Donald Trumps Pläne zur Zwangsumsiedlung von Palästinensern im Gazastreifen treffen das Haschemitische Königreich ins Mark. Jordanien fürchtet um seine Stabilität und nationale Identität – und um die Hilfen aus den USA.
Es gibt wohl keinen anderen arabischen Politiker, der so versiert ist im Umgang mit den Vereinigten Staaten wie Jordaniens König Abdullah II. Der Sohn einer britischen Offizierstochter parliert in feinstem Englisch, absolvierte prägende High School-Jahre am US-College Deerfield, später studierte er an der Georgetown University in Washington DC. Mehrere Wochen verbringt er jedes Jahr in den USA, wo Jordanien und sein Königshaus über alle politischen Lager hinweg geschätzt werden.
Denn das Haschemitische Königreich ist seit Jahrzehnten ein zuverlässiger Verbündeter. Mehrere Tausend US-Truppen sind auf dem Luftwaffenstützpunkt Al-Azraq in der jordanischen Wüste stationiert – ein Dreh- und Angelpunkt für amerikanische Machtprojektion im Nahen Osten, gerade in unruhigen Zeiten wie diesen. Und: Allen Spannungen zum Trotz hält seit dreißig Jahren der Friedensvertrag mit Israel, dessen lange Ostgrenze auch dank der Kooperation mit Jordanien weitgehend stabil und sicher gehalten wird.
Nicht von ungefähr erhielt bereits nach dem Amtsantritt von Joe Biden König Abdullah als erster arabischer Staatschef eine Einladung ins Weiße Haus. So war es nun auch bei Donald Trump – allerdings diesmal unter äußerst schwierigen Vorzeichen. Dem jordanischen Monarchen war bei dem Gespräch, das am 11. Februar 2025 im Oval Office stattfand, seine unangenehme Lage anzusehen. Dass der US-Präsident spontan die Presse zum Vorgespräch eingeladen hatte, machte die Sache noch schlimmer.
Die öffentliche geäußerte Kritik an der israelischen Kriegsführung war für die traditionell eher sanft auftretende jordanische Diplomatie ausgesprochen scharf
Denn das Treffen der beiden Staatsoberhäupter fand im Lichte der vom US-Präsidenten lancierten Idee statt, die Palästinenser aus dem Gazastreifen in andere Länder umzusiedeln, unter anderem nach Jordanien. Dies wiederholte Trump auch in Gegenwart des konsternierten jordanischen Königs, der genau das seit Beginn des Gaza-Krieges immer wieder vehement abgelehnt und als »rote Linie« bezeichnet hatte. Mehrere jordanische Regierungsmitglieder hatten für einen solchen Fall sogar mit der Aufkündigung des Friedensvertrages mit Israel gedroht.
Trumps Umsiedlungspläne für die Palästinenser bringen Jordanien – und seine pro-westliche Führung – in eine gefährliche Zwickmühle. Schon seit Langem muss der König navigieren zwischen dem Aufrechterhalten der Partnerschaft mit den USA und anderen westlichen Staaten, die Israel unterstützen, einerseits und der zunehmend israelkritischen Stimmung in der Bevölkerung andererseits. Mit dem verheerenden Gaza-Krieg, der durch den Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober 2023 ausgelöst wurde, sowie angesichts der derzeitigen Besatzungs- und Siedlungspolitik im Westjordanland ist dieser Balanceakt noch einmal schwieriger geworden.
Zwar warf Jordanien von Anfang an sein ganzes diplomatisches Gewicht in die Waagschale, um den Krieg im Gazastreifen zu stoppen und spielte eine Schlüsselrolle bei der Bereitstellung humanitärer Hilfe. Auch die öffentliche geäußerte Kritik an der israelischen Kriegsführung war für die traditionell eher sanft auftretende jordanische Diplomatie ausgesprochen scharf. Doch weiten Teilen der jordanischen Bevölkerung ging dies nicht weit genug, monatelang wurde auf Demonstrationen der vollständige Abbruch der Beziehungen zu Israel gefordert.
Seit Jahrzehnten fürchtet man in Amman, dass der Nahostkonflikt auf jordanische Kosten gelöst wird
Kanalisiert haben die Verbitterung und Wut vieler Jordanier über das nicht enden wollende Leid im Gazastreifen nicht zuletzt die Muslimbrüder. Die Islamisten sind in Jordanien ein anerkannter Teil des politischen Spektrums, der sich zwar als Opposition, aber letztlich system- und königstreu definiert. Doch sie teilen mit der Hamas die ideologischen Wurzeln und machten gerade seit dem 7. Oktober aus ihrer Sympathie für deren bewaffneten Kampf gegen Israel keinen Hehl.
Als im September 2024 in Jordanien dann die lange geplanten Parlamentswahlen stattfanden, die ein neues Kapitel in der schrittweisen Demokratisierung des Landes eröffnen sollten, richtete die Partei der Muslimbrüder ihren Wahlkampf ganz auf die Lage im Gazastreifen aus und auf die Bedrohung, die ein »expansionistisches« Israel auch für Jordanien angeblich darstellte. Selbst wenn die Islamische Aktionsfront von einer gestaltenden Mehrheit im Parlament nach wie vor weit entfernt ist, konnte sie damit das beste Ergebnis aller Parteien erzielen – zum großen Missfallen des jordanischen Establishments und des einflussreichen Sicherheitsapparates.
Auf diese ohnehin schon angespannte Gemengelage traf Trumps Vorschlag der Umsiedlung von Palästinensern, der an Jordaniens strategischem Alptraum-Szenario rührt, das dort unter der Bezeichnung »alternatives Heimatland« (watan badil) – gemeint ist Jordanien für die Palästinenser – firmiert. Schon seit Jahrzehnten fürchtet man in Amman, dass der Nahostkonflikt auf jordanische Kosten gelöst wird, indem man die Palästinenser, vor allem aus dem angrenzenden Westjordanland, nach Jordanien drängt. Eine Idee, die in rechtsextremen israelischen Kreisen unter dem Schlagwort »Jordanien ist Palästina« kultiviert wird.
In einer als »Jordanische Option« bekannten abgeschwächten Variante, würde Jordanien das Westjordanland annektieren (das es bereits zwischen 1949 und 1967 kontrollierte) – entweder ganz oder nur die palästinensischen Ballungszentren, der Rest könnte dann israelisches Siedlungsgebiet bleiben beziehungsweise werden. Selbst wenn damit eine völkerrechtswidrige Zwangsumsiedlung jedenfalls im großen Stil unterbleiben würde, wird das von Palästinensern wie Jordaniern als Angriff auf ihre jeweilige nationale Identität und territorialen Ansprüche verstanden.
Abdullah könnte dann gegenüber der eigenen Bevölkerung bestenfalls als schwach, schlimmstenfalls als Komplize groß-israelischer Expansionsfanatiker dastehen
Der Widerstand aus Jordanien gegen derartige Überlegungen speist sich dabei aus zwei Richtungen. Erstens käme die Akzeptanz der Trump’schen Gaza-Pläne, gerade in den Augen der palästinensisch-stämmigen Jordanier, einer Mitwirkung an der Liquidierung der palästinensischen Sache gleich, verstanden als der Schaffung eines eigenen palästinensischen Staates auf einem Teil des üblicherweise als historisches Mandatsgebiet Palästina klassifizierten Territoriums westlich des Jordan-Flusses.
Jordanien gehört zudem seit drei Jahrzehnten zu den lautesten Advokaten für eine Zwei-Staaten-Lösung. Wird diese nun mittels Bevölkerungstransfer begraben, steht der König gegenüber der eigenen Bevölkerung bestenfalls als schwach, schlimmstenfalls als Komplize groß-israelischer Expansionsfanatiker da, die – so fürchten nicht wenige in Jordanien – irgendwann dann auch jordanisches Territorium ins Visier nehmen könnten.
Zweitens lehnen die alteingesessenen transjordanischen Stämme, die das Rückgrat des Staats- und vor allem des Sicherheitsapparates bilden, einen weiteren Zuzug von Palästinensern vehement ab. Sie fürchten dann demografisch und machtpolitisch noch weiter ins Hintertreffen zu geraten. Schon heute stellen die Jordanier mit palästinensischen Wurzeln die Bevölkerungsmehrheit und dominieren weite Teile der Privatwirtschaft, etwa den Banken- oder Gesundheitssektor. Im kollektiven Gedächtnis der Transjordanier verhaftet sind zudem die als »Schwarzer September« bekannten Ereignisse von 1970, als der Versuch palästinensischer Milizen, gewaltsam das Königshaus zu stürzen und den Staat zu übernehmen, nur knapp abgewehrt werden konnte.
Im Ergebnis würde König Abdullah für eine Zustimmung zu den Trump’schen Umsiedlungsplänen einen extrem hohen innenpolitischen Preis bezahlen – vielleicht zu hoch für die Stabilität seines Königreiches oder zumindest für seine persönliche Herrschaft. Doch zugleich ist das ressourcenarme Jordanien angewiesen auf amerikanische Hilfsgelder, die seit Jahrzehnten den notorisch klammen Staatshaushalt aufbessern. Mit weit über einer Milliarde US-Dollar jährlich sind die USA der wichtigste Finanzier Jordaniens. Das Land ist damit eines der Top-Empfängerländer amerikanischer Entwicklungshilfe.
Will man das Königreich eng im westlichen Lager halten, wird damit auch auf Europa eine größere Rolle zukommen
Das globale Einfrieren der US-Entwicklungshilfe, das Trump ebenfalls veranlasst hat, trifft Jordanien deshalb besonders hart. Zehntausende Jobs gingen in den wenigen Wochen seither bereits verloren; bei einem dauerhaften Stopp wären sogar Bereiche der Grundsicherung, wie die Gesundheitsversorgung oder Schulbildung betroffen. In Jordanien hofft man auf Ausnahmeregelungen – und fürchtet, dass die USA das Königreich im Gegenzug zwingen, an der Umsetzung der Trump‘schen Vorstellungen von einer Lösung des Nahostkonflikts mitzuwirken.
In dieser Zwickmühle saß König Abdullah, als der US-Präsident ihm persönlich und vor laufenden Kameras im Weißen Haus seinen Umsiedlungsplan für die Palästinenser im Gazastreifen erläuterte. Das jordanische Staatsoberhaupt wich einer klaren Antwort aus und versuchte, den US-Präsidenten mit dem Verweis auf anstehende ägyptische und gesamtarabische Gaza-Pläne zu vertrösten, sowie mit einer humanitären Geste milde zu stimmen, nämlich der Aufnahme von 2.000 schwerkranken Kindern aus dem Gazastreifen. In einer schriftlichen Erklärung unmittelbar nach dem Treffen wiederholte er dann aber Jordaniens strikte Ablehnung jeglicher Umsiedlungspläne für Palästinenser.
Der Jubelempfang tausender Jordanier bei der Rückkehr des Königs in Amman mag staatlich orchestriert gewesen sein. Doch insgesamt scheint es, dass Trumps undiplomatisches Ausüben von Druck auf Abdullah und dessen bisheriges Standhalten den Rückhalt des Königs in der eigenen Bevölkerung gestärkt haben. Dass die Stabilität des Haschemitischen Königreichs im amerikanischen Interesse liegt, dämmerte dann schließlich offenbar auch Donald Trump. Einen Tag nach dem denkwürdigen Pressegespräch mit Abdullah veröffentlichte der US-Präsident eine schmeichelnde Videobotschaft »an das großartige jordanische Volk«, in der er den König »als einen der wahrhaft großen Staatsmänner der Welt« pries.
Doch der Reputationsschaden für die USA ist angerichtet, auch bei den liberalen und eigentlich pro-westlich orientierten Eliten Jordaniens. In ihren Augen hat sich Washington als arrogant und erpresserisch gegenüber einem treuen Verbündeten erwiesen – und die Trump’schen Umsiedlungspläne liegen ja noch auf dem Tisch, die US-Entwicklungshilfe bleibt vorerst eingefroren. Amman wird kurz- und mittelfristig auf die Vereinigten Staaten als Partner nicht verzichten können und wollen. Doch wird es sich künftig noch mehr um eine Diversifizierung seiner Außenbeziehungen bemühen. Will man das Königreich eng im westlichen Lager halten, wird damit auch auf Europa eine größere Rolle zukommen.
Dr. Edmund Ratka leitet seit November 2020 das Auslandsbüro Jordanien der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) in Amman. Zuvor arbeitete er für die KAS in Tunesien sowie als Nahost-Referent in der Stiftungszentrale in Berlin.