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Scholl-Latours-Erben: Björn Blaschke

»Es besser machen als Tibi, Konzelmann und Scholl-Latour«

Portrait
Scholl-Latours-Erben: Björn Blaschke

Jede Woche fragen wir einen Nahost-Korrespondenten: Wie halten Sie es mit Scholl-Latour, dem großen Erklärer der arabischen Welt? Diese Woche antwortet Björn Blaschke, ARD-Hörfunk-Korrespondent in Kairo.

Ein halbes Jahrhundert lang berichtete der Fernsehjournalist Peter Scholl-Latour von Krisenherden in Afrika und Asien, erzählte vom islamischen Wesen und ärgerte damit Wissenschaftler. Im Sommer 2014 verstarb der Bestsellerautor mit 90 Jahren. Wer erklärt den Deutschen nun den Orient? zenith nimmt Kandidaten unter die Lupe. Diese Woche antwortet Björn Blaschke, ARD-Hörfunk-Korrespondent in Kairo.


 

  • Geboren: 1967 in Bremerhaven
  • Wohnort: Kairo/Beirut
  • Ausbildung: Studium der Politik-, der Islam- und der Vergleichenden Literaturwissenschaften in Bonn
  • Karriere: Parallel zum Studium Arbeit für Tageszeitungen, Magazine und deutsche öffentlich-rechtliche Hörfunksender (vor allem für den WDR). 1997 Anstellung als Redakteur beim WDR. 2002 erste Entsendung als Nahost-Korrespondent für die ARD nach Amman. 2008 Redakteur im WDR. Seit 2011 ARD-Nahost- und Nordafrika-Korrespondent mit Sitz in Kairo/Beirut.

 


 

Wie kamen Sie dazu, Nahost-Journalist zu werden?

Nach dem Abitur bin ich für anderthalb Monate durch die Türkei getrampt, um dann Jura zu studieren. Kaum hatte ich das Studium begonnen, musste ich feststellen, dass mich Jura nicht interessierte. Anders als zum Beispiel die Türkei und die arabische Welt. Also wechselte ich von Jura zu Politik- und Islamwissenschaften. Um mir das Studium zu finanzieren, habe ich in den Semesterferien zum Teil ausgedehnte Reisen in die Türkei und den Nahen Osten unternommen, die ich journalistisch verwertet habe. Und dann kam – an einem der Vorabende zum Krieg um Kuwait, 1991, eine Talk-Runde im Fernsehen. Teilnehmer: Bassam Tibi, Gerhard Konzelmann und Peter Scholl-Latour. Sie ließen mit ihrem Schwarz-Weiß-Gerede den hervorragenden Islamwissenschaftler Heinz Halm, der auch dort war, nicht zu Wort kommen. Damals habe ich entschieden, dass ich irgendwann Nahost-Korrespondent werde, um zu versuchen, es besser zu machen…

 

Welche nahöstlichen Sprachen beherrschen Sie?
Ich wage nur zu sagen, dass ich Deutsch »beherrsche« (und selbst daran zweifeln manche!). Dem Türkischen, aber vor allem dem Arabischen nähere ich mich seit nunmehr 20 Jahren an.

 

Der Orient riecht nach ...
Kairo riecht nach Abgasen – und überhaupt wie die ägyptischen Geldscheine. Beirut riecht nach Müllkrise. Tripolis (Libyen) riecht nach Wüstenstaub mit Meeresluft. Bagdad nach verbranntem Fisch (»Mazgouf« – eine spezielle Art, Karpfen und andere Flossentiere zu grillen.). Und nur an ausgewählten Orten der Region duftet es so, wie man meint, dass es im Orient duften muss: Nach Kardamon und Minze; Fladenbrot und Kebab…

 

Apropos: Wo liegt er eigentlich, dieser Orient?
In der Phantasie… Es gibt »den Orient«, »das Arabistan« oder »den Nahen Osten« nicht! Es gibt Länder in einer Region, in der die Menschen Türkisch, Farsi, Kurdisch, Hebräisch oder einen arabischen Dialekt sprechen. Die vielen Minderheiten-Sprachen seien an dieser Stelle nicht erwähnt. Ansonsten ist der Libanon ganz anders als Ägypten als die VAE als der Oman als Libyen…

 

Drei No-Gos für westliche Reporter im Nahen Osten?
Zu meinen, politische Entwicklungen zu durchschauen – Je öfter ich zum Beispiel in den Irak reise, desto weniger verstehe ich von dem Land. Oder es passiert irgendetwas, das alles Gedachte über den Haufen wirft. Den Menschen nicht »auf Augenhöhe« zu begegnen. Oder ihnen gar erklären zu wollen, wie sich ihre Gesellschaft gerade entwickelt. Zu denken, in der Region seien die Grundsätze des Journalismus, die zum Beispiel in Deutschland gelten, nicht mehr soooooooo wichtig.

 

Ihr größter journalistischer Fauxpas?
Ich habe auch für diesen Sommer einen großen Nahost-Krieg vorausgesagt. Kam zum Glück nicht. Aber der Sommer ist ja noch nicht vorbei.

 

Am meisten über den Orient gelernt habe ich ...
…durch Reisen in die Region und zahllose Gespräche. Und: Klar ist, dass der Lernprozess nie abgeschlossen sein wird.

 

Ein Roman über die Region, den jeder gelesen haben sollte.
Es sind derer vier: Wilfred Thesiger: »Die Brunnen der Wüste«; Nicolas Born: »Die Fälschung«; Ghada Samman: »Im Taxi nach Beirut«; Alaa al-Aswani: »Der Jakubijan-Bau«.

 

Peter Scholl-Latour war für mich ...
…eine große Reibefläche. Unter anderem, weil er ein Schwarz-Weiß-Maler war, wie so viele seiner journalistischen Alterskollegen. Immerhin: Scholl-Latour war jemand, der an die Orte des Geschehens gereist ist. An seiner journalistischen Präsentation hat das leider nichts geändert.

 

Die Geschichte, die sie schon immer machen wollten, zu der Sie aber nie kamen.
Verrate ich nicht; könnte ja noch klappen…

Von: 
zenith-Redaktion

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