Lesezeit: 10 Minuten
Die USA und die Iran-Sanktionen

Was Trump 2.0 für Iran bedeutet

Analyse
von Lisa Neal
Iran, Israel, Naher Osten, Decrypt
Der iranische Präsident Masud Pezeshkian bei der Generalversammlung der Vereinten Nationen im September 2024 Vereinte Nationen

Während seiner ersten Präsidentschaft versuchte Donald Trump, Teheran durch harte Sanktionen so stark unter Druck zu setzen, dass die Bevölkerung einen Regimewechsel herbeiführt – ohne Erfolg. Wie sieht die Strategie in den kommenden vier Jahren aus?

Donald Trump ist kein Diplomat, sondern ein Geschäftsmann. Dabei provoziert er bewusst auf der internationalen Bühne, um maximale Aufmerksamkeit zu erhalten. Hinter dem Lärm agiert seine Administration jedoch strategisch im Sinne amerikanischer Interessen.

 

Auch für die Iran-Politik unter »Trump 2.0« gibt es eine Strategie, die vor allem auf zwei Säulen beruht: Die Sanktionsmaßnahmen werden fortgeführt und weiter verschärft, während der US-Präsident gleichzeitig signalisiert, dass er zu einem Deal bereit wäre.

 

Trump 2.0: Sanktionen als erste Säule seiner Iran-Strategie

 

Am 8. Mai 2018 setzte Donald Trump seine Androhung um und zog die USA offiziell aus dem »Atomdeal« mit Iran, dem »Joint Comprehensive Plan of Action« (JCPOA), zurück. Unmittelbar danach setzte er alle Sanktionen wieder in Kraft, die im Rahmen des JCPOA zuvor ausgesetzt worden waren. Doch dabei blieb es nicht: Trump nutzte seine präsidiale Befugnis, per Dekret weitere Maßnahmen zu verhängen. Dies markierte den Beginn eines der härtesten und umfassendsten Sanktionsregime der Geschichte, bekannt als Strategie des maximalen Drucks.

 

Die dahinterstehende Kalkulation lautete: Eine drastische Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage sollte die Iraner so weit in die Verzweiflung treiben, dass sie gegen das Regime aufbegehren, es stürzen und eine neue Regierung einsetzen. Doch dieser Plan ging nicht auf – das politische System blieb bestehen. Stattdessen verschlechterte sich die wirtschaftliche Lage der iranischen Zivilbevölkerung erheblich. In der Sanktionsforschung gilt es mittlerweile als erwiesen, dass Sanktionen allein keinen Regimewechsel herbeiführen können.

 

Iran steht seit 1979 unter US-Sanktionen; ab 2006 kamen erstmals multilaterale UN- und EU-Sanktionen hinzu. Im Jahr 2016 wurden im Rahmen des JCPOA – dem Abkommen zwischen Iran, den USA, China, Russland, Frankreich, Großbritannien, Deutschland und der Europäischen Union als Vermittlerin – die auf das Atomprogramm bezogenen Sanktionen aufgehoben. Allerdings blieben die Sanktionen wegen Menschenrechtsverletzungen bestehen.

 

Das iranische Regime und insbesondere die mächtige Revolutionsgarde haben Wege gefunden, Sanktionen zu umgehen und profitieren sogar davon. Über Schwarzmärkte und Monopolstellungen fließen erhebliche Gewinne an einflussreiche Einzelpersonen, nicht nur in Iran, sondern auch in benachbarten Ländern. Aus diesem Grund besteht von mehreren Seiten ein Interesse daran, dass die Sanktionen aufrecht erhalten bleiben.

 

Gleichzeitig instrumentalisiert das iranische Regime die Sanktionen propagandistisch und macht sie für die wirtschaftliche Misere verantwortlich. Diese Argumentation ist nicht ganz unbegründet, denn Sanktionen haben direkte Auswirkungen. Doch auch die autoritären Strukturen, Misswirtschaft und Korruption tragen erheblich zur wirtschaftlichen Krise bei und verschlechtern die Lebensbedingungen der iranischen Zivilbevölkerung massiv.

Unter »Trump 2.0« werden die Sanktionen weiter verschärft. Er hat bereits alle Ministerien angewiesen, neue Maßnahmen gegen Teheran auszuarbeiten. Hauptziel ist es, die Ölexporte – Irans wichtigste Einnahmequelle – noch drastischer einzuschränken. Damit soll dem Regime der finanzielle Spielraum genommen werden, um Technologien zur Entwicklung einer Atombombe voranzutreiben.

 

Ein zentrales Problem dabei sind die sekundären Sanktionen. Die USA bestrafen nicht nur iranische Regime-Akteure direkt, sondern auch ausländische Unternehmen, die beispielsweise mit iranischen Banken kooperieren oder Handel treiben. Diese Maßnahmen haben Irans Wirtschaft weiter geschwächt: Die Landeswährung befindet sich auf einem Rekordtief, die Inflation ist massiv gestiegen, die Not der Bevölkerung nimmt weiter zu. Laut einem Bericht des Wall Street Journal ist die Zahl der Iraner, die unter der Armutsgrenze leben, zwischen 2017 und heute von 18 Millionen auf 32 Millionen gestiegen.

 

Säule Nummer Zwei: Der Deal

 

Trump wäre nicht Trump, wenn er nicht auch einen Deal ins Spiel bringen würde. Er hat sich zum Austausch mit der iranischen Führung bereit erklärt und wäre laut ZDF sogar offen für ein persönliches Gespräch mit Irans Präsident Masud Pezeschkian. Dies wäre ein ungewöhnlicher Schritt, da es offiziell keine direkten diplomatischen Gespräche zwischen den USA und Iran gibt.

 

Doch was nach Fortschritt klingt, wird begleitet von harschen Bedingungen. Es ist zu erwarten, dass eine Trump-Regierung Forderungen stellen wird, die für Iran schwer umsetzbar sind, ähnlich wie bereits in der ersten Amtszeit. Anfangs signalisierte die iranische Führung implizit Verhandlungsbereitschaft, doch die erneuten Sanktionsandrohungen verärgerten sowohl Präsident Pezeschkian als auch den faktischen Staatschef, Ayatollah Ali Khamenei. Ohne dessen Zustimmung wird es keine Verhandlungen geben.

 

Doch die geopolitische Lage Irans hat sich deutlich verschlechtert. Die Verhandlungsposition Teherans hat sich durch die Schwächung der »Achse des Widerstands« verändert, sodass eine gewisse Bereitschaft zu Verhandlungen nicht auszuschließen ist. Eine zentrale Bedingung des iranischen Regimes für Gespräche mit den USA ist die Freigabe eingefrorener iranischer Gelder in Katar. Allerdings gibt es hierzu bislang keine neuen Entwicklungen. Gleichzeitig kündigte Teheran an, neue Zentrifugen zur Urananreicherung in Betrieb zu nehmen und präsentierte eine neue Kampfdrohne.

 

Diese Reaktionen sind widersprüchlich, da es durch Gespräche im Januar 2025 zwischen Vertretern Irans, Deutschlands, Frankreichs und Großbritanniens auch Bewegung in dieser Angelegenheit gab. Weitere Treffen sind nicht ausgeschlossen.

 

Einordnung: Was will Trump?

 

Welches Ziel wirklich hinter Trumps Doppelstrategie steckt, lässt sich nur begrenzt fassen. Klar ist, dass er keinen starken Iran will, also Teherans Aufstieg zur Atommacht verhindern will. Zugleich tritt er nicht mehr öffentlich für einen Regimewechsel in Teheran ein, sondern akzeptiert die iranische Regierung als direkten Gesprächspartner. Dann wieder macht er deutlich, dass, sollte ein »tatsächlicher Grund« vorliegen – wie beispielsweise einem Anschlag auf sein Leben – er bereit ist, Iran direkt anzugreifen.

 

Bereits in seiner ersten Amtszeit zeigte Trump, dass er nicht zögert, drastische Maßnahmen zu ergreifen. Am 3. Januar 2020 ließ er Qassem Soleimani, den iranischen General und Kommandeur der Quds-Einheit, sowie Abu Mahdi al-Muhandis, den stellvertretenden Chef der »Volksmobilisierungseinheiten« (Al-Haschd Al-Schabi), durch einen gezielten US-Drohnenangriff nahe des Flughafens von Bagdad töten.

 

Dieses Verhalten gegenüber Iran fügt sich in Trumps übergeordnete Strategie ein: Er möchte den USA weiterhin Zugang zu Ressourcen verschaffen. Dass er dabei demokratische Werte zugunsten pragmatischer Ziele beiseite schiebt, zeigt auch sein Verhalten gegenüber der Ukraine.

 

Wie sich die Beziehungen zwischen den USA und Iran entwickeln, hängt von weiteren Faktoren ab. Trump setzt auf die Stärkung regionaler Allianzen, insbesondere mit Israel, was wiederum für das iranische Regime bedrohlich ist. Mit dem Ende des von Iran unterstützten Assad-Regimes in Syrien verliert Teheran einen wichtigen regionalen Verbündeten und schwächt somit seine Position. Sowohl die USA als auch Iran bemühen sich um eine Annäherung an Russland unter Putin, was für China wiederum keine guten Nachrichten sind.

 

Einschätzungen aus Iran

 

Anonymisierte Stimmen aus dem Land, die ein Kollege der Autorin gesammelt hat und der Redaktion vorliegen, zeichnen ein differenziertes Bild: Die Studentin Sarah*, die sich aktiv an den »Frau-Leben-Freiheit«-Protesten beteiligt hat, hält einen neuen Deal für wahrscheinlich. Sie sieht darin jedoch langfristig eine Gefahr: »Langfristig wird dies sicherlich der Demokratiebewegung in Iran schaden, denn der Westen wird sich mit einem Rückzug des iranischen Atomprogramms zufriedengeben, anstatt das Regime wegen Menschenrechtsverletzungen unter Druck zu setzen. Das wird den Machthabern freie Hand bei der Unterdrückung lassen.«

 

Dass Trumps Politik bereits jetzt negative Auswirkungen auf die Zivilgesellschaft hat, zeigt sich am 90-Tage-Stopp der Aktivitäten der Entwicklungsagentur USAID. Laut Zeit Online fallen dadurch Finanzierungen für IT-Organisationen weg, insbesondere für Anbieter von VPN-Diensten, die für viele Iraner überlebenswichtig sind. Diese Dienste ermöglichen eine sichere Kommunikation und den Zugang zu nichtstaatlichen Medien, was in einem autoritären Regime von essenzieller Bedeutung ist.

 

Andere blicken etwas optimistischer auf die Möglichkeit neuer Verhandlungen, da »eine Entspannung mit dem Westen oft mit einer leichten Öffnung des politischen Raums im Inland einhergeht«, glaubt die Lehrerin Maryam*.

 

Der Sturz des Assad-Regimes hatte bei manchen die Hoffnung geweckt, dass auch das iranische Regime zu Fall gebracht werden könnte. Allerdings sind die Strukturen, Machtverhältnisse und Bedingungen in beiden Staaten unterschiedlich. Solange Ayatollah Khamenei am Leben ist, wird sich am System vermutlich wenig ändern, so die Einschätzung von Babak*, der während der »Frauen-Leben-Freiheit«-Proteste verhaftet worden war.

 

Mahtab* kommt zu dem Schluss, dass das Regime alles tun wird, um sich an der Macht zu halten und sich Vorteile zu sichern. Dafür würde es sowohl mit Russland, China als auch mit dem Westen verhandeln. »Es zieht sich nicht wirklich zurück, sondern verhandelt, während es seine regionalen Aktivitäten so weit wie möglich fortführt – solange die wirtschaftliche und politische Lage dies zulässt.«


* Die Namen von Personen wurden zum Schutz ihrer Identität geändert.

Von: 
Lisa Neal

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