Vor zehn Jahren fror die Arabische Liga Syriens Mitgliedschaft ein. Nun gehen einige Bruderstaaten wieder auf Damaskus zu. Warum?
Was ist geschehen?
Mehrere Mitgliedsstaaten der Arabischen Liga kündigen an, ihre diplomatischen und wirtschaftlichen Beziehungen zum syrischen Regime aufleben zu lassen. Darunter Syriens Nachbarn Jordanien und Irak, die Golfstaaten Oman, Bahrain und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), aber auch Tunesien, Algerien, Ägypten und die Palästinensische Autonomiebehörde. 2011 hatten die Mitglieder der Arabischen Liga die aktive Mitgliedschaft Syriens eingefroren – und Sanktionen gegen das Regime erlassen. Hintergrund waren die massiven Menschenrechtsverbrechen und dass das syrische Regime einen von der Arabischen Liga vorgelegten Friedensplan formal angenommen, jedoch nicht in die Tat umgesetzt hatte. Der sah damals den Rückzug der Sicherheitskräfte aus dem öffentlichen Raum und eine Freilassung von Gefangenen sowie Verhandlungen zwischen Regime und Opposition vor.
Worum geht es eigentlich?
Jordanien möchte, dass syrische Geflüchtete zurückkehren, von denen es geschätzt über eine Million aufgenommen hat – und dass der illegale Drogenhandel aus Syrien unterbunden wird. Das syrische Regime hat allerdings kein Interesse an der Rückkehr oppositioneller oder verarmter Bevölkerungsteile und sieht sich hier nicht in der Verantwortung. Zudem gehört die billig herzustellende Droge Captagon zu den letzten lukrativen Exportgütern des ansonsten bankrotten Regimes. In Palästina versucht Präsident Mahmud Abbas, seine sinkenden Popularitätswerte aufzufangen. Zwar hat Assad auch Palästinenser in Syrien bombardiert, ausgehungert und ins Exil getrieben, dennoch gilt er im Lichte der Normalisierungsabkommen als standfestester Gegenspieler Israels. Tunesien, nach der eigenen Revolution erst solidarisch mit den syrischen Rebellen, hat seit dem Aufkommen des IS, und unter der Ägide des arabischen Nationalisten Kais Saied, einen anderen Blick auf Syrien. Tunis sucht die Kooperation mit dem Regime zum Informationsaustausch über die 3.000 Tunesier, die sich dem IS angeschlosen hatten.
Wie geht es nun weiter?
Wie es um die diplomatische Rehabilitierung Assads bestellt ist, wird der kommende Gipfel der Arabischen Liga zeigen. Das für März 2022 in Algerien geplante Treffen wurde derweil verschoben. Dem lägen keine politischen Motive zugrunde, sondern die Befürchtung, dass das für Entscheidungen erforderliche Quorum wegen Corona-bedingter Absagen möglicherweise nicht zustande komme, heißt es. Allerdings ist klar: Die parteiübergreifend in den USA erlassenen Sanktionen unter dem »Caesar Act« stellen Normalisierungsversuche und insbesondere Wiederaufbau-Aktivitäten mit dem Assad-Regime auch in und von Drittländern unter Strafe. Jenseits dessen wird sich wenig tun: Syrien ist wirtschaftlich am Ende und hat weder Güter noch Devisen, mittels derer es den Handel nennenswert intensivieren könnte, ohne dass vorher in Syrien investiert worden wäre. Die ohnehin grassierende Korruption hat während der Kriegsjahre noch zugenommen. Zudem haben sich Russland und Iran die lukrativsten Standorte, Infrastruktur und Lizenzen in den Bereichen Telekommunikation, Finanzen und Ressourcenausbeutung gesichert. Insofern bleibt es einstweilen wohl beim ebenso warmen wie leeren Versprechen einer regionalen Annäherung.
Dr. Bente Scheller leitet das Referat Nahost und Nordafrika der Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin. Sie ist Associate Fellow des Centre for the Study of Radicalisation am Londoner King’s College.