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Jawad Business Group in Bahrain

»Wir gehören fest zu diesem Land«

Feature

Emanzipationsvorbild oder »Terror-Unterstützer«? Die Jawad Business Group wird in die sozio-konfessionellen Konflikte Bahrains hineingezogen – Mobs verwüsten die Supermärkte des schiitischen Familienkonzerns.

Bis vor einem Jahr war die Jawad Business Group eines der Vorzeigeunternehmen des bahrainischen Staates. »Seht her – auch schiitische Geschäftsleute können hier erfolgreich sein«, hätte der Slogan einer Marketingkampagne heißen können. Doch in diesen Tagen weiß Amir Jawad, Vorstandsmitglied des Familienunternehmens, das die größte Supermarktkette im Inselstaat betreibt, nicht, wie erwünscht seine Arbeit noch ist. Seitdem der Aufstand mehrheitlich schiitischer Bevölkerungsteile, insbesondere in der Hauptstadt Manama vom Militär blutig niedergeschlagen wurde, sehen sich schiitische Unternehmer Angriffen ausgesetzt.

 

Nachdem vergangene Woche sieben Polizisten durch eine Bombe verletzt wurden, stürmten in den Tagen danach Mobs mehrere Supermärkte der Jawad Group und verwüsteten die Inneneinrichtung. In einer Pressekonferenz sprach Amir Jawad von einer »systematische Serie von Angriffen«. Auch vor dem Firmenhauptquartier in Manama hätten Dutzende randaliert. »Sie nutzten dafür Eisenstangen und Holzbretter«, so Jawad.

 

Insbesondere ein Überfall auf einen Kleinmarkt in der Dorfgemeinschaft Nuwaidrat am 10. April erregt schiitische Aktivisten. Auf Youtube eingestellte Aufnahmen mehrerer Überwachungskameras zeigen, wie die eintreffende Polizei Randalierer teils mit einem freundschaftlichen Klaps auf den Rücken aus dem Laden bittet. Die Echtheit der Aufnahmen kann nur schwer überprüft werden, die gezeigten Szenen decken sich jedoch mit den Aussagen mehrerer Augenzeugen.

 

In vielen Internetforen wurden diese Bilder zum Anlass genommen, dem Innenministerium eine Steuerung der Ausschreitungen zu unterstellen. Die schiitische Wefaq-Partei, die eine treibende Kraft hinter den Protesten vom vergangenen Jahr war und die in Folge sämtliche Abgeordneten aus dem Parlament abzog, verlangte eine Klärung der Vorfälle: »Die Sicherheitskräfte haben ihre Pflicht verletzt. Sie haben die Angreifer nicht davon abgehalten, Bürger anzugreifen.« In einer Presseerklärung bestätigten Regierungsbehörden Übergriffe auf mehrheitlich schiitische Ortschaften. Nach einer illegalen Versammlung seien in Nuwaidrat mehrere Lebensmittelgeschäfte und Autos zerstört worden, so das Ministerium.

 

Aktivisten rufen zum Boykott auf

 

Ein Grund, weshalb insbesondere die Jawad-Supermärkte im Fokus der Randalierer stehen, liegt in dem hartnäckigen Gerücht, das Unternehmen habe während der Aufstände 2011 Demonstranten mit kostenlosen Nahrungsmitteln versorgt. CEO Faisal Jawad sah sich gezwungen, auf die Vorwürfe in einem Interview mit der regierungsnahen Zeitung Gulf Daily News am 13. April 2012 zu reagieren: »Es waren viele Geschichten im Umlauf, doch ich kann mit aller Gewissheit sagen, dass wir in keiner Weise an der Versorgung beteiligt waren«, so Jawad. »Die Menschen sind wütend und vielleicht hat sich manche Wut in der Beschädigung unserer Geschäfte ausgedrückt«, ergänzte er beinahe verständnisvoll.

 

Zeitgleich diskutierten sunnitische Aktivisten über Twitter einen möglichen Boykott der Unternehmensgruppe. Jawad sei als Unterstützer der Proteste für den volkswirtschaftlichen Schaden mitverantwortlich, so einige Stimmen. In einer E-Mail-Aktion wurden internationale Vertragspartner der Jawad Business Group aufgefordert, alle Geschäftsbeziehungen einzustellen. Jawad betreibt zahlreiche Franchisefilialen für bekannte Marken wie Burger King oder Avis in Bahrain. Dass das Geschäft derzeit »rund 25 Prozent unter Normalwert« laufe sei der allgemeinen Wirtschaftslage geschuldet, mit der alle Firmen zu kämpfen hätten, so Faisal Jawad.

 

Die Boykottaufrufe seien ihm bekannt, Sorgen bereiteten sie ihm jedoch nicht, erklärte der Unternehmenschef im Interview. »Wir sind ein bahrainisches Unternehmen und gehören fest zu diesem Land.«

 

Während die einflussreichen Staatsbetriebe des Königreichs meist von Mitgliedern der Herrscherfamilie geführt werden, haben Schiiten oft nur begrenzte Aufstiegschancen. In der Privatwirtschaft hingegen spielen sie eine deutlich größere Rolle. Durch die jahrzehntealte berufliche Benachteiligung, außerhalb des Staatsdienstes tätig sein zu müssen, haben sie aus dem Kleinunternehmertun heraus ebenfalls einzelne Unternehmerdynastien hervorgebracht. Gleichwohl trieb dieser Umstand die ökonomische Marginalisierung der schiitischen Bevölkerungsmehrheit voran.

Von: 
Nils Metzger

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