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Senegals neuer Präsident Macky Sall

Bloß nicht noch mal Wade

Feature

Arbeitslosigkeit, Energiekrise und Armut: Auf Macky Salls Schulter lasten große Hoffnungen, Senegals Probleme endlich konsequent anzugehen. Doch der neue Präsident ist für seine Unterstützer vor allem eines: Nicht der alte.

Nach gut zwölf Jahren im Amt ist nun doch Schluss für Abdoulaye Wade. Am 19. März 2000 war Wade das erste Mal zum Präsidenten gewählt worden. Seinen Erfolg verdankte er damals zu großen Teilen der frustrierten Jugend in den Städten des Senegals, unter der er eine große Popularität genoss. Jugendlichen Rappern, die der damaligen Regierung Diouf sehr kritisch gegenüber standen und in ihren Texten zur Teilnahme an den Wahlen und zum Wechsel aufriefen, machten sich damals für Wade stark.

 

Die Wechselstimmung erreichte in jenem Jahr ihren Höhepunkt, mit ihr wurde der Ruf nach einer stärkeren Trennung von Religion und Politik immer lauter. Schließlich hatten in den Jahrzehnten zuvor die Wahlempfehlungen der muridischen Bruderschaften religiös verbindlichen Charakter – ein Gefolgschafts- und Klientelsystem, für welches das Wolof-Wort »Ndigël« steht. Abdoulaye Wade machte sich mit seiner »Sopi«-Bewegung die Wirtschaftkrise und die Abwendung der Jugend vom »Ndigël«-Konformismus zu nutze. Nicht zufällig bediente sich Wade damals sehr erfolgreich einer »jugendlichen« Sprache – und die Jugend bescherte ihm letztendlich den Wahlsieg: Wade siegte in den Präsidentschaftswahlen 2000 schließlich mit 58,68 Prozent der Stimmen gegen Abdou Diouf. Als Dank für die große Unterstützung der Jugendlichen bei seinem Wahlkampf versprach Wade, sich verstärkt für deren Belange einzusetzen.

 

Am 19. März 2011 fand auf dem »Place de l`Indépendence« eine Großkundgebung statt, auf der abermals tausende Jugendliche ihren Groll und ihre Enttäuschung zeigten – diesmal aber mit ebenjener Regierung Wade. Das Datum hätte kaum symbolträchtiger sein können, hatten die jungen Menschen Wade doch am 19. März 2000 zum ersten Mal ins Amt des Präsidenten gehievt. Zwölf Jahre später drückten sie nun ihre Enttäuschung über Wades Politik aus. Die Botschaft kam an – und die Nervosität des Präsidenten vor den Wahlen am 26. Februar 2012 stieg.

 

Die Geschichte wiederholt sich im Senegal, nur dieses mal nicht zugunsten von Präsidenten Abdoulaye Wade. Seine früheren Verbündeten, die urbane Jugend hat sich abgewendet – und wurde ihm nun zum Verhängnis. Denn Wade gilt mittlerweile ebenso als Symbol für gebrochene Versprechen wie sein Vorgänger Diouf. In seinen 12 Jahren Amtszeit schaffte er es nicht ansatzweise, die Jugendarbeitslosigkeit zu bekämpfen. Stattdessen erreichte unter seiner Regierungszeit die illegale Migration nach Europa einen Höhepunkt.

 

Aufgrund dieser großen Ungerechtigkeit starteten schließlich Journalisten und Künstler die Bewegung »Y En A Marre«, die gegen die Korruption, die sehr stark ansteigenden Lebensunterhaltskosten und der sozialen Ungerechtigkeit, gerichtet war.

 

»Er ist mein bester Student«, sagte Wade einst über Macky Sall

 

Bereits nach der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen im Februar, bei der keiner der Kandidaten die absolute Mehrheit erzielt hatte, sammelten sich übrigen Oppositionskandidaten hinter dem Gegenkandidaten Macky Sall. Wades Kandidatur war von Anfang an umstritten und seit 2011 von gewalttätigen Protesten der urbanen Jugend überschattet, die mehreren Menschen das Leben kosteten. Angefacht wurden die Jugendproteste durch die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes, der Wades Kandidatur um eine dritte Amtsperiode zuließ. Denn eigentlich sieht die Verfassung des westafrikanischen Landes maximal zwei Amtsperioden eines Präsidenten vor, Wade selbst hatte es einst eingeführt und begründete sein Vorgehen jetzt damit, dass die Beschränkung erst nach Ablauf seiner ersten Amtszeit in Kraft getreten und deshalb nicht mit zu rechnen sei.

 

Nachdem eine Hochrechnung in der Nacht der zweiten Runde einen fast eindeutigen Sieg Macky Salls versicherte, gab es auf den Straßen Dakars kein Halten mehr. Tausende von Menschen drängte es nach draußen, sie fuhren hupend und singend durch die Stadt. Nach der Stichwahl am 25. März gestand Wade seine Niederlage ein und gratulierte anschließend dem neuen Präsidenten Macky Sall.

 

Wie auch sein Vorgänger Wade macht Macky Sall viele Versprechungen, die zu einer Verbesserung der politische Situation im Senegal führen sollen – und wieder einmal gehört die Bekämpfung der Jugend-Massenarbeitslosigkeit dazu. Daneben will Sall auch die Lebenshaltungskosten verstärkt angehen sowie das Bildungs- und Gesundheitswesen verbessern.

 

Der Sieg Macky Salls wird international begrüßt. Zumindest senkt es die politischen Spannungen des Landes und sorgt für ein Umdenken auf der politischen Ebene. Seine politische Laufbahn verdankt Macky Sall dabei Abdoulaye Wade. »Er ist mein bester Student«, sagte Wade einst über Macky Sall, der lange Jahre als Geologe in der Bergbauindustrie tätig war. Vor neunzehn Jahren ging er schließlich in die Politik und machte Karriere. Bis 2002 war er Bürgermeister von Fatick, danach Minister für Bergbau, Energie- und Wasserwirtschaft, später auch Innenminister im Kabinett Wade. Im Jahre 2004 wurde er schließlich Ministerpräsident und 2007 auch Präsident der Nationalversammlung.

 

Sall ermittelte einst gegen Wades Sohn – wegen Korruption

 

Er arbeitete in Rahmen seiner Funktion als Präsident der Nationalversammlung auch an Korruptionsvorwürfen gegen Karim Wade – dem Sohn Abdoulaye Wades. Es waren Nachforschungen, die zum Bruch zwischen Wade und Sall führen sollten. Er gab sein Amt auf und ging wieder nach Fatick. Anschließend trat er aus Wades Partei PDS aus. Sein neues Gesicht fand er in der Partei »APR-Yaakar – Alliance pour la République« und wurde, für viele überraschend, der aussichtsreichste Kandidat für die Stichwahlen zur Präsidentschaft.

 

Im Großen und Ganzen aber ist davon auszugehen, dass die Politik Macky Salls nicht sehr stark von seinem Vorgänger abweichen wird. Wäre aber Wade selbst im Amt geblieben, hätte es sicherlich ernsthafte Proteste gegeben, die die politische Stabilität des Landes gefährdet hätten. Macky Sall wird es gewiss nicht leicht haben, die enttäuschte urbane Jugend zu befrieden, deren Vertrauen in die Politik aufgrund der jahrelangen Manöver Wades längst erschüttert ist.

 

Die größten Probleme, mit denen sich Sall in erster Linie konfrontiert sieht, sind Massenarbeitslosigkeit der Jugend, Energieversorgung und Armut. Schließlich haben die starken Stromausfälle Anfangs 2011 erst zu den großen Protestwellen geführt. Sall steht massiv unter Druck, diese Probleme bereits in seiner ersten Amtsperiode zu lösen.

 

Die Erwartungen der Bürger sind aufgrund seiner Versprechungen groß. Die Anhängerschaft der Jugendbewegung »Y En A Marre« unterstützte Macky Sall bisher, doch sollte er seine Versprechungen schuldig bleiben, muss er »wieder auf die Straße«, so die Aussagen der Bewegung. Für viele junge Menschen hätte jeder Präsident werden können – bloß nicht noch einmal Wade.

Von: 
Funda Yatman

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