Durch religiöse Diplomatie und den Einsatz von Institutionen wie der Diyanet und TİKA versucht die Türkei, ihren Einfluss auf dem afrikanischen Kontinent zu erweitern und ihre Führungsrolle in der muslimischen Welt zu festigen.
In den letzten zwei Jahrzehnten hat die Türkei eine bemerkenswerte Transformation in ihrer Außenpolitik durchlaufen, insbesondere in Bezug auf Afrika. Während das Land früher hauptsächlich auf militärische Macht setzte, hat es seit den frühen 2000er-Jahren begonnen, zunehmend auf Soft Power, insbesondere in Form religiöser Diplomatie, zu vertrauen. Diese Neuausrichtung geht Hand in Hand mit den außenpolitischen Zielen der regierenden AKP unter Recep Tayyip Erdoğan, die eine aktive Rolle der Türkei auf dem afrikanischen Kontinent anstrebt. Ankara versucht, seine historische und kulturelle Nähe zu muslimischen Gemeinschaften in Afrika zu nutzen, um den Einfluss zu erweitern und sich als führende Macht in der muslimischen Welt zu positionieren.
Das Interesse der Türkei an Afrika reicht bis in die Zeit des Osmanischen Reiches zurück, als Teile Nordafrikas direkt unter Kontrolle der Hohen Pfote standen. Jedoch begann das Engagement der Türkei auf dem afrikanischen Kontinent in jüngerer Zeit erst 1998 mit dem sogenannten Afrika-Eröffnungsplan. Dieses Programm markierte den Beginn verstärkter diplomatischer und wirtschaftlicher Beziehungen zwischen der Türkei und afrikanischen Ländern. Es bildete die Grundlage für die heutige intensive Zusammenarbeit, die zunehmend durch religiöse Diplomatie geprägt ist.
Während Religion in der modernen Diplomatie lange Zeit als unwichtig betrachtet wurde, erkannten viele Staaten ab den 1970er- und 1980er-Jahren, dass Religion weiterhin eine bedeutende Rolle in den internationalen Beziehungen spielt. Die Türkei griff diese Entwicklung auf und integrierte religiöse Elemente in ihre Außenpolitik, insbesondere durch die Aktivitäten der türkischen Religionsbehörde Diyanet.
Religion dient der Türkei sowohl zur Legitimation politischer Macht im Inland als auch als Werkzeug zur Förderung außenpolitischer Ziele. Sie wird genutzt, um ein positives Image der Türkei in muslimisch geprägten Ländern zu fördern und um den Einfluss auf die politische und religiöse Entwicklung dieser Länder zu stärken. Besonders unter der AKP-Regierung hat die Türkei begonnen, Religion als ein zentrales Soft-Power-Instrument zu verwenden.
Im Inland half die Religion der AKP dabei, ihre Wählerschaft zu mobilisieren, während sie auf internationaler Ebene dazu dient, die Türkei als führende islamische Nation zu präsentieren. Dies gilt insbesondere in Afrika, wo die Türkei versucht, ihre religiösen und kulturellen Verbindungen zu muslimischen Ländern wie Somalia, Sudan oder Dschibuti zu vertiefen.
Bereits in den 1980er Jahren hatte die türkische Militärregierung nach dem Putsch von 1980 begonnen, die Diyanet zu nutzen, um den Einfluss linker und kommunistischer Ideologien zu bekämpfen
Die religiöse Diplomatie der Türkei wird in erster Linie von der Diyanet und ihrer Schwesterorganisation, der Türkiye Diyanet Vakfı (TDV), umgesetzt. Diese Organisationen sind die wichtigsten Instrumente der türkischen Soft Power in muslimischen Ländern. Zusätzlich unterstützt die »Türkische Agentur für Zusammenarbeit und Koordination« (TİKA) die Bemühungen der Türkei, ihren religiösen Einfluss in Afrika auszubauen. Durch humanitäre und religiöse Projekte soll das Image der Türkei als Beschützerin der muslimischen Gemeinschaft gestärkt werden.
Unter der Regierung der AKP hat sich der Einsatz von Religion in der türkischen Außenpolitik deutlich beschleunigt. Die AKP positioniert die Türkei als Führungsmacht in der muslimischen Welt und nutzt dabei eine gemäßigte Interpretation des Islam, um sich von extremeren Strömungen abzugrenzen. Der Einfluss der Religion auf die türkische Außenpolitik war vor dem Machtantritt der AKP im Jahr 2002 relativ gering. Erst mit der Regierungsübernahme begann die AKP, religiöse Institutionen wie die Diyanet verstärkt in ihre außenpolitischen Strategien einzubeziehen.
Bereits in den 1980er Jahren hatte die türkische Militärregierung nach dem Putsch von 1980 begonnen, die Diyanet zu nutzen, um den Einfluss linker und kommunistischer Ideologien zu bekämpfen. Mit der Gründung einer Abteilung für Auswärtige Angelegenheiten innerhalb der Diyanet 1983 wurde die religiöse Diplomatie der Türkei internationalisiert.
Die Türkei nutzt eine Vielzahl von Institutionen, um ihre religiöse Diplomatie in Afrika zu implementieren. Die Diyanet und die TDV spielen hierbei eine zentrale Rolle, da sie die islamische Lehre und den Bau von Moscheen in Afrika fördern. Diese Institutionen agieren in enger Zusammenarbeit mit staatlichen Akteuren wie TİKA, die ebenfalls religiöse Projekte unterstützt. Die Bemühungen konzentrieren sich hauptsächlich auf Länder mit einer großen muslimischen Bevölkerung, wie Somalia, Sudan, Libyen und Dschibuti.
Die Türkei befindet sich in einem ständigen Wettbewerb mit anderen muslimischen Ländern wie Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Ägypten
Die Türkei investiert dabei in den Bau und die Restaurierung von Moscheen, wie etwa der Moschee in Accra in Ghana, der größten Moschee Westafrikas, oder der Abdulhamid-Han-II-Moschee in Dschibuti, die größte Moschee in Ostafrika. Diese Bauprojekte sollen die religiöse Präsenz der Türkei in Afrika sichtbar machen und ihr Prestige als religiöse Führungsmacht stärken.
Neben dem Bau von Moscheen setzt die Türkei auch auf Bildung und kulturellen Austausch, um ihren Einfluss zu erweitern. Türkische Institutionen bieten Stipendien für muslimische Studenten aus Afrika an. Auf diese Weise versucht die Türkei, langfristige Verbindungen zu muslimischen Eliten in Afrika aufzubauen.
Die Türkei befindet sich in einem ständigen Wettbewerb mit anderen muslimischen Ländern wie Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Ägypten, die ebenfalls um die Führung in der sunnitischen Welt konkurrieren. Diese Länder haben traditionelle Verbindungen zu Afrika, insbesondere zum Horn von Afrika, die Türkei versucht, sich durch ihre tolerantere Interpretation des Islam als Alternative zu positionieren. Ankara stellt sich als aufstrebende Macht dar, die durch ihre Soft Power ihre religiöse und kulturelle Marke weltweit etabliert.
Trotz der Erfolge der Türkei in Afrika ist ihre Soft-Power-Strategie nicht ohne Herausforderungen. Seit den Protesten im Gezi-Park im Jahr 2013 und den darauffolgenden innenpolitischen Spannungen hat die Türkei an Ansehen in der internationalen Gemeinschaft verloren, insbesondere in westlichen Ländern. Eingriffe in die Meinungsfreiheit, Medienzensur und das harte Vorgehen gegen politische Gegner haben das Image der Türkei als aufstrebende Demokratie geschwächt. Diese Entwicklungen haben die Fähigkeit der Türkei, ihre Soft Power effektiv einzusetzen, beeinträchtigt.
Hüseyin Çiçek ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Erlanger Zentrum für Islam und Recht in Europa, der Universität Erlangen, und Fellow am Center for Advanced Security, Strategic and Integration Studies (CASSIS), der Universität Bonn.