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Multimedia-Ausstellung »Ein Blick Iran«

Positivklischees statt Negativschlagzeilen

Feature

In einer katholischen Kirche in München wurde die Multimedia-Ausstellung »Ein Blick Iran« des Fotografen Benedikt Fuhrmann eröffnet. Dabei waren Bayern und Iraner, ein persischer Superstar – und ein unerwarteter Bekannter aus dem Internet.

Münchner Bussi-Gesellschaft meets Teheraner Bussi-Gesellschaft: Eine Szenerie wie diese hatte die Pfarrkirche St. Maximilian vermutlich auch noch nicht oft gesehen. Rund 700 Gäste fanden sich am Sonntagabend in dem imposanten Gotteshaus bei Sekt und persischem Essen zusammen, um einem ungewöhnlichen Dialog der Kulturen beizuwohnen.

 

Ein iranischer Besucher brachte es auf den Punkt: »Eine katholische Kirche voller Iraner und Deutscher, die Alkohol trinken, und gleich tritt ein persischer Tänzer auf – das verspricht ja ein interessanter Abend zu werden.« Dabei war der Auftritt des Tanz-Superstars Shahrokh Moshkin Ghalam aus Paris nur das Begleitprogramm für den eigentlichen Anlass des Abends: die Eröffnung der multimedialen Fotoausstellung »Ein Blick Iran« des Fotografen und Filmemachers Benedikt Fuhrmann.

 

Sechs Jahre lang hat der 34-Jährige aus Bad Tölz an dem Projekt gearbeitet. 2005 war er mit einem Freund in einem VW Polo zur einer Weltreise aufgebrochen, blieb jedoch im Iran hängen und verbrachte dort ein ganzes Jahr. »Ich blicke zurück und alles, was ich sehe, ist eine wunderbare Zeit in einem Land, das einen festen Platz in meinem Herzen erobert hat«, notierte er zum Abschied in sein Reisetagebuch. Die Verbindung zu dem Land riss nicht ab, zugleich wuchs der Wunsch, den negativen Iran-Bildern im Westen entgegenzuwirken.

 

Bei möglichen Geldgebern stieß Fuhrmann mit seiner Ausstellungsidee jedoch durchweg auf Ablehnung, zu belastet war ihnen das Thema angesichts der politischen Weltlage. Schließlich ging Fuhrmann ins Internet: Unter dem Namen »Sag Servus und Salam« warb er auf einer Crowdfunding-Plattform um Unterstützung für sein Projekt. 13 Minuten vor dem Ablauf der Förderfrist Mitte Juni waren die benötigten 50.000 Euro schließlich zusammengekommen und machten das Projekt zum bislang größten deutschen Crowdfunding-Erfolg.

 

Tänzer Moshkin Ghalam wusste die Szenerie des neoromanischen Kirchenbaus zu nutzen

 

Mit der Maximilianskirche fand sich dann auch noch ein symbolträchtiger Ort für die Ausstellung. »Kirche ist dazu da, sich für Völkerverständigung einzusetzen«, begründete Pfarrer Rainer Maria Schießler seine Zusammenarbeit, die selbst im bunten Münchener Glockenbachviertel keine Selbstverständlichkeit sein dürfte. Der Geistliche ist für seine innovativen Aktionen bekannt – er hat auch schon einmal auf dem Oktoberfest Bier ausgeschenkt, um Spendengelder zu sammeln.

 

Initiator Fuhrmann war die Erleichterung an diesem Abend deutlich anzumerken. Nicht nur war sein jahrelanges Wunschprojekt Realität geworden, er hatte es auch noch geschafft, hochkarätige Gäste nach München zu holen. Für viele Iraner war der Auftritt von Shahrokh Moshkin Ghalam denn auch vermutlich der Höhepunkt des Abends. Der in Paris lebende Tänzer, Mitglied der »Comédie-Francaise«, wusste in seinen Darbietungen die Szenerie des neoromanischen Kirchenbaus perfekt zu nutzen: Bei seinem ersten Stück schritt der 45-Jährige, in dunklem Gewand und die schwarzen Haare zum Zopf geflochten, langsam den Mittelgang der Kirche Richtung Altar entlang, der mit Kerzen und blauem Licht illuminiert war.

 

Dort tanzte er dann mit kontrolliertem Tempo zu östlicher Vokalmusik, die an gregorianische Choräle erinnerte. Bei seinem zweiten Stück trieb Moshkin Ghalam die interkulturelle Symbolik auf die Spitze: War es Zufall oder absichtliches Spiel des Iraners, dass er, nun im durchscheinenden weißen Gewand und mit offenem Haar, mit weit ausgebreiteten Armen direkt vor dem Altar stand wie der gekreuzigte Jesus? Im Verlauf des sufischen Tanzes, den er vollführte, steigerte er die Umdrehungsgeschwindigkeit, bis er nur noch ein Wirbel aus Stoff und Haaren zu sein schien, während sich sein Schatten auf den umstehenden Säulen abzeichnete.

 

Ein reichlich poliertes Bild

 

Frieden statt Krieg, mit diesem Anliegen hatte Fuhrmann seine Iran-Ausstellung begründet, der ein interreligiöser Friedensgottesdienst vorangegangen war. Um das zu unterstreichen, war ein weiterer prominenter Gast extra aus Israel angereist: Ronny Edry. Der Grafikdesigner aus Tel Aviv war es gewesen, der im März 2012 die Facebook-Kampagne »Israel loves Iran« ins Leben gerufen hatte, die binnen Tagen um die Welt ging.

 

Mit entsprechend heftigem Applaus wurde Edry begrüßt, der in seiner kurzen Ansprache sagte, der drohende Krieg gegen Iran beruhe vor allem auf falschen Bildern: »Daher müssen wir Bilder mit Bildern bekämpfen, und der beste Weg dazu ist das Internet.« So gelangte dieser ganz der Völkerverständigung gewidmete Abend allmählich zu seinem eigentlichen Höhepunkt. Auf einer riesigen, in 20 Metern Höhe errichteten Video-Leinwand wurden in einer fulminanten Video-Show Fuhrmanns Iran-Impressionen präsentiert.

 

Der mediale Aufwand der Ausstellung ist enorm: Mehrere Bildschirme in verschiedenen Größen im Kirchengebäude zeigen filmische Eindrücke vom Land, zudem gibt es Fotos, die wiederum mit Audio-Stationen kombiniert sind, die Musik und Erläuterungen zu den Bildern abspielen. Eine beeindruckende und hochprofessionelle Kombination verschiedener Medien, die Fuhrmann lang anhaltenden Applaus einbrachte. Aber was für ein Iran präsentieren die Bilder dieser Ausstellung, dessen Untertitel »Ein Land, da leben Menschen« lautet?

 

Die Antwort lautet: Ein reichlich poliertes. – Fuhrmanns Bilder zeigen vor allem den ländlichen Iran; die wenigen Großstadt-Impressionen konzentrieren sich auf Szenen, die Menschen oder Autos in Bewegung zeigen. Demgegenüber scheint der Großteil der Motive fast stillzustehen: Wohlkomponierte Landschaftsbilder mit Wiesen, Wüsten, Bergen und gefliesten Moscheekuppeln – wunderschön und idyllisch, wie aus einem Reisekatalog. Aber ohne Brüche, ohne Irritationen.

 

Dass die Präsentation derart ins Meditative tendiert, ist wohl kein Zufall

 

Er werde die Realität des iranischen Regimes nicht ausblenden, hatte der Fotograf vorab betont – davon ist in dieser Ausstellung wenig zu sehen. Stattdessen erhält man zu einem Portraitbild etwa folgenden Audiokommentar: »Es ist Abend ... Dieser Araber sitzt vor einer Bäckerei und döst vor sich hin im Abendlicht ...« Es folgt minutenlange Klaviermusik.

 

Dass die Präsentation derart ins Meditative tendiert, ist wohl kein Zufall. Benedikt Fuhrmann selbst betont im Katalog die sensorischen Qualitäten seines Projekts: »Betrachten. Lauschen. Fühlen. Iran erleben.« Hier soll, so lässt sich vermuten, ein Publikum angesprochen werden, das sich eine Auszeit von der politischen Endlos-Diskussion um das Land und sein mutmaßliches Atomprogramm wünscht.

 

Negativschlagzeilen werden durch Positivklischees ersetzt – und durch einen Appell ans humanistische Wir-Gefühl: »Wir Menschen sind die schönste und größte Kraft auf dieser Erde«, sagt Fuhrmann zum Abschluss des Abends. Zumindest bei den anwesenden Iranern stößt das auf geteiltes Echo. »In den Bildern findet überhaupt keine Diskussion statt«, bemängelt eine sichtlich unzufriedene Besucherin. Ein anderer hält den Aufnahmen zugute, zumindest »ein erster Schritt« zu sein, um das vorherrschende Bild des Landes aufzubrechen. Denn man könne gar nicht unterschätzen, wie wenig die meisten Deutschen über den Iran wüssten.


Die Ausstellung »Ein Blick Iran« läuft vom 16. Juli bis zum 12. August, Pfarrkirche St. Maximilian, Auenstraße 1, 80469 München. Weitere Informationen: www.einblickiran.de

Von: 
Christian Meier

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