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Luftverschmutzung in Teheran

»Lass uns voratmen!«

Feature

Teheran hat zurzeit viele Schwierigkeiten. Doch neben der Politik ist eins für die Tehranis besonders wichtig: Das Wetter. Die Einwohner der iranischen Hauptstadt haben ihre ganz eigene Art, mit der starken Luftverschmutzung umzugehen.

Im Winter ist Teherans Luftverschmutzung besonders stark. Wenn die kühle Luft weniger zirkuliert, hängt eine rotbraune Smogglocke über der iranischen Hauptstadt und lässt sie wie ein verschmutztes Treibhaus wirken. Die Stadt liegt am Hang von der Albors-Gebirgskette auf etwa 1200 Metern Höhe und kämpft gegen ihre erdrückende Smogbelastung an.

 

Selbst in den nördlichen Stadtteilen Teherans bildet man sich tatsächlich nur ein, aus dieser Smogblase heraus zukommen, obwohl diese, aufgrund der höheren Berglage, für ihre »bessere Luft« berühmt sind. Um diese zu atmen, muss man allerdings noch weit höher auf die Berge steigen.

 

Denn in den letzten Jahren hat die Luftverschmutzung stetig zu genommen. Nachdem Iran zunehmend versucht, selbst raffiniertes Benzin und Autogas zu verbrauchen, stieg die Menge an Schadstoffen, die durch die noch überwiegend alten Autos in die Luft geschossen werden. Tatsächlich mangelt es dem öl- und gasreichen Land an hochwertigen Raffinerien, was dazu führte, dass lange das meiste Benzin aus dem Ausland importiert werden musste.

 

Gleichzeitig versuchte Präsident Ahmadinejad, seine Beliebtheit zu steigern, in dem er, durch das eher populistische Versprechen, dass »jeder Iraner ein eigenes Auto« verdiene, entsprechende Vergünstigungen einführte. Nach dem Empfinden der Tehranis hat dies allerdings vor allem dazu geführt, dass die Straßen verstopfter sind und die damit entstehenden Abgase noch dichter in der der Luft hängen. Ob das wirklich so ist, kann wohl kaum jemand mit Sicherheit sagen.

 

Ein zweifelhafter Spitzenplatz

 

Die Stadtverwaltung Teherans versucht hingegen dem Verkehrschaos mit Infrastrukturprojekten zur besseren Verkehrsführung durch die Stadt und Zonen, in denen nur gerade oder ungerade Nummernschilder an bestimmten Wochentagen fahren dürfen, zu begegnen. Doch auch die Einführung von »Saubere-Luft-Tagen«, an denen unter anderem die U-Bahn- und Busfahrt kostenfrei ist, änderte nichts daran, dass die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Teheran wieder einmal auf den ersten Platz der Luftbelastungen aller Weltmetropolen setze.

 

Dabei ist Teheran, verglichen mit anderen Großstädten der Region, eigentlich eine grüne Lunge mit groß angelegten Parks, Alleen und Grünflächen, wodurch sich in Anbetracht des kohlenstoffhaltigen Überzugs der Vergleich einer lebenslangen Raucherlunge aufdrängt. Vor ähnlichen »Nebenwirkungen« warnen auch iranische Ärzte bei sportlichen Aktivitäten in der Stadt, da sich dabei die schädlichen Feinstoffe nur noch tiefer in die Lungen fressen würden. Sport im Freien ist unter anderem deswegen schon eher selten im Stadtbild zu sehen.

 

Und wenn Ausländer das erste Mal die Stadt besuchen, werden sie meist von Nasenproblemen, dem ständigen Gefühl einer leichten Erkältung oder sogar Nasenbluten heimgesucht. Zwar gewöhnt man sich daran, doch ist auch immer wieder schockiert, wenn bei guter Wetterlage die Luft ungewohnt sauber und plötzlich die Nase ungewohnt frei ist. Tehranis reagieren auf solche »freien« Tage natürlich routinierter, doch auch für sie ist es immer wieder eine Freude und Anlass in Parks zu spazieren oder in den Bergen – für den schönen Blick über Teheran – zu wandern.

 

Ein besonders schöner Ausspruch, der zwar nicht ständig, doch ab und an zu vernehmen ist, besagt, dass die Luft gerade so gut sei, dass man »voratmen« solle. Bald werde die Luft ja wieder schlecht sein. Dann lacht man und nimmt doch noch mal einen tieferen Atemzug. So ist man es in Iran gewohnt, härteren Bedingungen mit einem Lächeln zu begegnen.

Von: 
Friedrich Schulze

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