Skrupellose Sicherheitsfirmen und undurchsichtige Geschäfte: Russland nistet sich im Sahel und der Zentralafrikanischen Republik ein – und droht sich die Finger zu verbrennen.
Russland baut sein sicherheitspolitisches und diplomatisches Engagement in den Ländern der Sahelzone sowie in der Zentralafrikanischen Republik (ZAR) kontinuierlich aus. Im Dezember 2020 entsandte Moskau Hunderte Soldaten und schwere Waffen nach Bangui, um den Putsch des ehemaligen Präsidenten François Bozizé zu vereiteln und die Wiederwahl von Faustin-Archange Touadéra zu gewährleisten. Außerdem stockte Russland sein Truppenkontingent auf und macht sich für die Lockerung von UN-Sanktionen gegen die ZAR stark.
Auch in den Sahel-Staaten zeigt man Präsenz. Nach den Staatsstreichen in Mali im August 2020 und im Mai 2021 verstärkt Russland sein diplomatisches Engagement. Außerdem war Moskau an der Ausbildung der Rebellen der »Front für Veränderung und Eintracht im Tschad« (FACT) beteiligt. Im April 2021 verwundeten sie den pro-französischen Präsident des Landes, Idriss Déby, bei Kämpfen tödlich.
Der Kreml verfolgt in der Region drei Ziele: Frankreich in seinem traditionellen Einflussbereich auszustechen, sich lukrative Rohstoffaufträge zu sichern und sich als Partner bei der Aufstandsbekämpfung in den Ländern des globalen Südens zu profilieren.
Es sind Ziele, bei denen Russland in den letzten Jahren beachtliche Fortschritte gemacht hat – sich aber gleichzeitig den Vorwurf gefallen lassen muss, Menschenrechte verletzt zu haben und die ohnehin fragilen Demokratien der Region weiter zu beschädigen und so letztlich den gesamten Sahel zu destabilisieren.
Eine Ausnahmegenehmigung für Waffenexporte verschaffte Russland einen entscheidenden Vorteil gegenüber den Franzosen
Ein besonders prägnanter Vorwurf: Söldner der berüchtigten Gruppe Wagner sollen sich an außergerichtlichen Tötungen beteiligt haben. So entstehen zwei widersprüchliche Trends: Das geopolitische Durchsetzungsvermögen erkauft sich Moskau mit einem Reputationsschaden, der am Ende den Einfluss Russlands in der Region begrenzen wird.
Zudem bleiben Moskaus Vorstöße auch in Paris nicht unbemerkt. Obwohl sich der französische Präsident Emmanuel Macron um eine Deeskalation bemüht, hat sich auf dem afrikanischen Kontinent eine hitzige französisch-russische Rivalität entwickelt. Ausgangspunkt dafür war die Entscheidung der Franzosen, ihre Militäroperation Sangaris in der ZAR im Oktober 2016 abzuschließen – drei Jahre hatten die Kämpfe nach dem Sturz des Langzeit-Präsidenten François Bozizé angedauert. Aus Russlands Sicht entstand damals eine ideale Gelegenheit, im Land Fuß zu fassen.
Russland nutzte sein Stimmrecht im UN-Sicherheitsrat, um Frankreich daran zu hindern, 2017 in Somalia konfiszierte Waffen in die ZAR zu liefern. Die Regierung in Bangui musste sich damals neuen Angriffen der Rebellen erwehren, die bereits am Bürgerkrieg zwischen 2013 und 2016 beteiligt gewesen waren. Zugleich stand die ZAR aber unter einem Embargo, Rüstungslieferungen mussten deshalb vom UN-Sanktionskomitee einstimmig genehmigt werden, was Russland verhinderte.
In der Folge wandte sich Touadéra direkt an den russischen Präsidenten Wladimir Putin und bat um militärische Unterstützung. Moskau bekam die Genehmigung vom UN-Komitee und durfte Kalaschnikows, Scharfschützengewehre und Granatwerfer spenden. Eine Ausnahmegenehmigung für Waffenexporte, die Russland einen entscheidenden Vorteil gegenüber den Franzosen verschaffen sollte.
Im Juni 2021 stellte Frankreich seine Zahlungen an die Regierung der Zentralafrikanischen Republik ein – Paris wirft vor allem Präsident Touadéra vor, die russische Desinformationskampagne zu unterstützen und sich zudem nicht an die Zusage zu halten, nach seinem Wahlsieg Ende 2020 den Dialog mit der Opposition zu suchen.
Unmittelbar nach dem Putsch in Mali begann Moskau, freundschaftliche Bande zu der Junta zu knüpfen
Auch in Mali büßte Frankreich unlängst Einfluss ein. Im August 2020 putschte das malische Militär mit Präsident Ibrahim Boubacar Keïta einen engen Verbündeten der Franzosen aus dem obersten Amt. Nur kurz zuvor waren zwei der Putschisten, Oberst Malick Diaw und Oberst Sadio Camara, von einer militärischen Fortbildung aus Russland zurückgekehrt. Die französisch-russische Rivalität hatte endgültig den Sahel erreicht.
Unmittelbar nach dem Putsch begann Moskau, freundschaftliche Bande zu der nun in Bamako herrschenden Junta zu knüpfen. Der russische Botschafter für Mali und Niger, Igor Gromyko – Enkel des langjährigen sowjetischen Außenministers Andrei Gromyko –, traf sich direkt mit Vertretern dieses »Nationalen Komitees zur Rettung des Volkes«.
Russland profitiert unmittelbar von der Unbeliebtheit der Franzosen in Mali. So schwenkten antifranzösische Demonstranten in Bamako, die den Putsch unterstützten, teils auch russische Flaggen. Im Herbst 2020 lief die russische Desinformationsmaschinerie auf Hochtouren, Frankreichs Rolle im Sahel wurde in der von Moskau verbreiteten Erzählung als »Afrikas Polizist« angeprangert.
Während Russlands geopolitische Interessen im Sahel und der Zentralafrikanischen Republik vor allem darin bestehen, den französischen Einfluss einzudämmen, winken auch lukrative Geschäfte. So hat die Gruppe Wagner etwa den muslimischen Séléka-Rebellen aus dem Norden der ZAR die Kontrolle über Mineralvorkommen entrissen.
Zudem hat Russland den Vorsitz im Kimberley-Prozess inne, der eigentlich den Export sogenannter Blutdiamanten verhindern soll, und nutzt diese Position, um Ausfuhrausnahmen zu erwirken. Jewgeni Prigoschin, ein enger Verbündeter Putins, der die Einsätze der Söldner auf dem afrikanischen Kontinent beaufsichtigt, hat zwei Briefkastenfirmen gegründet, um Gold- und Diamantenvorkommen in der ZAR auszubeuten: M-Finans in Russland und Lobaye Invest in der ZAR.
Guineas Geschäfte mit Russland und China sind Folge des Niedergangs der »Françafrique«
Auch im westafrikanischen Guinea sichert sich Russland den Zugriff auf Rohstoffe. Dem russischen Aluminiumriesen Rusal gehört die Bauxit-Mine Kindia. Nordgold, an dem der russische Oligarch Alexei Mordaschow 90 Prozent der Anteile hält, betreibt in Lefas eine der weltweit größten Goldminen. Der Erwerb dieser Vermögenswerte setzt Moskau in direkte Konkurrenz zu China: Beijing hat umgerechnet rund 17 Milliarden Euro an Investitionen in Guinea zugesagt – im Gegenzug für umfangreiche Abbaukonzessionen.
Guineas Geschäfte mit Russland und China sind Folge des Niedergangs der »Françafrique«, also des französischen Einflusses in seinen früheren Kolonien. Maßgeblich vorangetrieben hat diese Anbahnung Präsident Alpha Condé – doch der fiel im September dem jüngsten Staatsstreich in Westafrika zum Opfer. Der Militärputsch hat in Russland Besorgnis über die Volatilität des Aluminiumpreises ausgelöst.
Dennoch überwiegt auch hier die pragmatische Flexibilität der russischen Außenpolitik: Moskau wird der Junta in Conakry und auch Condés Nachfolger im Amt entgegenkommen, um seine Interessen zu wahren.
Seit neuestem hat Moskau einen neuen Exportschlager im Repertoire, der immer wichtiger wird, um mit den Staaten der Region ins Geschäft zu kommen: Das russische Modell der Aufstandsbekämpfung. Russlands Intervention in Syrien, die Präsident Baschar Al-Assad 2015 vor einer militärischen Niederlage bewahrte, schuf dafür die Blaupause. Die Strategie beruht auf der Maxime, dass autoritäre Stabilität das beste Bollwerk gegen Extremismus sind.
Der Kreml übertrug das »syrische Modell« auf den afrikanischen Kontext, als man auf Seiten von Touadéra in den Konflikt in der Zentralafrikanischen Republik eingriff. Der Erfolg des russischen Militäreinsatzes in Syrien sowie die Tatsache, dass sich Touadéra dank Moskaus Unterstützung in der ZAR an der Macht halten konnte, zeigten Wirkung.
Moskau profitiert von der relativen Popularität des »syrischen Modells«
Russland hat seit 2015 Verträge über militärische Kooperation mit Tschad, Gambia, Ghana, Guinea, Mali, Niger, Nigeria und Sierra Leone unterzeichnet. Es sind Abkommen, die an die Partnerschaften aus der Zeit der Sowjetunion anknüpfen und neben Polizeiausbildung und Waffenlieferungen auch Schulungen zur Bekämpfung von Terror und Piraterie umfassen.
Russland stieß bei seinen westafrikanischen Partnern auch deshalb auf offene Ohren, weil die mit eigenen Augen sahen, wie schlecht die Bilanz der französischen Anti-Terror-Operation »Barkhane« in Mali ausfällt. Eine Tatsache, die von russischen Medien immer wieder aufgebauscht wurde – etwa durch Berichte über sporadische Demonstrationen in Mali, die eine militärische Intervention Moskaus forderten.
Doch nicht immer braucht es Druck, um afrikanische Staatslenker von Moskaus Methode der Aufstandsbekämpfung zu überzeugen. Im Oktober 2019 kündigte etwa der nigerianische Präsident Muhammadu Buhari auf dem Gipfel von Sotschi die Unterzeichnung eines weiteren Abkommens zu militärischer Zusammenarbeit mit Russland an. So wie Moskau den sogenannten Islamischen Staat in Syrien in die Knie gezwungen habe, so werde Nigeria mit russischer Hilfe die Islamisten von Boko Haram zerschlagen, erklärte Botschafter Steve Ugbah in Moskau.
Auch die Regierung der Elfenbeinküste sprach sich nach dem Putsch in Mali im August 2020 für eine engere Sicherheitszusammenarbeit mit Russland aus. Moskau beabsichtigt zwar nicht, diesen Ländern materielle Hilfe zu leisten, profitiert aber von der relativen Popularität des »syrischen Modells«.
Obwohl Russlands Engagement in der Region zu greifbaren politischen Erfolgen geführt hat, fällt die Bilanz nicht durchweg positiv aus. So beteiligt sich Russland immer wieder an Aktivitäten, die dem Ruf des Kremls schaden.
Dass Moskau Instabilität im Sahel und der ZAR in Kauf nimmt, birgt Konfliktstoff im Verhältnis zu China
So ist etwa die Gruppe Wagner in der ZAR wohl an außergerichtlichen Tötungen, gewaltsamen Entführungen und Folter beteiligt gewesen – teilweise in Zusammenarbeit mit UN-Blauhelmen. Acht Personen und sieben Unternehmen, die mit Prigoschin in Verbindung stehen und in der ZAR tätig sind, wurden im September 2020 vom US-Finanzministerium mit Sanktionen belegt.
Im März 2021 verurteilte ein Expertengremium der Vereinten Nationen die Gruppe Wagner. Insgesamt sorgt die Undurchsichtigkeit des Geschäftsgebaren russischer Staatsunternehmen in Guinea und der ZAR in den Medien einiger westafrikanischer Staaten für Unbehagen.
Mit der Unterstützung des umstrittenen Präsidenten Alpha Condé in Guinea für seine Bewerbung um eine dritte Amtszeit offenbarte Russland bereits 2019 seine Strategie, gezielt Autokraten zu unterstützten. Dass Moskau Instabilität im Sahel und der ZAR in Kauf nimmt, birgt Konfliktstoff im Verhältnis zu China – denn Peking ist auf eine stabile Regionalordnung angewiesen für seine »Belt and Road Initiative« (BRI).
Auch die Bereitschaft Moskaus, mit den Séléka-Rebellen in der ZAR zu sprechen, stieß in Beijing auf Unverständnis. Zudem fiel Chinas Reaktion auf den Staatsstreich in Mali im August 2020 wesentlich pessimistischer aus als die des Kreml.
So wächst der Druck auf Russland, sein Image in der Region aufzupolieren. Parallel zu Desinformationskampagnen und militärischer Unterstützung bei der gewaltsamen Bekämpfung von Aufständen investiert Moskau deshalb in Bildungs- und Gesundheitsprojekte. Im Januar 2019 etwa stellte der staatliche russische Kernenergieriese Rosatom Stipendien für angehende nigerianische Ingenieure bereit.
Insgesamt betrachtet ist die russische Vakzin-Diplomatie weit hinter ihren Ankündigungen zurückgeblieben
Russland macht in der Region zudem ausgiebig von seiner Impfstoffdiplomatie Gebrauch. Rusal koordinierte in Guinea etwa die Verteilung von Ebola-Impfstoff sowie des Covid-19-Vakzins Sputnik V.
Dieser Versuch, die eigene »Soft Power« zu stärken, erinnert dabei an die Bemühungen der Sowjetunion, die »Herzen und Köpfe« der Afrikanerinnen und Afrikaner zu gewinnen. Doch insgesamt betrachtet ist die russische Vakzin-Diplomatie weit hinter ihren Ankündigungen zurückgeblieben.
Bislang sind zum Beispiel nur 20.000 der zugesagten 3,2 Millionen Sputnik-Dosen an Ghana geliefert. Ein Problem für das Ansehen Russlands auch in den Ländern der Sahel und der ZAR. Erschwerend hinzu kommt der strategische Rückzug der Franzosen aus der Region – die Erzählung vom französischen Neokolonialismus ist so kaum aufrechtzuerhalten.
Drei Jahrzehnte nach dem Kollaps der Sowjetunion tritt Russland in der Sahelzone und der Zentralafrikanischen Republik erneut als Großmacht auf. Moskaus Präsenz im Bergbausektor, seine militärischen Kooperationsabkommen sowie der Rückzug sowohl von Frankreich als auch den USA erlauben es dem Kreml, in dieser Weltregion seine Agenda aktiv zu gestalten.
Ob diese Entwicklung nachhaltig ist, hängt auch davon ab, ob Russland mit dem Einsatz privater Sicherheitsunternehmen und undurchsichtigen Handelsgebaren weiterhin durchkommt.
Samuel Ramani ist Doktorand an der Fakultät für Politik und Internationale Beziehungen der Universität Oxford. Sein Forschungsschwerpunkt liegt auf Russlands Außenpolitik im Nahen Osten, insbesondere in den Bürgerkriegen in Syrien und Jemen.