kairo und Tel Aviv war die Juristin von 2009 bis 2012 Generalkonsulin in Istanbul. Seit August 2012 ist Wagener Botschafterin der Bundesrepublik Deutschland im Irak.




