Noch etwa 20.000 Zoroastrier leben im Iran, die meisten von ihnen in Yazd. Doch wird die Gemeinde ein Teil der gesamten iranischen Gesellschaft bleiben oder wie ihre Türme nur noch musealen Wert haben?
Tschak-Tschak. Tropfen auf den heißen Stein. Und doch hat das nichts mit dem deutschen Sprichwort zu tun. Zwischen der Wüste Kawir und der Wüste Lut, nahe der Oasenstadt Yazd im Iran, liegt Tschak-Tschak. Es ist der heiligste Ort der Zoroastrier. Tschak-Tschak ist das Wort gewordene Geräusch der Wassertropfen, die in der sengenden Hitze auf den Boden aufprallen.
Mitten in der unwirtlichen Umgebung der steinwüstenartigen Landschaft, in der kein Grashalm den erdigen Farbton auflockert, befindet sich das kleine Paradies. Nach einigen Metern Anstieg aus der Wüste taucht man in eine andere Welt ein, die einen verstehen lässt, warum gerade dieser Ort so besonders ist. Es wachsen Bäume, Vögel zwitschern und – tschak-tschak – es tropft Wasser.
Ein Flügel der schweren Messingtür des Tempels ist geöffnet. Betritt man den Tempel, merkt man, dass er mit dem Felsen eine Einheit bildet. Er schließt sich um eine Felsspalte. Das ist kein Zufall. Die Prinzessin Nibanou, Tochter des letzten sassanidischen Herrschers Yazdegird III., soll vor den einfallenden Arabern geflohen sein.
Als sie vor der Felswand stand und betete, soll der Gott der Zoroastrier – Ahura Mazda – bewirkt haben, dass sich der Fels öffnete, die Prinzessin verschlang und sie somit vor den Arabern schützte. Einer Version dieser Legende nach, sind die Tropfen Tränen der Prinzessin, die noch heute über den Einfall der Araber weint. Im Inneren des Tempels wird man von angenehmer Kühle umhüllt, die einen starken Gegensatz zur Hitze der Wüste bildet.
Kühle und Ruhe sind die vorherrschenden Eindrücke, die man beim Betreten erfährt. Inmitten des Heiligtums ist die Feuerstelle, das Zentrum jedes zoroastrischen Heiligtums. Die Feuerstelle steht ungeschützt im Raum. Zwei Priester kümmern sich darum, dass die ewige Flamme nicht erlischt und vollziehen Rituale. Im Tempel finden sich alle vier Lebenswichtigen Elemente der Religion: Feuer, Wasser, Luft und Erde. Die Vögel zwitschern, das Wasser tropft und durch die Glasfenster sieht man die unendlich scheinende Weite der Wüste. Ein Paradies auf Erden.
Die Türme des Schweigens haben ihre Funktion verloren
Das abgeschiedene Tschak-Tschak spiegelt jedoch nur einen Teil der Realität des zoroastrischen Alltags im Iran wider. Im nahegelegenen Yazd leben heute die meisten Zoroastrier des Landes. Hier befindet sich ein weiterer wichtiger Tempel. Besucher können das Heiligtum jedoch nur durch eine Glasscheibe betrachten.
Das imposante Gebäude an sich, das sich in dem vor ihm liegenden Teich spiegelt, zeigt den Stolz und das Selbstbewusstsein der Gemeinde. Vor der Stadt allerdings erscheint ein anderes Bild. Hier stehen die Türme des Schweigens. Die beeindruckenden Türme, die auf den Spitzen von Hügeln stehen und die zum Ensemble gehörenden Gebäude weiter unten haben musealen Charakter.
Auf den Türmen des Schweigens bahrten die Zoroastrier ihre Toten auf. Ein Wächter achtete darauf, dass keine Unbefugten Zugang zu dem Toten hatten. Nach drei Tagen, als die Knochen die einzig übriggebliebenen Reste des Toten waren, wurden diese vergraben. Die Angehörigen des Toten blieben in dieser Zeit in den umliegenden Gebäuden und durften kein Fleisch essen.
All das hat einen Grund in der Lehre der vier Elemente. Ihr zufolge würde beispielsweise das Vergraben des gesamten Leichnams die Erde verunreinigen. Vor ein paar Jahren allerdings hat die iranische Regierung diesen Ritus verboten. Seither werden die Toten in Betonsärgen vergraben und die Türme des Schweigens haben ihre Funktion verloren. Jugendliche machen sich ein Abenteuer daraus, mit Motorrädern die Hügel hinauf und herab zu fahren. Die örtlichen Behörden versuchen dem Treiben Einhalt zu gebieten, indem sie eine Mauer um das Gelände errichtet haben.
Im Iran dürfen Zoroastrier nur untereinander heiraten und nehmen keine neuen Mitglieder auf
Von den Türmen sieht man auf die uralte und gleichzeitig moderne Stadt, die sich immer weiter in Richtung der Türme ausbreitet. Man sieht die Spuren der Motorräder, den Zaun um das Gelände und fragt sich, was passieren wird, wenn die Stadt das Gelände in sich aufgenommen hat. Man fragt sich vor allem, was mit der zoroastrischen Gemeinde passieren wird.
Wird sie ein Teil der gesamten iranischen Gesellschaft bleiben, wie sie es seit ihrem Bestehen immer war oder wird sie, wie ihre Türme, ein Bestandteil, der irgendwann nur noch etwas museales hat? Die gut 20.000 Zoroastrier des Irans haben ein reges Gemeindeleben, besonders in Yazd und Teheran. Es gibt auch einen intensiven Austausch mit den Glaubensbrüdern und -schwestern in Indien. Im Iran dürfen die Zoroastrier allerdings nur untereinander heiraten und sie nehmen keine neuen Mitglieder auf. Wie viel Zukunft kann es noch geben?