Eine halbe Million Menschen fliehen in der Zentralafrikanischen Republik vor marodierenden Milizen. Hilfsorganisationen vor Ort sind überfordert, die ehemalige Kolonialmacht Frankreich reagiert zögerlich und ratlos.
Stell dir vor, es ist Krieg – und niemanden interessiert’s. Die Menschen in der Zentralafrikanischen Republik fühlen sich vom Rest der Welt im Stich gelassen. Mittlerweile sind 440.000 der knapp 5 Millionen Einwohner innerhalb des Landes auf der Flucht. Eine neue Welle der Gewalt zwischen ehemaligen Regierungstruppen und Rebellen hat seit Anfang Oktober im Nordwesten des Landes neue Flüchtlingsströme in Gang gesetzt.
Allein in der Stadt Bossangoa sind 30.000 Menschen ohne Unterkunft, etliche aus dem Umland kommen hinzu. Seit die islamistisch dominierte Rebellenkoalition »Séléka« Ende März 2013 den Präsidentenpalast in der Hauptstadt Bangui eingenommen hat und Präsident Francois Bozizé ins Ausland floh, kommt das Land endgültig nicht mehr zur Ruhe. Derzeit wird es von Rebellenführer Michel Djotodia regiert, der erste Muslim in dieser Position.
Am 13. Oktober war der französische Außenminister Laurent Fabius in Bangui und wurde hoffnungsvoll in Empfang genommen. Zum Schutz der französischen Bürger sind wenige hundert Soldaten am Flughafen in der Zentralafrikanischen Republik stationiert – um zu verhindern, dass das Land außer Kontrolle gerate, wolle der ehemalige Kolonialherr nun bis Ende des Jahres seine Militärpräsenz vor Ort ausweiten. Eine reichlich euphemistisch anmutende Aussage – denn in dem Land im Herzen Afrikas herrscht das reinste Chaos.
Eigentlich ist die Zentralafrikanische Republik reich an Bodenschätzen wie Uran und Diamanten. Koloniale Ausbeutung im 19. und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts sowie Jahrzehnte der Instabilität und Korruption haben dafür gesorgt, dass von diesem potentiellen Reichtum bei der Bevölkerung nichts hängenblieb.
Hollande scheut ein Eingreifen in den Konflikt ohne UN-Mandat
Eine realistische Zustandsbeschreibung des früheren Teils von Französisch-Äquatorialafrika liest sich heute wie ein auf die Spitze getriebenes Klischee der Horrorvorstellungen vom afrikanischen Kontinent. Malaria, Aids, Hunger – die Zentralafrikanische Republik gehört zu den ärmsten Ländern der Welt. Eines von zehn Kindern stirbt bereits bei der Geburt. Hinzu kommen massive Menschenrechtsverletzungen und eine anhaltende politische Instabilität, die von rivalisierenden Rebellen- und Regierungstruppen stetig perpetuiert wird.
Nach der Flucht droht die Hungerkatastrophe
Derzeit suchen 28.000 Menschen Zuflucht in der Katholischen Mission der Stadt, was deren Kapazitäten weit übersteigt. Weitere 1.200 haben sich im Krankenhaus eingefunden: Die Hälfte des Gebäudes dient mittlerweile als provisorisches Flüchtlingscamp. Sie alle haben Schreckensszenen erlebt: Von den Kämpfern werden Dörfer niedergebrannt, Menschen auf offener Straße hingerichtet. Die »Ärzte ohne Grenzen« behandeln zurzeit vor allem Schuss- und Machetenwunden bei den eintreffenden Zivilisten: Mehr als 80 Prozent aller Operationen, die die Mediziner dort durchführen, sind direkt auf das Konfliktgeschehen zurückzuführen.