Lesezeit: 8 Minuten
Verhandlungen zwischen Washington und Teheran

Ein neues Atomabkommen zwischen Iran und den USA?

Analyse
von Lisa Neal
Verhandlungen zwischen Washington und Teheran
Irans Außenminister Abbas Araghchi (l.) zu Gast bei seinem omanischen Amtskollegen Badr Al-Busaidi IRNA

Dreimal haben sich Unterhändler der USA und Irans in den vergangenen Wochen zu indirekten Gesprächen getroffen. Doch wie wahrscheinlich ist ein neuer Deal über Irans Atomprogramm tatsächlich?

Die neuen Verhandlungen zwischen den USA und Iran finden unter Vermittlung des Sultanats Oman statt; die Chefverhandler sind Irans Außenminister Abbas Araghchi und der US-Sondergesandte Steve Witkoff. Im Zentrum der Verhandlungen steht die Frage, inwieweit Iran bereit ist, seine Urananreicherung einzuschränken, internationale Kontrollen zuzulassen und die Nutzung seines Nuklearprogramms auf zivile Zwecke zu begrenzen. Im Gegenzug steht eine Lockerung der US-Sanktionen in Raum. Dennoch bleiben zahlreiche Streitpunkte bestehen. Besonders das iranische Raketenprogramm sowie die Unterstützung militärischer Gruppen wie der Hamas, der Hizbullah und der Huthis belasten die Gespräche zusätzlich.

 

Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) warnt seit Jahren vor der Entwicklung in Iran. Die Produktion von Uran mit bis zu 60 Prozent Anreicherungsgrad sei deutlich gestiegen, erklärte IAEA-Chef Rafael Grossi zuletzt. Damit ist Iran technisch nicht mehr weit von waffenfähigem Material entfernt. Teheran hingegen betont weiterhin, das Programm diene ausschließlich zivilen Zwecken. Als Argument führt das Regime die Notwendigkeit alternativer Energiequellen sowie das Streben nach technologischer Unabhängigkeit und internationalem Prestige an.

 

Bereits 1959 erhielt Iran unter dem Schah-Regime im Rahmen der US-Initiative »Atoms for Peace« einen ersten Reaktor. Die damalige iranische Regierung unterzeichnete sogar 1968 den Atomwaffensperrvertrag. Ziel war laut offiziellen iranischen Angaben auch in der Islamischen Republik stets die friedliche Nutzung der Atomenergie. Im Jahr 2002 jedoch veröffentlichte die umstrittene Oppositionsgruppe der Volksmudschahedin Dokumente, die ein geheimes militärisches Atomprogramm nahelegten. Dies führte 2006 zu internationalen Sanktionen, die später ausgeweitet wurden und vor allem ab 2011 massiven Druck auf das Land ausübten. Im Jahr 2015 wurde schließlich der »Joint Comprehensive Plan of Action« (JCPOA) vereinbart. Iran verpflichtete sich in dem Abkommen, seine Nuklearaktivitäten zu begrenzen und Kontrollen zuzulassen. Im Gegenzug wurden nuklearbezogene Sanktionen aufgehoben.

 

Dass die Verhandlungen gerade jetzt stattfinden, hat neben dem Druck der USA auch viel mit der innen- und außenpolitischen Lage in Iran zu tun

 

Doch 2018 stiegen die USA während der ersten Präsidentschaft von Donald Trump einseitig aus dem Abkommen aus. Iran wiederum begann daraufhin schrittweise, sich nicht mehr an die Auflagen zu halten. Trump versuchte, Iran durch maximalen Sanktionsdruck zu einem Kurswechsel zu zwingen. Ohne Erfolg. Die Strategie der Biden-Regierung führte ebenfalls zu keinen neuen Zugeständnissen. Trump kündigte für seine zweite Amtszeit ab 2025 an, einen neuen, besseren Deal mit Iran aushandeln zu wollen. Gleichzeitig drohte er im Vorfeld der Verhandlungen mit umfassenden Sanktionen und in einem Interview mit dem Sender NBC sogar mit militärischen Maßnahmen, sollte es zu keiner Einigung kommen.

 

Dass die Verhandlungen gerade jetzt stattfinden, hat neben dem Druck der USA auch viel mit der innen- und außenpolitischen Lage in Iran zu tun. Die politischen Verbündeten Teherans in der Region, die Hizbullah, Hamas und die Huthis, sind geschwächt und das Assad-Regime in Syrien abgesetzt. Gleichzeitig verschlechtert sich die wirtschaftliche Lage im Land zunehmend. Die Inflation droht auf über 43 Prozent zu steigen. Die meisten Menschen, insbesondere jene ohne direkte Verbindung zu staatlichen Institutionen und der Revolutionsgarde, können sich ihr Leben kaum noch leisten.

 

Zwar erlebt das Land derzeit keine Massenproteste, doch kleinere Demonstrationen und Formen zivilen Ungehorsams bleiben ein Ausdruck der Unzufriedenheit. Zusätzlich belasten Umweltprobleme, eine marode Infrastruktur, ein bislang ungeklärter Großbrand im größten Handelshafen nahe Bandar Abbas in der vergangenen Woche sowie im Ausland eingefrorene iranische Vermögenswerte die Regierung in Teheran.

 

Trumps Strategie lässt sich als Mischung aus Drohungen (Sanktionen, militärische Maßnahmen) und Verhandlungsbereitschaft verstehen. In der Sanktionsforschung gilt die Drohung mit Maßnahmen oft als wirkungsvoller als deren tatsächliche Umsetzung, vorausgesetzt, sie ist glaubwürdig. Im Fall Trumps ist davon auszugehen, dass er seine Ankündigungen ernst meint und notfalls auch umsetzt. Er hat offen mit militärischen Maßnahmen gegen Iran gedroht, dennoch spricht vieles dafür, dass sein eigentliches Ziel weniger ein militärischer Konflikt – der teuer, riskant und unpopulär wäre – als vielmehr ein für ihn vorteilhafter Deal ist. Es ist jedoch denkbar, dass Trump kompromisslos agiert, um Stärke zu demonstrieren.

 

Ein Atomabkommen unter Trumps Führung würde vermutlich kein klassisches JCPOA 2.0 bedeuten, sondern eher einen neuen, bilateral geprägten Deal mit engerem Fokus und geringerer multilateraler Kontrolle

 

Die Einschätzungen über die Erfolgschancen eines neuen Abkommens gehen weit auseinander. Kritische Stimmen betonen, dass Iran die Verhandlungen lediglich nutze, um Zeit zu gewinnen. Selbst bei einer Einigung bestehe das Risiko, dass das Atomprogramm im Geheimen weiterläuft. Auch eine Verbesserung der Menschenrechtssituation sei von einem solchen Abkommen nicht zu erwarten. Die Zahl der Hinrichtungen bleibt hoch und die innenpolitische Repression besteht unverändert fort.

 

Etwas optimistischere Einschätzungen argumentieren hingegen, dass ein neues Abkommen zumindest eine weitere Isolation Irans verhindern könnte. Auch wenn nicht alle Streitpunkte gelöst würden, könne ein begrenzter Deal Eskalationen vermeiden und einen Raum für weiterführende Vereinbarungen schaffen. Es besteht allerdings die Sorge, dass sich ein möglicher Deal ausschließlich auf die Atomfrage beschränkt und das Raketenprogramm sowie regionale Einflussnahme ausgeklammert bleiben. Ein Atomabkommen unter Trumps Führung würde vermutlich kein klassisches JCPOA 2.0 bedeuten, sondern eher einen neuen, bilateral geprägten Deal mit engerem Fokus und geringerer multilateraler Kontrolle.

 

Die Chancen auf ein neues Atomabkommen sind vorhanden. Beide Seiten signalisieren derzeit grundsätzliches Interesse an einer Einigung. Dem iranischen Regime geht es um wirtschaftliche Entlastung und politischen Handlungsspielraum. Für die USA und Trump geht es um einen außenpolitischen Erfolg mit innenpolitischen Vorteilen. Ein neuer Deal bietet Trump die Möglichkeit, sich so gleich doppelt zu profilieren.

 

Am 18. Oktober 2025 laufen die letzten UN-Sanktionen gegen Iran im Rahmen des JCPOA aus. Sollten bis dahin keine neuen Maßnahmen erfolgen, wäre Teheran formal dann nicht mehr unter UN-Sanktionen gestellt. Neue Sanktionen im Sicherheitsrat gelten als unwahrscheinlich, da die geopolitischen Interessen der Vetomächte zu unterschiedlich sind. Zwar bleiben die US-Sanktionen weiterhin die schärfsten und wirksamsten, doch haben sie nicht die gleiche internationale Legitimität.

Von: 
Lisa Neal

Banner ausblenden

Die neue zenith 02/2022 ist da: Reise zum Mittelpunkt der Erde

Reise zum Mittelpunkt der Erde

Die neue zenith ist da: mit einem großen Dossier zur Region Persischer Golf und überraschenden Entdeckungen. Von Archäologe über Weltpolitik und Wattenmeer zu E-Sports und großem Kino.

Banner ausblenden

Newsletter 2

Der heiße Draht

Frische Analysen, neue Podcast-Folgen, exklusive Einladungen zu Hintergrundgesprächen und Werkstattberichte: Jeden Donnerstag erhalten tausende Abonnenten den zenith-Newsletter. Sie  wollen auch auf dem Laufenden bleiben? Dann melden Sie sich hier kostenlos an.

Banner ausblenden

WM Katar

So eine WM gab es noch nie

Auf 152 Seiten knöpfen sich Robert Chatterjee und Leo Wigger alle wichtigen Fragen rund um die erste Fußball-WM in einem arabischen Land vor.