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Erdöl in Liberia

Kautschuk-Schnitzel für Vattenfall

Feature

Liberia hofft auf einen ähnlichen Erdöl-Boom wie andere Länder in Westafrika. Der dringend benötigte Aufbau der Energie-Infrastruktur kann darauf nicht warten, doch er kommt nur schleppend voran.

Ein Vertreter eines Energieunternehmens war nicht dabei, als Anfang März eine deutsche Unternehmerdelegation nach Liberia reiste. Bedauerlicherweise, denn er hätte in dem westafrikanischen Land einiges an Investitionsbedarf entdecken können. In der Hauptstadt Monrovia sind nur 4.000 Haushalte an das Stromnetz angeschlossen. Die übrigen Einwohner der Millionenstadt säßen abends im Dunkeln oder müssten sich mit Generatoren behelfen, deren Brummen überall in der Stadt zu hören sei, berichtet Lena Schwoerer vom Afrika-Verein der deutschen Wirtschaft, die diese Reise organisierte. Der ärmere Teil der Bevölkerung deckt seinen Energiebedarf größtenteils mit Holzkohle. Noch unzureichender ist die Stromversorgung außerhalb Monrovias.

 

Auf der Straße nach Buchanan, einer Küstenstadt mit Containerhafen, in welcher der Stahlkonzern Arcelor Mittal ein Containerterminal für seine Eisenerzexporte betreibt, gibt es für die Delegation vor allem unberührte Natur und ein paar Lehmhütten zu sehen, außerdem die kürzlich von den Chinesen neu geteerte Straßen. Ansonsten ist keine Infrastruktur vorhanden. Buchanan selbst bietet dagegen großes Potenzial.

 

Neben Arcelor Mittal lagert das Unternehmen Buchanan Renewables seine Exportware dort. Gegründet 2007 und mittlerweile von dem Schweizer Investor Pamoja Capital übernommen, verarbeitet Buchanan alte oder im Krieg zerstörte Kautschukbäume zu Holzschnitzeln, die es als Biomasse zum Verfeuern vermarktet. In Deutschland erregte 2010 die Mitteilung des Versorgers Vattenfall Aufsehen, die Schnitzel aus Liberia für seine Kraft- werke in Europa zu importieren: Liberianisches Holz als Beitrag zur deutschen Energiewende, so warben die Schweden. Umweltschützer kritisierten das Vorhaben als absurd. Doch der Vertrag steht, so dass Vattenfall nun Mitinvestor bei Buchanan Renewables ist.

 

Für die Liberianer hat das einen negativen Nebeneffekt: Holzkohle für die eigene Bevölkerung ist in den vergangenen Jahren massiv teurer geworden, weil viele der alten Kautschukbäume exportiert werden.

 

Dennoch räumten selbst Energieexperten der Umweltschutzorganisation BUND in einer Stellungnahme ein, die Holzausfuhr könne »für das bürgerkriegsgeschädigte Liberia eine Chance darstellen«. Die Exporte brächten dem Land wichtige Einnahmen für seine wirtschaftliche Entwicklung. Außerdem habe für Liberia erklärtermaßen die Entwicklung einer »nachhaltigen energetischen Nutzung alter Kautschukbäume im eigenen Land Priorität«.

 

Zu diesem Zweck schloss Buchanan Renewables mit der Regierung in Monrovia ein Abkommen über den Bau zweier Kraftwerke mit einer Leistung von insgesamt 36 Megawatt. Die liberianische Zeitung Daily Observer kritisierte allerdings im Februar, der Bau habe noch immer nicht begonnen – obwohl der erste Strom schon 2010 hätte produziert werden sollen. In der Presse wird Buchanan Renewables vorgeworfen, die insgesamt 149 Millionen US-Dollar teuren Kraftwerke überhaupt nicht bauen zu wollen. Die deutschen Besucher zumindest sahen bei ihrem Rundgang auf dem Gelände am Hafen, auf dem auch das Kraftwerk entstehen soll, nur die Holzschnitzel für den Export, aber keine Anzeichen für einen baldigen Baubeginn.

 

Bis der Staudamm wieder Strom liefert, könnte es noch viele Jahre dauern

 

Als weiteres wichtiges Energieprojekt ist die Wiederbelebung des Mount-Coffee-Staudamms geplant. Die Kosten für die Restaurierung des in den 1960er Jahren gebauten Damms werden auf mehr als 300 Millionen US-Dollar geschätzt. Bis 1990 hatte er 64 Megawatt Strom geliefert, im Bürgerkrieg wurden jedoch alle Generatoren zerstört. Die Aufträge sollen bald ausgeschrieben werden.

 

Bis der Staudamm wieder Strom in die Städte liefern könne, werde es aber noch viele Jahre dauern, meint ein westlicher Diplomat in Monrovia. Schließlich müssten sämtliche Maschinen, Baustoffe und auch die nötigen Kenntnisse für die Wiederinbetriebnahme des Staudamms sowie den Bau neuer Stromleitungen erst importiert werden – was angesichts einer behäbigen Bürokratie ein langer Prozess werden dürfte. Auch die Ausbildung neuer Techniker für Betrieb und Wartung der Anlagen sei nicht kurzfristig zu gewährleisten.

 

Vor einem Jahr reihte sich Ghana in die Riege der Erdöl produzierenden Länder Westafrikas ein. Nun hofft auch Liberia auf einen Ölboom und die damit einhergehenden Milliardeneinnahmen. Im Land aktive Unternehmen wie African Petroleum und Chevron prophezeien große Vorkommen bester Qualität. »Wir wissen noch nicht, wie viel Öl sich auf unserem Staatsgebiet befindet, aber wir sind optimistisch«, sagt Randolph McClain, der Chef der nationalen Ölgesellschaft Nocal. Erste Bohrungen des US-Konkurrenten Anadarko verliefen allerdings so enttäuschend, dass das Unternehmen seine Erkundungen mittlerweile vor die Küste Sierra Leones verlagerte.

 

Die liberianische Regierung ist sich der Bedeutung des Themas für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes bewusst. Wenn sich das Land nachhaltig entwickeln wolle, müsse die Energie-Infrastruktur ausgebaut werden, betonte der ehemalige Vize-Industrieminister Frederick B. Norkeh im Gespräch mit den Deutschen. Potenzial habe das kleine Land mit den reichen Rohstoffvorkommen.

 

Tatsächlich bietet Liberia neben fruchtbaren, landwirtschaftlich gut nutz- baren Böden und Kautschukplantagen große Mengen Eisenerz, aber auch Gold, Diamanten, Mangan und Columbit in wirtschaftlich abbauwürdigen Mengen. Investitionschancen gibt es auch beim Wiederaufbau von Verkehrsinfrastruktur, Gesundheitswesen und Telekommunikation. Und unter der im Herbst wiedergewählten »Eisernen Lady Afrikas«, Präsidentin Ellen Johnson-Sirleaf, bietet es Investoren nach langer Zeit auch wieder politische Stabilität.

Von: 
Romy Rösner

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