Saudi-Arabien und die VAE wenden sich ebenso ab wie lokale Verbündete, eine Wende im Krieg gegen die Huthis scheint kaum mehr möglich. Dass Jemens international anerkannte Regierung vor dem Kollaps steht, hat sie aber auch selbst zu verantworten.
Während die Huthis ihre Offensive gegen Marib fortsetzen und seit September 2021 fast vier Bezirke des Gouvernements eingenommen haben, wächst bei Beobachtern die Sorge, dass die international anerkannte Regierung unter Präsident Abd Rabbo Mansur Hadi in der Wüstenstadt östlich von Sanaa zu Fall gebracht werden könnte. Doch die Regierung verliert nicht nur im Norden gegen die Huthis, sondern ist an mehreren anderen Fronten im ganzen Land bedroht.
Im Süden bauen die nominell Verbündeten vom Südübergangsrat (STC) und dessen Unterstützer, die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), ihre Kapazitäten aus und verlegen Truppeneinheiten. An der Westküste dringt Tareq Saleh, der Neffe des ehemaligen Präsidenten Ali Abdullah Saleh, nach Taiz vor, während im Osten die von den VAE unterstützten hadramitischen Elitekräfte Hadi-Truppen unter Druck setzen.
Diese komplexe Situation ist eine Folge der gegensätzlichen Interessen der arabischen Koalitionsmitglieder im Jemenkrieg. Die ursprüngliche Intervention der arabischen Koalition unter saudischer Führung im März 2015 zielte darauf ab, die Hadi-Regierung in Sanaa wieder einzusetzen und die Huthis in ihr Heimatgouvernement Saada zurückzudrängen. Doch heute sind die Huthis stärker denn je.
Die VAE verfolgen mit Hilfe ihrer bewaffneten Verbündeten, darunter der STC, unerbittlich ihre eigenen Interessen im Südjemen. Dies hat dazu geführt, dass die Hadi-Regierung von bewaffneten Gruppen, die von den VAE unterstützt werden, in Gebieten, die sie angeblich kontrolliert, nahezu überwältigt wurde.
Gleichzeitig zögern die Saudis zunehmend, ihre Unterstützung für die Hadi-Regierung aufrechtzuerhalten, nachdem Riads Versuche gescheitert sind, die Hadi-Regierung und den STC wieder zu einer Einheitsfront gegen die Huthis zusammenzuführen. Das Abkommen von Riad hat die Zersplitterung eher noch verstärkt als verringert. Dieser Rückgang der saudischen Rückendeckung, während andere bewaffnete Gruppen weiterhin von regionalen Verbündeten unterstützt werden, lässt die Hadi-Regierung ins Hintertreffen geraten.
Die Anti-Huthi Allianz unter der Hadi-Regierung zerfällt
Das Abkommen von Riad vom November 2019 hat die Brüche innerhalb der Anti-Huthi-Allianz innerhalb der Hadi-Regierung nicht kitten können. Es war von Saudi-Arabien ausgehandelt worden, nachdem der STC die Hadi-Regierung im August 2019 aus Aden vertrieben hatte, um die Kontrolle über Institutionen und Territorium zu erlangen und ihr Unabhängigkeitsprojekt voranzutreiben. Anstatt die beiden Seiten zusammenzubringen, schwächte das Abkommen die Position der Hadi-Regierung aufgrund seiner fehlerhaften Gestaltung und der nur bruchstückhaften Implementierung weiter. Heute setzt sich Saudi-Arabien weniger energisch für die Umsetzung des Abkommens ein.
Das sah eigentlich vor, die politischen und militärischen Strukturen unter den jeweiligen Führungen durch institutionelle Mechanismen zu verbinden. Zu diesem Zweck wurde am 18. Dezember 2020 eine gemeinsame Regierung aus Hadi-Verwaltung und STC gebildet, während personelle Veränderungen im Sicherheitssektor sicherstellen sollten, dass die einheitliche Sicherheitshierarchie, wie sie auf dem Papier besteht, auch in der Realität verwirklicht wird.
Dazu gehörte die Berufung von Brigadegeneral Mutahhar Al-Shuaibi zum neuen Sicherheitschef am 29. Dezember 2020, der die Kontrolle über die Polizei in Aden zurückzugewinnen sollte. Dabei unterschätzten die Architekten des Abkommens das Engagement des STC für die Unabhängigkeit im Süden und spekulierten darauf, die Gruppe mit einer direkten Beteiligung an der Regierung besänftigen zu können. Stattdessen nutzte der STC, wie in der Vergangenheit auch, seinen Zugang zu den Institutionen nicht, um Teil des Staates zu werden, sondern um ihn für sein eigenes Projekt zu kapern. Zudem stellte der STC unter Beweis, dass er die Kontrolle über den Sicherheitssektor in Aden nicht abgeben würde.
Die Versöhnungsversuche der Saudis scheitern
Die Saudis setzten auf den Sold, um Anreize für die STC-Kräfte zu schaffen, sich in der Verwaltungsstruktur einzugliedern. Nach der Unterzeichnung des Abkommens kamen die STC-Truppen auf die Gehaltsliste der Hadi-Regierung, die nicht von den VAE, sondern von den Saudis finanziert wurde. Da dieser Schritt nicht zu einer Integration der Truppen führte, setzten die Saudis zwischen Dezember 2019 und März 2020 die Gehaltszahlungen für die STC-Truppen aus und verlangten von den militärischen Kräften des STC die Übergabe von Waffen, die sie in Aden erbeutet hatten.
Da einige STC-Befehlshaber weiterhin auf der Gehaltsliste der VAE standen, konnten sie sich einen gewissen Handlungsspielraum außerhalb der Regierungshierarchie bewahren. So wurden sie beispielsweise beschuldigt, den Umzug der Hadi-Regierung nach Aden sowie die Truppen des Innenministeriums in Lahij, Aden und Abyan zu behindern. Der STC wiederum warf den Ministern der Hadi-Regierung vor, Aden mit der Absicht verlassen zu haben, die Arbeit der Institutionen zu stören. Der STC beschwerte sich auch über unilaterale Entscheidungen und Ernennungen sowie über provokative Äußerungen einzelner Mitglieder des Hadi-Kabinetts.
Trotz des zunehmenden Drucks seitens der Saudis unternahmen weder der STC noch die Hadi-Regierung ernsthafte Anstrengungen zur Umsetzung des Abkommens. Angesichts dieser Stagnation und der Tatsache, dass die Regierungstruppen im Norden an der Grenze zu Saudi-Arabien gegen die Huthis militärisch ins Hintertreffen gerieten, schien die Hadi-Regierung als strategischer Partner im Jemen in den Augen der Saudis weiter an Wert zu verlieren.
Saudi-Arabien stellte nach und nach die Zahlung der Gehälter des Regierungstruppen ein. Ein weiterer Grund dafür war, dass man die Regierung verdächtigte, die Truppenzahlen auf den Gehaltslisten fingiert zu haben – ein Phänomen, das in der jüngsten Vergangenheit des Jemens häufiger auftrat. Es wird geschätzt, dass 70 Prozent der auf der Gehaltsliste des Verteidigungsministeriums genannten Truppen fiktiv sind.
Während die Saudis die finanziellen Zuwendungen für den Lebensunterhalt der Streitkräfte in Marib aussetzten, zahlten sie den Truppen in den Grenzgebieten und denen an der Westküste weiterhin die Gehälter aus. Dieser Mangel an Unterstützung schwächte die Hadi-Regierung drastisch – ihr fehlte nun die Glaubwürdigkeit, um sich gegen die Huthis zu stellen.
Die Golfstaaten verfolgen Eigeninteressen und treiben den Staatszerfall im Jemen voran
Dass sich die Hadi-Regierung heute in dieser schwachen Position befindet, ist auch das Ergebnis der Spaltungen innerhalb der arabischen Koalition, insbesondere zwischen Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Die widersprüchlichen Ansätze dieser Haupt- sowie die unterschiedlichen Interessen der lokalen Akteure haben zur Zersplitterung der militärischen Unterstützungsbasis der Hadi-Regierung beigetragen.
Infolgedessen drängen nicht nur die Huthis darauf, der Regierung Gebiete abzunehmen, sondern auch bewaffnete Gruppen, die von Mitgliedern der arabischen Koalition unterstützt werden. Dazu gehören neben dem STC auch die Republikanischen Garden an der Westküste sowie die Elitetruppen im Hadramaut und in Schabwa. Diese nichtstaatlichen Verbände umzingeln die Regierungstruppen und drohen, die Regierungsvertreter vor Ort abzusetzen. Sollte die das Blatt militärisch nicht zu ihren Gunsten wenden und es ihr nicht gelingen, die Belagerung von Marib zu durchbrechen, um die Verluste in Al-Baida und Schabwa wettzumachen, werden auch wichtige Gebiete etwa im Hadramaut in die Hände ihrer Gegner fallen.
Trotz ihres offiziellen Rückzugs aus dem Konflikt im Jahr 2019 haben die VAE Streitkräfte im Osten Jemens weiter unterstützt und gestärkt. Auf der Insel Sokotra, die die VAE im Sommer 2020 der Kontrolle der Regierung entrissen hatte, wurden die STC-Kräfte von der emiratischen Armee ausgebildet. Die VAE zeichneten auch für das Training der Elitetruppen von Schabwa verantwortlich, die 2017 zur Bekämpfung der Al-Qaida gegründet worden waren und sich später dem STC anschlossen. Nach Zusammenstößen zwischen den STC- und den Regierungskräften im Jahr 2019 wurden die meisten der Elitetruppen von Schabwa aus dem Gouvernement vertrieben und in der Folge im Lager Al-Alam und an der Gasanlage Balhaf stationiert.
In gleicher Weise unterstützten die VAE die hadramitischen Elitekräfte im Lager von Barschid in Mukalla. Im Westen dringen die von den VAE unterstützten Kräfte unter Tariq Saleh, die ehemaligen Republikanischen Garden, auf die Stadt Taiz vor, die wichtigste Hochburg der Regierung im westlichen Jemen.
Die Zentralbank trägt einen großen Teil der Verantwortung für die Wirtschaftskrise
Während die Mitglieder der arabischen Koalition zweifellos am Grab der Hadi-Regierung schaufeln, hat diese sich den Vertrauensverlust auch selbst zuzuschreiben. Die Proteste in Taiz, Aden und Mukalla sind bezeichnend für die katastrophale Situation der jemenitischen Bevölkerung. Angesichts des Zusammenbruchs der Dienstleistungen im ganzen Land und der Verschwendung von Staatseinnahmen durch die politische Elite des Landes im Ausland besteht unter den Jemeniten kaum Hoffnung auf eine Verbesserung der Lage.
Die Hadi-Regierung ist im Jemen abwesend, die Kabinettsmitglieder sorgen sich mehr um ihre eigenen Karriereaussichten als um das Land, dem sie eigentlich dienen sollten. Im gesamten Gebiet unter Regierungskontrolle gehören Stromausfälle zum Alltag. Dazu treiben steigende Preise für Lebensmittel sowie Wasser die Jemeniten an den Rand des Abgrunds.
Mit Beginn des Krieges sind die Ölexporte und damit die Grundlage der jemenitischen Wirtschaft fast zusammengebrochen. Das wenige noch gehandelte Öl wird aus Hadramaut ausgeführt. Die Einnahmen aus den Exporten aus Hadramaut werden in der Zentralbank deponiert und sind für Gehälter und Dienstleistungen des öffentlichen Sektors vorgesehen. In anderen Gouvernements, die der Hadi-Regierung unterstehen, werden die Einnahmen aus Steuern, Zöllen oder öffentlichen Dienstleistungen jedoch nicht an die Zentralbank abgeführt.
Insbesondere Schabwa, Marib und Al-Mahra weigern sich, ihre Einnahmen bei der Zentralbank einzuzahlen und berufen sich dabei auf die Kontrolle des STC über Aden, wo die Zentralbank ihren Sitz hat. Die Hadi-Regierung ist daher auf Zuschüsse von Geberländern, insbesondere von Saudi-Arabien, angewiesen. Das Königreich hat sich verpflichtet, zwei Milliarden US-Dollar in die Zentralbank einzulagern, um damit Treibstoffimporte und Gehälter des öffentlichen Sektors zu finanzieren. Die saudischen Ölsubventionen in Höhe von vier Milliarden US-Dollar dienten besonders der Unterstützung des Elektrizitätssektors in den von der Hadi-Regierung kontrollierten Gebieten. Während die Saudis im September 2021 ein Viertel der Ölzuschüsse an die Zentralbank überwiesen, hängt ihre weitere Unterstützung der jemenitischen Wirtschaft nun von der Reform der Zentralbank ab.
Die jemenitische Zentralbank trägt einen großen Teil der Verantwortung für die Wirtschaftskrise, da ihre Unfähigkeit, den Bankenmarkt in den befreiten Gebieten zu kontrollieren, zum starken Einbruch der Währung beigetragen hat. Ein von internationalen Experten dem UN-Sicherheitsrat vorgelegter Bericht über Korruption und Geldwäsche erwähnt die Führung der Zentralbank als Problem. Auch lokale Berichte über ein Defizit auf einigen Auslandskonten der Bank bestätigen die schwache Kapitalgrundlage der Zentralbank. Dass die jemenitische Währung mit rund 1.400 Riyal pro US-Dollar den niedrigsten Stand jemals erreicht hat, wirkt sich auf Dienstleistungen wie Stromerzeugung, Kraftstoffpreise und Lebensmittel aus.
Nach einem Fall Maribs wird sich der Konflikt im Jemen ausweiten
Sollten die Regierung ihre Verbündeten verlieren, können die verschiedenen Regionen des Jemens nicht mehr zusammengehalten werden, um eine umfassende politische Einigung zu erzielen. Momentan sieht es so aus, als könnte das Territorium zwischen mehreren bewaffneten Gruppen aufgeteilt werden, nämlich auf die Huthis im Norden und auf die von den VAE unterstützten Truppen in den südlichen Gebieten.
Es ist wahrscheinlich, dass die Kämpfe um die territoriale Kontrolle zwischen diesen Gruppen auch nach einem Zusammenbruch der Hadi-Regierung andauern. Höchstwahrscheinlich wird unter diesen Bedingungen die Landeswährung zusammenbrechen, die Dienstleistungen vollständig eingestellt, und die Löhne nicht mehr ausgezahlt werden, was die humanitäre Krise weiter verschärfen wird.
In diesem Szenario würden in Marib Hunderttausende vertrieben werden. Dazu gehören auch Menschen und Familien, die bereits vertrieben wurden und dort Zuflucht gesucht hatten. Schätzungen zufolge leben in dem Gouvernement derzeit eine Million Binnenvertriebene. Unter den neu angekommenen Einwohnern befinden sich viele Journalisten, Mitglieder politischer Parteien und Aktivisten, die vor der Verfolgung durch die Huthis geflohen sind. Eine Übernahme von Marib durch die Huthis wird das Leben dieser Menschen gefährden.
In Taiz wird der Machtkampf zwischen den von den VAE unterstützten Truppen unter Tareq Saleh und den mit der Islah-Partei verbundenen Regierungstruppen das Leid der Einwohner noch vergrößern. Zugleich werden die südlichen Gouvernements wie Aden und Lahidsch nicht in der Lage sein, die aus diesen Gebieten vertriebenen Menschen aufzunehmen. Das hängt nicht nur mit der ohnehin verheerenden wirtschaftlichen Lage in den südlichen Gebieten zusammen, sondern vor allem auch mit der Diskriminierung der Menschen aus dem Norden durch die STC-Kräfte. Eine weitere Destabilisierung des Hadramaut im Falle eines Zusammenbruchs der Hadi-Regierung könnte dazu führen, dass Al-Qaida die territoriale Kontrolle zurückerlangt, nachdem die Gruppe im April 2016 aus Mukalla vertrieben worden war.
Gleichzeitig suchen die Huthis nach Möglichkeiten, die aktuelle Krise zu ihrem eigenen Vorteil zu nutzen. Während sie die Stabilität der lokalen Währung mehr oder weniger aufrechterhalten konnten, versuchen die Huthis, sich als Garant von Stabilität zu präsentieren. Mit dem Versuch, die Kontrolle über Marib zu übernehmen, wollen die Huthis ihren Zugang zu den Öl- und Gasressourcen ausbauen, da die Lieferungen über den Hafen von Al-Hodaida für die von ihnen kontrollierten Gebiete nicht ausreichen.
Obwohl dieses Ziel das Risiko einer langanhaltenden Strom- und Treibstoffkrise birgt, da die Offensive in Marib zu einer Unterbrechung der Versorgung führen könnte, drängen die Huthis auf einen weiteren Vorstoß. Es ist unwahrscheinlich, dass die Huthis nach der Einnahme von Marib an der Nord-Süd-Grenze von 1990 Halt machen werden. Stattdessen wird die Gruppe nach dem Sieg in Marib versuchen, das gesamte Land zurückzuerobern.
Ahmed Al-Sharjabi ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Berliner Yemen Policy Center sowie Programmassistent am Yemen Polling Center in Taiz im Jemen. Eine englische Fassung des Textes erschien beim Yemen Policy Center.