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Volksbank, neu gedacht

Volksbank, neu gedacht

Feature

James Mwangi verschaffte Menschen Zugang zum Finanzsektor, die von anderen Banken ignoriert wurden. So schaffte der Kenianer neues Vertrauen in ein System, das viele seiner Landsleute nur als Überbleibsel kolonialer Machtstrukturen sahen.

Als Entertainer Daniel Ndambuki, alias »Churchill«, in seiner gleichnamigen Fernsehshow James Mwangi auf die Bühne bittet, erhebt sich das Publikum. Unter lautem Applaus betritt der CEO der Equity Bank das Podium, während er von Gastgeber als Gentleman, der das Tempo in der Finanzwelt vorgebe, gepriesen wird. Und ganz abwegig ist diese Lobeshymne auf den 53-jährigen Mwangi nicht. Er ist ein Vorbild für viele seiner Landsleute – einer, der den Weg von ganz unten nach ganz oben, zum Millionär und CEO der größten Bank Kenias, geschafft hat.

 

Als eines von sieben Kindern wuchs Mwangi ohne Vater im ländlichen Kangema auf, einer kleinen Stadt nördlich von Nairobi. Nachdem er die Schule erfolgreich abgeschlossen hatte, zog es ihn in die kenianische Hauptstadt, um dort Finanzwesen an der University of Nairobi zu studieren. Nach seinem Studium wurde er umgehend als Wirtschaftsprüfer von Ernst & Young angeworben und sammelte erste Erfahrungen in der Finanzwelt. 

 

Angetrieben von der Vision, der unterprivilegierten Landbevölkerung Zugang zu Baukrediten und rentablen Sparmöglichkeiten zu verschaffen, schloss sich Mwangi 1993 als Finanzdirektor dem mit umgerechnet 321.000 Euro verschuldeten Mikrokreditinstitut Equity Bank (damals noch »Equity Building Society«), an. Mwangi, nun zuständig für die fünf Zweigstellen und knapp 27.000 Kreditnehmer, machte es sich zur Aufgabe, die Strukturen, und im Besonderen den Kundenservice, genau an die Zielgruppe der kleinen Bank, nämlich Landwirte und Kleinbauern, anzupassen und somit das marode Mikrokreditinstitut in ein effektives Unternehmen umzuwandeln. Schon bald sprach sich unter der ländlichen Bevölkerung das Angebot der Equity Bank herum und führte zu langen Warteschlangen vor den Filialen.

 

Während Anfang der 1990er Jahre der Zugang zum Bankensystem meist noch der englischsprachigen, privilegierten kenianischen Oberschicht vorbehalten war, krempelte Mwangi mit der Equity Bank das gängige Bankkonzept um und passte es an die Bedürfnisse und Lebensrealitäten der Durchschnittsbürger an. So wurden Broschüren und Werbung nicht nur in Englisch, sondern auch in der Hauptverkehrssprache Swahili publiziert. Menschen, die weder Englisch noch Swahili sprachen, wurden bei ihren Bankbesuchen beispielsweise durch Übersetzer unterstützt.

 

Technische und bürokratische Verfahren wurden vereinfacht und Kontoführungsgebühren auf das niedrigste Niveau in ganz Ostafrika gedeckelt. Während andere, in abgelegenen Regionen des Landes agierende Kreditinstitute horrende Zinsen von ihren Kreditnehmern forderten, schraubte man bei Equity den Zinssatz weit unter den Durchschnitt herab und gewann so viele Kunden für sich. Die Equity Bank hat unter der Führung des Bankers aus Kangema eine enorme Entwicklung durchgemacht.

 

Mit inzwischen 9,1 Millionen Kunden und einem geschätzten Marktwert von umgerechnet 1,82 Milliarden Euro ist die Equity Bank inzwischen afrikaweit führend. Im Vergleich zum Jahr 2006, als der Wert der Bank noch mit umgerechnet 61,2 Millionen Euro notiert wurde, ist dies eine Steigerung um das Dreißigfache im Zeitraum von neun Jahren. Und längst beschränkt sich das Angebot nicht mehr nur auf den kenianischen Markt. Neben den über 130 landesweiten Filialen in Kenia wurden mittlerweile auch Zweigstellen in Ruanda, Südsudan, Tansania und Uganda eröffnet.

 

Die afrikanische Finanzbranche erschließt allmählich das wirtschaftliche Potential der ländlichen Bevölkerung

 

2009 wurde die Bank im Zuge der »African Investor Index Awards« in New York als das am besten wirtschaftende Unternehmen in Afrika prämiert. Mwangi selbst wurde unter anderem 2011 mit dem Ordensband »Chief of the Order of the Burning Spear« geehrt – der höchsten nichtmilitärischen Ehrung Kenias. Auch sein soziales Engagement verschafft dem Banker große Sympathien, viele seiner Landsleute schätzen die unverstellte Bodenständigkeit des CEO.

 

Seine Stiftung »Wings To Fly«, hat durch die Bereitstellung von Stipendien bereits Tausenden jungen Kenianern, die selbst das notwendige Schulgeld nicht hätten aufbringen können, Zugang zur höheren Schulbildung verschafft. So wirkt Mwangi fast wie ein Gegenentwurf zu all jenen Bankern, die nicht erst seit der europäischen Finanzkrise für viele Menschen zu Hassobjekten und dem Inbegriff von Arroganz und Geldgier geworden sind.

 

Inzwischen hat auch der Rest der afrikanischen Finanzbranche das wirtschaftliche Potential der ländlichen Bevölkerung sowie der jungen aufstrebenden Generation erkannt und das Angebot entsprechend angepasst. Doch den Vorsprung, den sich die Equity Bank sowohl in Bezug auf die Zahl der Klienten als auch auf deren Vertrauen erarbeitet hat, scheint auf absehbare Zeit kein anderes Finanzinstitut in Ostafrika aufholen zu können.

Von: 
Nicolai Klotz

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