Der Tod von Irans Präsidenten Ebrahim Raisi wirft ein Schlaglicht auf die seit langem angespannten Beziehungen zwischen den Nachbarstaaten am Kaspischen Meer. Dabei stehen die Zeichen derzeit auf Entspannung.
Das Treffen werde als ein »leuchtendes Kapitel in die Geschichte der Beziehungen zwischen Iran und Aserbaidschan« eingehen, sagte der aserbaidschanische Präsident Ilham Aliyev bei der gemeinsamen Erklärung mit seinem iranischen Amtskollegen Ebrahim Raisi am 19. Mai. Nichts deutete darauf hin, dass einer der beiden schon wenige Stunden später tot sein würde.
Beide Präsidenten hatten sich zur Einweihung des Wasserkraftwerks »Giz Galasi« sowie der Kommission der deutlich größeren Anlage »Khudafin« im Distikt Jabrayil direkt an der gemeinsamen Grenze entlang des Aras-Flusses getroffen. Auf der Rückreise aus Aserbaidschan stürzte der veraltete amerikanische Hubschrauber des Modells »Bell 212« der iranischen Luftwaffe im unwegsamen und dicht bewaldeten Grenzgebiet nahe des Dorfes Uzi in der iranischen Provinz Ost-Aserbaidschan ab. Zuvor hatte der staatliche meteorologische Dienst eine regionale Wetterwarnung ausgegeben. Neben Raisi kam unter anderem auch Außenminister Hossein Amir-Abdollahian ums Leben.
Das Treffen zwischen beiden Regierungschefs war dabei an sich schon bemerkenswert und deutete auf eine sichtliche Entspannung in den bilateralen Beziehungen hin, die in Folge des Karabach-Krieges 2020 einen historischen Tiefstand erreicht hatten. Aserbaidschanische Regierungsvertreter hatten Teheran damals vorgeworfen, armenische Separatisten in Bergkarabach zu unterstützen, die bis 2020 auch den benachbarten Distrikt Jabrayil kontrollierten. Die Pläne für die Dammprojekte gingen ursprünglich auf eine iranisch-sowjetische Initiative in den 1970er-Jahren zurück, lagen dann aber aufgrund des Karabach-Konfliktes zwischen Armenien und Aserbaidschan auf Eis. Die Wasserkraftwerke sollen nun das iranisch-aserbaidschanische Grenzgebiet mit Energie versorgen.
Ein weiterer Aspekt, der zu Konflikten zwischen Iran und Aserbaidschan führt: Bakus enge Beziehungen mit Israel im Sicherheits- und Energiesektor
Beide Regierungen waren in der jüngsten Vergangenheit immer wieder aneinandergeraten. So soll nach dem Willen Aserbaidschans direkt am schmalen Grenzstreifen zwischen Armenien und Iran der sogenannte Sangesur-Transportkorridor entstehen, der die aserbaidschanische Exklave Nachitschewan mit dem Rest des Landes verbindet. Für Iran sind solche Pläne kaum akzeptabel, schließlich ist Armenien einer der wenigen Nachbarn, mit dem das international isolierte Regime in Teheran seit langem freundschaftliche Beziehungen pflegt, auch wenn sich diese zuletzt etwas abgekühlt haben. Der Korridor würde Iran von Armenien abschneiden.
Die aserbaidschanische Regierung beruft sich dabei auf das Waffenstillstandsabkommen zwischen Armenien und Aserbaidschan von 2020. Darin einigten sich die Konfliktparteien zwar auf die Öffnung der Kommunikations- und der Transportwege, doch die genauen Bedingungen wurden nicht definiert und werden in Baku und Jerewan bisher äußerst unterschiedlich interpretiert. Baku pocht weiterhing auf die Umsetzung des Sangesur-Korridors, während Jerewan seine territoriale Integrität betont.
Ein weiterer Aspekt, der zu Konflikten zwischen Iran und Aserbaidschan führt: Bakus enge Beziehungen mit Israel im Sicherheits- und Energiesektor. Die Vorstellung, dass sich Erzfeind Israel auch militärisch in der unmittelbaren Nachbarschaft positionieren kann, lässt in iranischen Sicherheitskreisen die Alarmglocken läuten, insbesondere seitdem in Folge des Gaza-Krieges der Konflikt zwischen Israel und Iran wieder an Brisanz gewonnen hat. Dazu kommen gegenseitige Sicherheitsbedenken: So starb erst Anfang 2023 bei einem Anschlag auf die aserbaidschanische Botschaft in Teheran ein aserbaidschanischer Sicherheitsbeamter.
Zwei weitere zugrundeliegende Faktoren belasten die bilateralen Beziehungen langfristig. Auf der einen Seite fürchtet Teheran sich vor Auftrieb für Separatisten, die von einer politischen Vereinigung der aserbaidschanischen Siedlungsgebiete träumen. Im Norden Irans lebt bis heute eine große aserbaidschanische Minderheit. Die heutige Grenzziehung geht auf die Persisch-Russischen Kriege und die Verträge von Gulistan (1813) und Turkmenchay (1828) zurück, die damals die jahrhundertelang persisch-beherrschten turksprachigen Siedlungsgebiete im Kaukasus zwischen dem Schah und dem Zarenreich aufteilte.
Angesichts des gegenseitigen Abschreckungspotentials ergibt es Sinn, dass zuletzt eher gemeinsame Projekte betont wurden
Auf der anderen Seite fürchtet die säkulare Regierung von Autokrat Aliyev kaum so etwas so sehr wie eine religiöse Agitation pro-iranischer Kleriker in Aserbaidschan. Die Ex-Sowjetrepublik ist mehrheitlich schiitisch. Jegliche religiöse Aktivität im Land wird genau von den Sicherheitsbehörden überwacht. Immer wieder werden Mitglieder der islamischen Widerstandsbewegung Aserbaidschan (Hüseynçilər) verhaftet, die angeblich enge Kontakte zu den iranischen Revolutionsgarden unterhält.
Angesichts des gegenseitigen Abschreckungspotentials ergibt es also Sinn, dass zuletzt eher gemeinsame Projekte betont wurden. Neben der nun geplanten Energiekooperation im Grenzgebiet zeigt sich die Kooperationsbereitschaft zum Beispiel im Rahmen des Nordsüdtransportkorridors, der Indien über den iranischen Hafen Chabahar mit Russland verbinden soll und beiden Ländern mehr strategische Tiefe im Umgang mit China, Russland und dem Westen verleihen könnte.
Ganz zu trauen scheinen beide Länder dem Tauwetter aber noch nicht. Der offiziellen Trauerfeier für Raisi in Teheran blieb Ilham Aliyev fern. Stattdessen nahmen Außenminister Jeyhun Bayramov und Ministerpräsident Ali Asadov daran teil.