Seit 2000 sitzt der israelische Beduine Ouda Tarabin wegen Spionage in ägyptischer Haft. Nach der Revolution tauschte der Militärrat zahlreiche Gefangene mit Israel aus – nur Tarabin blieb. Sein Anwalt Izhak Melzer klagt an.
Anfang März verbrachte der israelische Beduine Ouda Tarabin seinen 135. Monat in ägyptischer Haft. Üblicherweise steht Häftlingen nach Verbüßung von 75 Prozent der Haftstrafe eine Entlassung auf Bewährung zu, eine Praxis, die das ägyptische Innenministerium schriftlich bestätigte. Da Ouda Tarabin im Dezember 2000 verhaftet und zu einer 15-jährigen Haftstrafe verurteilt wurde, hätte die Haftaussetzung seit dem 5. März eintreten müssen. Doch nichts geschah.
Er war 19 Jahre alt, als er per illegalem Grenzübertritt am 3. Dezember 2000 über den Sinai nach Ägypten einreiste, um seine Schwester zu besuchen. Zwei Tage später wurde er von der Polizei verhaftet, die ihn an den militärischen Geheimdienst übergab. Zu einem Zeitpunkt informierten ihn seine Befrager, dass Ouda Tarabin, wie auch sein Vater zu 15, beziehungsweise 25 Jahren Gefängnis wegen Spionage verurteilt worden seien. Das Urteil sei bereits im März 2000 und in Abwesenheit beider gesprochen worden sein. Seitdem hat Tarabin kein geordnetes Verfahren erhalten. Weder eine Berufung, Neuverhandlung oder ordentliche Vertretung durch einen Anwalt war zulässig.
Ägyptische Medien berichteten darüber, dass er versucht habe, einen ägyptischen Cousin für den israelischen Geheimdienst zu rekrutieren. Dieser habe anschließend die ägyptischen Sicherheitskräfte informiert. Da niemand Zugang zu den Prozessunterlagen und der Anklageschrift hat, bleibt es unklar, ob diese Beschuldigungen zutreffend sind. Als Anwalt Ouda Tarabins versichere ich, dass er keinerlei Beziehung zur israelischen Armee wie auch den Geheimdiensten hat.
Amnesty: »Es gibt keine Urteilsbegründung«
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hat mehrfach auf die Lage Tarabins hingewiesen: »Die Behörden konnten bislang keine Kopie der Urteilsbegründung vorlegen. Es bleibt unklar, ob Tarabin eine geordnete Haftstrafe verbüßt, oder auf unbestimmte Zeit in Gewahrsam genommen wurde. Eine Anfrage von Amnesty International an den ägyptischen Innenminister wurde nicht beantwortet.«
Vor einigen Monaten organisierten Ägypten und Israel einen Gefangenenaustausch, bei dem der wegen Spionageverdacht festgenommene Israeli Ilan Grapel im Tausch gegen 25 ägyptische Beduinen in israelischer Haft freigelassen wurde. Entgegen erster medialer Ankündigungen des Obersten Militärrates verblieb Tarabin weiterhin im Tora-Gefängnis südlich von Kairo.
Am 17. Dezember 2011 veröffentlichte die ägyptische Tageszeitung Al-Ahram unter dem Titel »Ein Spion und der Sohn eines Spions« eine dreiseitige Geschichte über Ouda Tarabin und dessen Vater, der nach dem Sechstagekrieg tatsächlich für Israel spionierte, dafür vor seiner Auswanderung nach Israel jedoch nie belangt wurde. In dem Zeitungstext wurde eine Quelle aus Sicherheitskreisen zitiert, der zufolge Israel einen angemessenen Preis für Tarabin zu zahlen habe. Gleichzeitig betonte die Quelle, dass Israel eine Freilassung Tarabins nie offiziell gefordert habe.
Diese Information erscheint unglaubwürdig, bedenkt man, dass bereits mehr als einmal israelische Delegationen nach Kairo gereist sind, um seine Freilassung zu verhandeln. Obwohl die Inhalte der Gespräche bislang nicht bekannt geworden sind, kann ich meinen Kenntnissen nach davon ausgehen, dass Israel die Freilassung sämtlicher ägyptischer Beduinen in israelischer Haft für Tarabin angeboten hat.
Beduinische Familien fordern Gefangenenaustausch
Betroffene beduinische Familien, deren Angehörige in Israel inhaftiert sind, fordern inzwischen lautstark einen Gefangenenaustausch. Einem Zeitungsartikel zufolge drohten sie sogar, israelische Staatsbürger zu kidnappen, sollte dies eine Lösung des Konfliktes beschleunigen. In einem Statement der ägyptischen Armee vom 26. Februar 2012 an diese Familien machte man das Nachbarland für die Stagnation verantwortlich: Gerne würde man Tarabin freilassen, doch Israel habe kein Interesse an einem Austausch. Diese Information ist schlicht falsch.
So bleibt es unklar, weshalb Ägypten den Gefangenenaustausch weiter hinauszögert. Was hält Feldmarschall Tantawi davon ab, die Beziehungen zwischen Militärrat und der beduinischen Minderheit auf dem Sinai zu verbessern?