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Interview mit Joe Hussen zur WM in Katar und der Arabischen Welt

»Heute sind wir Marokkaner«

Interview
Interview mit Joe Hussen zur WM in Katar und der Arabischen Welt

Joe Hussen, ägyptischer Influencer und Moderator der Satiresendung »Jo Show«, über die wiedergefundene arabische Einheit bei der Fußball-WM in Katar.

zenith: Joe, gestern haben wir hier in Katar eindrücklich erlebt, wie gefühlt alle Araber die saudische Nationalmannschaft unterstützt haben.

Joe Hussen: Heute sind wir Marokkaner und alle Araber stehen hinter der marokkanischen Elf.

 

Von der arabischen Einheit wird viel geredet, in den letzten Jahren hatte man nicht den Eindruck, als rücke die Arabische Welt zusammen. Geschieht das jetzt während der WM, die zum ersten Mal in einem arabischen Land stattfindet?

Wir standen eigentlich schon immer geschlossen hinter den arabischen Mannschaften. Heute ist das aber ganz besonders so. Man hat wirklich den Eindruck: Die Araber sind gerade zu 100 Prozent dabei, konzentrieren sich auf die Spiel und stehen hinter den arabischen Teams.
Wenn Tunesien spielt, stehen alle für die Tunesier ein, spielt Marokko, stehen wir für Marokko in den Rängen, und wenn die Saudis spielen, unterstützen wir halt die Saudis!

 

Warum ist das gerade jetzt so?

Ich denke, die Versöhnung der Golfstaaten ...

 

... nach der jahrelangen Blockade Katars durch seine Nachbarn Saudi-Arabien, Vereinigte Arabische Emirate und Bahrain ...

... hat eine große Rolle gespielt und die Völker stärker vereint. Zuletzt gab es hier in Katar den »Arab Cup«, eine Meisterschaft der arabischen Staaten. Die hatte positive Wirkung und gezeigt, dass Fußball mehr verbindet als trennt. Noch wichtiger aber ist, dass die Weltmeisterschaft in einem arabischen Land stattfindet, was offenbar das Zusammengehörigkeitsgefühl und den Nationalismus bei den Arabern stärkt.

 

Wer wird Ihrer Einschätzung nach Weltmeister, wer hat mehr Chancen auf den Sieg?

Ich sehe Frankreich und Brasilien als zwei der stärksten Mannschaften bisher.

 

Und bei den arabischen Teams?

Ganz klar die Marokkaner.

 

Was sind die Stärken des marokkanischen Teams?

Die Mannschaft hat viele Profis in den europäischen Ligen; das marokkanische Publikum ist in den Stadien stark präsent. Auch die Saudis haben große Zuschauerzahlen, aber im Gegensatz zu marokkanischen Spielern spielen saudische Spieler meist in lokalen Ligen. Der Marokkaner Ashraf Hakimi etwa spielt bei Paris Saint-Germain, in einer Mannschaft mit Messi und Neymar – man ist an diese europäische Topklasse gewöhnt. Aber wovon die marokkanische Mannschaft mehr profitiert: die Präsenz eines großen Publikums, als würde das Team in Marokko und nicht in Katar spielen.

 

Nochmal zurück zur vorherigen Krise am Golf: Es ist schon interessant, dass sich die Bewohner der Golfstaaten binnen kürzester Zeit versöhnt haben und nun sogar füreinander jubeln.

Es gibt da ein Sprichwort: Man folgt der Religion des Königs. Das Volk stimmt sich emotional schnell auf die Haltung seiner Herrscher ein. In Ägypten ist die Situation aufgrund des herrschenden Systems etwas anders. Andererseits: Die Menschen sind nicht dumm, sie reagieren auf positive Neuigkeiten manchmal noch stärker als auf schlechte. Im Fall der Katar-Blockade beispielsweise ist die Bevölkerung nach meinem Eindruck nicht mitgezogen – die meisten Leute schwiegen zur Politik. Aber bei der jetzigen Versöhnung der Golfmonarchien sieht es anders aus. So, als wollten alle daran teilhaben.

 

Traditionell sind Deutschland und Brasilien die beliebtesten Mannschaften in der Arabischen Welt. Aber bei der aktuellen WM scheint es, als stehe Deutschland nicht mehr so hoch in der Gunst der Araber. Beim letzten deutschen Spiel in Katar schien das arabische Publikum zum Beispiel eher für die Spanier zu sein.

In den letzten 15 Jahren schauen Fußballfans überall auf der Welt zu Real Madrid, Barcelona, und nach Argentinien und Brasilien. Diese Präferenzen gehen auf Spieler wie Cristiano Ronaldo, Messi und Konsorten zurück. Sportlich betrachtet verschiebt sich also der Fokus! Aber auch kulturell tun sich Differenzen auf, zumal – so wurde es empfunden – die deutsche Nationalmannschaft sich offen und ausdrücklich für Homosexualität eingesetzt hat, was in der arabisch-muslimischen Welt vielerorts nicht gerade auf Sympathie gestoßen ist.

 

Wer ist Ihrer Meinung nach der beste Spieler der deutschen Nationalmannschaft?

Ich liebe Müller, weil er der Kapitän der Mannschaft und ein guter Spieler ist. Neuer ist ebenso ein großartiger Spieler, eine Legende!

 

Immer noch?

Wir beurteilen die Mannschaft generell – nicht nur nach einem, zwei oder drei Spielen.

Von: 
Daniel Gerlach

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