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Kenia, Libanon, Jordanien, Indien, Winter

Den Tätern auf der Spur, Frost am Bosporus und berauschende Ü-Eier

Feature

Was war diese Woche los? Was wurde nicht geschrieben, sollte aber berichtet werden? Jeden Freitag stellt die zenith-Redaktion diese Fragen – fünf Meldungen der Woche, heute: von Kenia bis Indien.

Kaufhaus-Massaker in Kenia: Westgate und die Ermittlungspannen

 

67 Menschenleben kostete das blutige Attentat auf das Westgate-Einkaufszentrum in Nairobi am 21. September. Einem Bericht der New Yorker Polizei zufolge, der am Dienstag veröffentlicht wurde, soll der Anschlag von nur fünf Mitgliedern der somalischen Al-Shabaab-Milizen ausgeführt worden sein. Dieser Schluss widerspricht der Vermutung der kenianischen Ermittler, die von bis zu 15 Tätern ausgegangen waren.

 

Dem US-Bericht zufolge wurden die Täter zuletzt am 22. September um 0:54 Uhr und damit 12 Stunden nach Beginn der Schießereien gesichtet, aufgenommen von der Überwachungskamera des Einkaufszentrums. »Man weiß nicht, ob die Terroristen getötet wurden oder aus dem Einkaufszentrum entkommen konnten«, steht im Bericht. Diese Unsicherheit sei vor allem darauf zurückzuführen, dass es nicht gelungen sei, eine gesicherte Zone um die Mall herum zu errichten.

 

Dieser Befund könnte noch für einigen Aufruhr sorgen: Obwohl kenianische Sicherheitsbehörden behaupteten, dass die Attentäter in einem finalen Aufeinandertreffen mit den Kommandos starben, war in den nationalen Medien bereits länger spekuliert wurden, dass diese fliehen konnten.

 

Schoko-Schmuggel: Syrische Drogenhändler im Libanon

 

Welches Kind hierzulande kennt es nicht: das vorfreudige Schütteln, das den ganz großen Wurf erhoffen lässt, das Rascheln der dünnen Aluminium-Folie, das dumpfe Aufploppen der gelben Plastikhülle und die Enttäuschung, wenn wieder nur ein hässlicher »Spielzeugschnellbausatz« zum Vorschein kommt, den man mit noch hässlicheren Stickern bekleben soll.

 

Genau diese Erfahrung wollten zwei Syrer verstörten Ü-Ei-Fans vielleicht ersparen – und wurden dafür von der libanesischen Polizei verhaftet. Sie hatten sich eine ganz besondere Überraschung für Schokoladenfreunde vom Golf ausgedacht: Captagon-Pillen, auch bekannt unter dem Namen »Fenetyllin«, eine Droge, die die Leistungsfähigkeit steigert und traditionell als Dopingmittel verwendet wird. 20.000 der Pillen, versteckt in »Kinder-Schokolade, Weihnachtsschmuck, drei gefälschten Christbäumen und einem Schneemann«, wollten die Syrer per Schiff in die Golfstaaten schmuggeln, berichtet das libanesische Nachrichtenportal Naharnet. Sicherheitskräfte machten die Drogendealer bei einer Razzia im Beiruter Vorort Dekwaneh dingfest.

 

Jordaniens Justiz: Prozess gegen Abu Qatada

 

Was lange währt, wird endlich Recht? Im Juli hat Großbritannien den radikalislamischen Prediger Omar Mohammed Othman, besser bekannt als Abu Qatada, an Jordanien ausgeliefert – nachdem der acht Jahre lang versucht hatte, seine Abschiebung zu verhindern. Jetzt begann sein Prozess vor dem Staatssicherheitsgericht in Amman. Diesem hat Abu Qatada Befangenheit vorgeworfen, weil einer der drei Richter vom Militär aufgestellt wurde.

 

Damit wurde eine Bedingung der Auslieferung gebrochen, so die Argumentation. Hauptsächlich ging es bei den langwierigen Verhandlungen der Briten mit Jordanien jedoch um Aussagen, die unter Folter erzwungen wurden und deshalb nicht als Beweismittel zugelassen werden sollen. Der Angeklagte plädierte nach Angaben von Al-Arabiya vor Gericht auf nicht schuldig. Der mittlerweile 53-jährige Abu Qatada, ein ehemaliger Vertrauensmann Osama bin Ladens, wird beschuldigt, im Jahr 1998 an einem vereitelten Anschlag gegen touristische Ziele in Jordanien beteiligt gewesen zu sein.

 

Noch im selben Jahr wurde er zu lebenslanger Haft und Zwangsarbeit verurteilt – in Abwesenheit, denn bereits seit 1993 lebte der Palästinenser aus Bethlehem mit jordanischem Pass in London, wo ihm politisches Asyl gewährt wurde. 2002 wurde er in seiner neuen Heimat erstmals festgenommen, seither verbrachte der Vater von fünf Kindern die meiste Zeit hinter Gittern.

 

Ganz in Weiß: Wintereinbruch in Nahost

 

Schneeballschlacht in der Altstadt von Aleppo? Dieser Tage kein Problem: Ein heftiger Wintereinbruch sorgt für eher untypische Bilder in den sozialen Netzwerken. Die wenigsten Syrer haben mit der kalten Zeit jedoch ihr Vergnügen: Die Temperaturen sind derzeit so frostig, dass vor allem die tausenden Flüchtlinge darunter leiden. Im Al-Marj in der libanesischen Bekaa-Ebene wurden 15 Flüchtlingszelte vom Regen weggespült.

 

Doch nicht nur in der Bürgerkriegsregion ist es derzeit eisig: In der Türkei musste am Dienstagabend sogar das Champions League-Spiel zwischen Galatasaray Istanbul und Juventus Turin wegen Hagel und Schneefall abgebrochen werden und konnte erst am nächsten Tag fortgesetzt werden, weil das Spielfeld komplett eingeschneit war.

 

Vor allem den Nordwesten des Landes hat der Winter kalt erwischt: Die Metropole Istanbul war am Mittwoch tief verschneit, die türkischen Behörden riefen dazu auf, statt den eigenen Fahrzeugen die öffentlichen Verkehrsmittel zu benutzen. Viele Straßen waren von Schneemassen blockiert. Auch im Osten der Türkei ist es bitterkalt: Dort herrschen bis zu minus 18 Grad. Ganze Dörfer werden so komplett von der Außenwelt abgeschnitten.

 

Hinduistischer Höhenflug: Wahlen stärken Nationalisten

 

Am Mittwoch wurde vom Obersten Gericht in Indien ein bahnbrechendes Urteil wieder aufgehoben, das die Homosexualität im Jahr 2009 entkriminalisiert hatte – und beförderte die gleichgeschlechtliche Liebe damit wieder zurück in die Illegalität. Die Richter verwiesen darauf, dass das geltende Gesetz erst geändert werden müsse, um Homosexualität zu erlauben. Bis dahin aber dürfte noch viel Wasser den Ganges hinunter fließen.

 

Das liegt nicht zuletzt an einer Tatsache, die hierzulande kaum zur Kenntnis genommen wurde: In der größten Demokratie der Welt finden derzeit Kommunalwahlen statt. Und die gelten als Stimmungsbarometer für die Parlamentswahlen im Frühjahr 2014. Das wohl wichtigste Zwischenergebnis lieferte am 4. Dezember der Urnengang in Neu Delhi – ein Lackmus-Test für den Kampf zwischen der regierenden Kongresspartei, die seit 15 Jahren an der Macht ist, und der Oppositionspartei Bharatiya Janata (BJP).

 

Das Endergebnis steht noch aus, doch einer Wählerbefragung des Marktforschungsinstituts »C fore« zufolge liegen die oppositionellen Hindu-Nationalisten mit 32 Prozent knapp über dem Ergebnis der Regierungspartei. Die Prognose korrespondiert mit den Ergebnissen der lokalen Wahlen in Rajasthan, Madhya Pradesh und Chhattisgarh zusammen: Auch hier konnte die BJP punkten wie lange nicht.

 

Was das Erstarken der Rechtskonservativen für Indiens Homosexuellen-Szene bedeutet, bleibt abzuwarten – der muslimischen Minderheit jedoch scheint der Stimmungsumschwung an der Urne bereits Probleme zu beschweren: Wie Al-Jazeera in dieser Woche berichtete, geben sich immer mehr indische Muslime als Hindus aus, um an Arbeitsplätze zu kommen.

Von: 
Kristina Milz

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