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Scholl-Latours-Erben: Carsten Kühntopp

»Was bitte ist eigentlich ein Öl-Scheich?«

Portrait
Scholl-Latours-Erben: Carsten Kühntopp

Jede Woche fragen wir einen Nahost-Korrespondenten: Wie halten Sie es mit Scholl-Latour, dem großen Erklärer der arabischen Welt? Diese Woche antwortet Carsten Kühntopp, ARD-Korrespondent in Kairo.

Ein halbes Jahrhundert lang berichtete der Fernsehjournalist Peter Scholl-Latour von Krisenherden in Afrika und Asien, erzählte vom islamischen Wesen und ärgerte damit Wissenschaftler. Im Sommer 2014 verstarb der Bestsellerautor mit 90 Jahren. Wer erklärt den Deutschen nun den Orient? zenith nimmt Kandidaten unter die Lupe. Diese Woche antwortetCarsten Kühntopp, ARD-Korrespondent in Kairo.


 

  • Geboren: 1966 in Berlin
  • Wohnort: Kairo
  • Ausbildung: Ein US-Abi, ein deutsches Abi, dann gelangweilte Rumstudiererei in Berlin (Jura, Politologie, Geschichte), schließlich entnervtes Aufgeben und freudiges Fokussieren auf den Job beim Sender Freies Berlin, dem späteren RBB.
  • Karriere: Meinen ersten Job am Mikrofon hatte ich als Gymnasiast: Während der Ferien las ich im Kaufhaus die Sonderangebote vor. Meine Radiokarriere begann dann Ende der achtziger Jahre beim SFB. Anfang der Neunziger wechselte ich zum BR. Von 2001 bis 2006 war ich Leiter des ARD-Studios in Tel Aviv. Von 2006 bis 2010 war ich für die ARD in Amman und danach noch ein Jahr in Dubai. Ab 2011 arbeitete ich wieder beim BR. Als Krisenreporter düste ich dann immer wieder zu einigen »Hotspots«, zum Beispiel nach Kiew oder nach Tacloban (Philippinen). Seit dem Sommer 2016 bin ich ARD-Korrespondent in Kairo.

 


 

Wie kamen Sie dazu, Nahost-Journalist zu werden?

Wie die sprichwörtliche Jungfrau zum Kinde: Mitte der Neunziger wurde ich gefragt, ob ich mal eine Urlaubsvertretung in Tel Aviv machen möchte. Innerlich schlug ich die Hände überm Kopf zusammen. Dieser schier ausweglose Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern! Keine Lust drauf! Aber ich musste zusagen. Und als ich nach zehn Wochen in Tel Aviv wieder nach München kam, wusste ich: Dieser Job ist der beste der Welt!

 

Welche nahöstlichen Sprachen beherrschen Sie?
Englisch, ziemlich gut.

 

Der Orient riecht nach ...
… dem Spray, mit dem ich gerade in meinem Badezimmer eine Kakerlake erlegt habe.

 

Apropos: Wo liegt er eigentlich, dieser Orient?
Auf jeden Fall auch in meinem Badezimmer – siehe oben.

 

Drei No-Gos für westliche Reporter im Nahen Osten?
Jeden politischen Konflikt um Macht und Ressourcen immer durch die konfessionelle Brille sehen (»Schiiten gegen Sunniten«). Zu denken, dass es »die Araber« gibt. Omanis, Libanesen, Libyer etc. verbindet wenig. Auf Facebook oder Twitter geführte Debatten zu ernst zu nehmen und sie für Gradmesser der breiten öffentlichen Meinung zu halten. In den sozialen Medien sind vor allem westlich geprägte junge Oberschichtler zugange. Klischees zu verbreiten. Nur wenige Golf-Araber sind »Scheich« Und was, bitte, ist eigentlich ein »Öl-Scheich«?

 

Ihr größter journalistischer Fauxpas?
Im Frühjahr 2011 habe ich vorausgesagt, dass es nie und nimmer einen Aufstand gegen Assad geben würde.

Am meisten über den Orient gelernt habe ich ...
… selbstverständlich durchs Rumreisen in der Region. Aber auch durchs Lesen. Und in Gesprächen mit Kollegen, die häufig viel besser Bescheid wissen als ich.

 

Ein Roman über die Region, den jeder gelesen haben sollte.
Ich empfehle drei Bücher: Saleem Haddad: »Guapa«. Rajaa Alsanea: »Girls of Riyadh«. Monty Python: »Das Leben Brians. Drehbuch und apokryphe Szenen« (München 1994).

 

Peter Scholl-Latour war für mich ...
… jemand, den ich nie gelesen habe – auch wenn mein Vater noch immer so von ihm schwärmt.

 

Die Geschichte, die sie schon immer machen wollten, zu der Sie aber nie kamen.
Mit Golf-Arabern und ihren Falken in die Wüste gehen, auf ein Jagd-Wochenende.

Von: 
zenith-Redaktion

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