Flughafen, Stadion, Modellstadt: Senegals Präsident Macky Sall baut eifrig die Zukunft seines Landes – und hat wohl vor allem seine eigene im Blick.
Für Macky Sall war der 22. Februar in mehrfacher Hinsicht ein Feiertag. Der senegalesische Präsident konnte sich in seiner Lieblingsrolle als Macher zeigen, dazu als guter Gastgeber und Staatschef einer sportlich und politisch aufstrebenden Nation. Kurz nachdem die Fußball-Nationalmannschaft um Liverpool-Star Sadio Mané erstmals die Afrikameisterschaft gewonnen hatte, empfing Sall Staatschefs aus aller Welt sowie den FIFA-Präsidenten Gianni Infantino, um das neue Stadion in Diamniadio zu eröffnen, rund 30 Kilometer östlich der Hauptstadt Dakar.
Nur mit dem Ballgefühl hat es nicht so ganz geklappt: Als die Staatschefs vor dem Eröffnungsspiel im Mittelkreis ein bisschen kickten, sahen Salls Bemühungen doch recht unbeholfen aus, der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan zeigte sich schon geschickter und Liberias Staatschef George Weah ist als ehemaliger Weltfußballer unter Politikern sowieso außer Konkurrenz.
Eigentlich hatten die Senegalesen bei der Stadioneröffnung noch auf einen weiteren internationalen Gast gehofft, aber Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier entschied sich wegen des drohenden russischen Angriffs auf die Ukraine, seinen Besuch in Senegal abzukürzen.
Sall dürfte es wohl verkraftet haben – er konnte Steinmeier auch so zeigen, dass hier in Diamniadio etwas Neues entsteht. Schon vor dessen Abreise besuchten sie gemeinsam die Baustelle einer Produktionsstätte, wo künftig Impfstoffe hergestellt werden sollen, gegen Gelbfieber, aber auch mRNA-Impfstoffe gegen Covid-19: eine Kooperation zwischen Biontech und dem senegalesisch-französischen Institut Pasteur. Die Anlage ist noch im Bau – andere Gebäude in Diamniadio werden bereits genutzt, wie die Basketballarena mit 15.000 Sitzplätzen, ein Konferenzzentrum und diverse Regierungsgebäude.
Viele Beamte erhielten Vorzugskonditionen, wenn sie sich für Wohnungen in der Trabantensiedlung eingeschrieben haben. Diamniadio ist Senegals Zukunftsstadt, aber wie die genau aussehen wird, ist eine Wette mit ungewissem Ausgang: Entsteht hier, wie vom Präsidenten gewünscht, eine moderne Zweithauptstadt, die die chronisch überlasteten Verkehrswege der Millionenstadt Dakar entlastet? Oder wachsen Dakar und Diamniadio in wenigen Jahren zu einer westafrikanischen Megacity zusammen?
Bald dürfte Senegal 20 Millionen Einwohner zählen, um die Jahrtausendwende waren es noch halb so viele. Auch eine dritte Möglichkeit ist mit Blick auf die Geschichte großer Infrastrukturprojekte nicht auszuschließen: Diamniadio könnte als »weißer Elefant« enden und manche der heute futuristisch wirkenden Neubauten als marode Mahnmale dafür, dass die Zukunft sich nicht immer an die großen Pläne hält.
Vieles wird von der Verkehrsanbindung abhängen: Auch hier durfte sich Präsident Sall zuletzt mehrfach als Macher feiern lassen, der große Projekte nicht nur ankündigt, sondern auch umsetzt. Im Dezember 2021 wurde der Regionalexpress TER in Betrieb genommen, auf der Strecke vom renovierten Hauptbahnhof in Dakar bis nach Diamniadio. Im März 2022 wurde mit dem Bau der zweiten Teilstrecke begonnen, sie führt zum weit außerhalb gelegenen neuen Flughafen, der 2018 fertiggestellt wurde. Die Kosten für beide Trassen, insgesamt knapp 60 Kilometer lang, werden auf zwei Milliarden Euro geschätzt. Viel Geld, aber immerhin fährt der TER bereits, andere Verkehrsinfrastrukturprojekte in Senegal sind in den letzten Jahrzehnten im Sande verlaufen, während alte Bahngleise zunehmend verfielen und so gut wie gar nicht mehr genutzt wurden.
Das neue Stadion mit 50.000 Sitzplätzen ist für Sall ein weiteres Symbol seiner Herrschaft: erfolgreich, international vernetzt und der Zukunft zugewandt. Gebaut wurde es in weiten Teilen ebenso wie der Flughafen und die Basketballhalle vom türkischen Baukonzern Summa.
Kurz vor der Eröffnung gelang Sall noch ein weiterer Coup: Benannt wurde das Stadion nach Salls Vorgänger und langjährigem Konkurrenten Abdoulaye Wade. »Gorgui – der Alte«, verfügt mit seinen 95 Jahren noch immer über beträchtlichen politischen Einfluss in Senegal. Steckt hinter der Namensgebung des neuen Stadions nur Großmütigkeit oder verfolgt Sall damit auch ein politisches Kalkül?
Der Präsident hatte schon länger angekündigt, das Amt des Premierministers wieder einzuführen, das er 2019 abgeschafft hatte. Spätestens mit der Stadioneröffnung wurden Gerüchte unüberhörbar, dass Karim Wade den Posten erhalten könnte, der Sohn des ehemaligen Präsidenten. 2013 war er wegen persönlicher Bereicherung angeklagt worden, 2016 hatte Sall ihn begnadigt. Eine Allianz Sall-Wade könnte dem aktuellen Amtsinhaber seinem Traum näherbringen: 2024 ein drittes Mal zum Präsidenten gewählt zu werden. Verfassungsrechtlich ist Salls mögliche Kandidatur äußerst umstritten und auch sein Vorgänger Abdoulaye Wade scheiterte schon mit dem Vorhaben einer dritten Amtszeit.
Und wie Wade hat Sall bei aller außenpolitischen Anerkennung nach einem knappen Jahrzehnt im Amt massiv an Popularität eingebüßt. Er reagiert darauf zunehmend autoritär: Rivalen werden mit Gerichtsprozessen überzogen, 2021 ging die Polizei mit Gewalt gegen Demonstranten vor. Senegal, dass sich so gerne als Insel der Demokratie in Westafrika präsentiert, könnten ähnlich wie Mali, Tschad, Burkina Faso, Guinea und Guinea-Bissau schwierige Zeiten bevorstehen. Politisch wie architektonisch baut Präsident Sall gerade an der Zukunft seines Landes: Wie stabil die sein wird, lässt sich auf dem Reißbrett aber noch nicht erkennen.